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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Landwirtschaft im preußischen Gsten

sich die Ausfuhr von Vieh aus Ostpreußen wirklich als eine "sehr bedeutende"
dar. Freilich immer noch geringer als die der Westprovinzen. Ebenso steht
es mit Molkereiprodukten u. dergl. Bemerkenswert ist, daß im Regierungs¬
bezirk Gumbinnen 1897 über 400000 Zehnpfundpakete Butter und nahezu
16000 Pakete Käse allem mit der Post versandt wurden, und daß schon 1893
der Ertrag des Butterpostversands aus dem genannten Bezirk auf 4788000 Mark,
d. h. auf mehr als den Ertrag des gesamten Nemontenverkaufs ganz Ost¬
preußens berechnet wurde. Nun war aber bisher die Behauptung, daß die
Ostprovinzen durchaus auf den Getreideverkauf angewiesen seien, und daß der
gute Rat, zur rentablern, vom internationalen Preisfall nicht so sehr betroffnen
Viehzucht überzugehen, ihnen nichts helfen könne, die Unterlage der besondern
ostpreußischen Notstandstheorie. Diese muß nach solchen Bekenntnissen jeden¬
falls arg ins Wanken kommen, auch wenn der Verfasser als Schlußresultat
der Untersuchungen über die Verkehrs- und Absatzverhältnisse den Satz hin¬
stellt: In vielen landwirtschaftlichen Produkten werde aber der Osten einen
großen Überfluß auf absehbare Zeit hinaus haben, und es werde die östliche
Landwirtschaft deshalb ein vitales Interesse daran haben, daß durch Verkehrs-
verbesscrungen der Absatz dieses Überflusses nach dem Westen erleichtert werde.

Über die Arbeiterverhältnisse giebt folgende Zahlenübersicht beachtenswerte
Aufschlüsse:

Auf 100 IiÄ Kulturland kommen Arbeiter
männlicheweiblichezusammen
Ostpreußen , ,8,404,0512,54
Westvreuszen9,013,8912,83
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Mit Recht bemerkt der Verfasser zu diesen Zahlen: "Die Zahl der Arbeiter
per hundert Hektar Kulturland ist insofern nicht ganz vergleichsfähig, als darin
die im Gewerbe thätigen Familienangehörigen inbegriffen find, deren Zahl
jedenfalls in den bäuerlichen Betrieben des Westens höher ist als im Osten.
Es geht dies namentlich hervor aus der größern Zahl weiblicher Arbeitskräfte
des Westens. In der Gesamtzahl und insbesondre in der Zahl der männ¬
lichen Arbeitskräfte sind im Osten trotz der extensivern Landwirtschaft fast die
gleichen Mengen zu konstatiren wie in den westlichen Provinzen." An einer
andern Stelle wird gesagt: "Wir sehen, daß in den östlichen Provinzen, deren
extensiven Betrieb wir mehrfach nachwiesen, nicht sehr viel weniger menschliche
Arbeitskräfte verwendet werden als im Durchschnitt des Staats und in den
meisten westlichen Provinzen. Schleswig-Holstein verwendet sogar weniger als
alle östlichen Provinzen (9,5). Auch Brandenburg beschäftigt weniger Personal


Die Landwirtschaft im preußischen Gsten

sich die Ausfuhr von Vieh aus Ostpreußen wirklich als eine „sehr bedeutende"
dar. Freilich immer noch geringer als die der Westprovinzen. Ebenso steht
es mit Molkereiprodukten u. dergl. Bemerkenswert ist, daß im Regierungs¬
bezirk Gumbinnen 1897 über 400000 Zehnpfundpakete Butter und nahezu
16000 Pakete Käse allem mit der Post versandt wurden, und daß schon 1893
der Ertrag des Butterpostversands aus dem genannten Bezirk auf 4788000 Mark,
d. h. auf mehr als den Ertrag des gesamten Nemontenverkaufs ganz Ost¬
preußens berechnet wurde. Nun war aber bisher die Behauptung, daß die
Ostprovinzen durchaus auf den Getreideverkauf angewiesen seien, und daß der
gute Rat, zur rentablern, vom internationalen Preisfall nicht so sehr betroffnen
Viehzucht überzugehen, ihnen nichts helfen könne, die Unterlage der besondern
ostpreußischen Notstandstheorie. Diese muß nach solchen Bekenntnissen jeden¬
falls arg ins Wanken kommen, auch wenn der Verfasser als Schlußresultat
der Untersuchungen über die Verkehrs- und Absatzverhältnisse den Satz hin¬
stellt: In vielen landwirtschaftlichen Produkten werde aber der Osten einen
großen Überfluß auf absehbare Zeit hinaus haben, und es werde die östliche
Landwirtschaft deshalb ein vitales Interesse daran haben, daß durch Verkehrs-
verbesscrungen der Absatz dieses Überflusses nach dem Westen erleichtert werde.

Über die Arbeiterverhältnisse giebt folgende Zahlenübersicht beachtenswerte
Aufschlüsse:

Auf 100 IiÄ Kulturland kommen Arbeiter
männlicheweiblichezusammen
Ostpreußen , ,8,404,0512,54
Westvreuszen9,013,8912,83
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Mit Recht bemerkt der Verfasser zu diesen Zahlen: „Die Zahl der Arbeiter
per hundert Hektar Kulturland ist insofern nicht ganz vergleichsfähig, als darin
die im Gewerbe thätigen Familienangehörigen inbegriffen find, deren Zahl
jedenfalls in den bäuerlichen Betrieben des Westens höher ist als im Osten.
Es geht dies namentlich hervor aus der größern Zahl weiblicher Arbeitskräfte
des Westens. In der Gesamtzahl und insbesondre in der Zahl der männ¬
lichen Arbeitskräfte sind im Osten trotz der extensivern Landwirtschaft fast die
gleichen Mengen zu konstatiren wie in den westlichen Provinzen." An einer
andern Stelle wird gesagt: „Wir sehen, daß in den östlichen Provinzen, deren
extensiven Betrieb wir mehrfach nachwiesen, nicht sehr viel weniger menschliche
Arbeitskräfte verwendet werden als im Durchschnitt des Staats und in den
meisten westlichen Provinzen. Schleswig-Holstein verwendet sogar weniger als
alle östlichen Provinzen (9,5). Auch Brandenburg beschäftigt weniger Personal


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[0140] Die Landwirtschaft im preußischen Gsten sich die Ausfuhr von Vieh aus Ostpreußen wirklich als eine „sehr bedeutende" dar. Freilich immer noch geringer als die der Westprovinzen. Ebenso steht es mit Molkereiprodukten u. dergl. Bemerkenswert ist, daß im Regierungs¬ bezirk Gumbinnen 1897 über 400000 Zehnpfundpakete Butter und nahezu 16000 Pakete Käse allem mit der Post versandt wurden, und daß schon 1893 der Ertrag des Butterpostversands aus dem genannten Bezirk auf 4788000 Mark, d. h. auf mehr als den Ertrag des gesamten Nemontenverkaufs ganz Ost¬ preußens berechnet wurde. Nun war aber bisher die Behauptung, daß die Ostprovinzen durchaus auf den Getreideverkauf angewiesen seien, und daß der gute Rat, zur rentablern, vom internationalen Preisfall nicht so sehr betroffnen Viehzucht überzugehen, ihnen nichts helfen könne, die Unterlage der besondern ostpreußischen Notstandstheorie. Diese muß nach solchen Bekenntnissen jeden¬ falls arg ins Wanken kommen, auch wenn der Verfasser als Schlußresultat der Untersuchungen über die Verkehrs- und Absatzverhältnisse den Satz hin¬ stellt: In vielen landwirtschaftlichen Produkten werde aber der Osten einen großen Überfluß auf absehbare Zeit hinaus haben, und es werde die östliche Landwirtschaft deshalb ein vitales Interesse daran haben, daß durch Verkehrs- verbesscrungen der Absatz dieses Überflusses nach dem Westen erleichtert werde. Über die Arbeiterverhältnisse giebt folgende Zahlenübersicht beachtenswerte Aufschlüsse: Auf 100 IiÄ Kulturland kommen Arbeiter männlicheweiblichezusammen Ostpreußen , ,8,404,0512,54 Westvreuszen9,013,8912,83 Pommern , ,7,65!3,2310,8» Posen , , ,0,035,0214,05 Sachsen , , .0,327,5310,85 Hannover - ,0,716,1S15,00 Westfalen , ,10,145,3715,51 »,200,0015,20 Mit Recht bemerkt der Verfasser zu diesen Zahlen: „Die Zahl der Arbeiter per hundert Hektar Kulturland ist insofern nicht ganz vergleichsfähig, als darin die im Gewerbe thätigen Familienangehörigen inbegriffen find, deren Zahl jedenfalls in den bäuerlichen Betrieben des Westens höher ist als im Osten. Es geht dies namentlich hervor aus der größern Zahl weiblicher Arbeitskräfte des Westens. In der Gesamtzahl und insbesondre in der Zahl der männ¬ lichen Arbeitskräfte sind im Osten trotz der extensivern Landwirtschaft fast die gleichen Mengen zu konstatiren wie in den westlichen Provinzen." An einer andern Stelle wird gesagt: „Wir sehen, daß in den östlichen Provinzen, deren extensiven Betrieb wir mehrfach nachwiesen, nicht sehr viel weniger menschliche Arbeitskräfte verwendet werden als im Durchschnitt des Staats und in den meisten westlichen Provinzen. Schleswig-Holstein verwendet sogar weniger als alle östlichen Provinzen (9,5). Auch Brandenburg beschäftigt weniger Personal

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/140>, abgerufen am 24.07.2024.