Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ungedrnckto Briefe von Robert Schumann

die schönsten Übersetzungen Ihrer Musik, Ihre Gedanken über die musikalische
Zukunft, über den Verfall der deutschen Oper, und was Sie sonst wollen.

Ein Beitrag für die musikalische Beilage dürfte nicht über drei Seiten
groß werden, worauf sich schon etwas sagen läßt. Bitte, denken Sie daran!
Mein Urtheil wird dann offen sein. Die nächsten drei Beilagen sind indeß
schon ziemlich gefüllt, daß Sie Sich Zeit nehmen können.

Vor Allem schicken Sie mir also die Betrachtungen, wenn möglich. Ich
weiß nicht, ob ich Ihnen gesagt, daß ich eine Reise vorhabe: weshalb ich
viel Manuscript beschaffen muß. Sie thun mir also auch einen Freund¬
schaftsdienst.


Mit bestem Wünschen und HoffenIhr ergebener N. Schumann.

Der Aufsatz über den Berliner Konzertmeister Karl Möser kam nicht zum
Abdruck, auch keine Komposition Hirschbachs in den Beilagen zur Zeitschrift.

Als ich Hirschbach im April 1334 auf seinem Junggeselleustübcheu in Gohlis
aufsuchte, sprach er mit großer Hochachtung über Schumann, mit dem er in den
ersten vierziger Jahren freundschaftlich verkehrt hatte. Auf meine spezielle Frage,
ob er Schumann als "eitel," wofür ihn Wcisielewski, oder als "mißgünstig," wofür
ihn Wagner ausgiebt, kennen gelernt habe, antwortete er mit einem nachdrücklichen
Nein. Hirschbach war nicht der Mann, sich in seinen Urteilen nur im geringsten
beeinflussen zu lassen oder damit hinter dem Berge zu halte". In einem Briefe
vom 22. Mai 1834, der an unsre mündliche Unterhaltung anknüpft, schrieb er:
"Schumann war ein braver Mensch, echter Künstler, ein Künstler von hoher Eigen¬
tümlichkeit. . . . Persönlich hatte ich ihn sehr gern; er war mir im Umgange der
liebste aller schaffenden Musiker, die ich kennen gelernt habe, und deren Anzahl ist
groß. Gegen mich war er auch nicht verschlossen." Schumann war von freund¬
licher und wohlwollender Gemütsart, aber auch leicht erregbar und empfindlich.
Hirschbach erzählt auch hiervon (Leipziger Tageblatt 1332, Febr. 12) ein Beispiel.
"Ich erinnere mich noch eines Abends, als der damalige Assessor H^ermann^, ein
alter Bekannter von Schumann und Teilnehmer an der Tafelrunde, sich dahin
äußerte, daß Schumann seiner Verbindung mit Clara Wieck viel von den äußern
Erfolgen seiner Kompositionen zu verdanken habe. Tiefverletzt sprang Schumann
auf, mir zurufend: "Kommen Sie, Hirschbach," und verließ in höchster Erregung
die Gesellschaft. Es hatte ihn tief gekränkt, daß man den Erfolg seiner Werke
von seiner Heirat abhängig machte, da er meinte, sie hätten sich durch sich selbst
Bahn gebrochen. Wer mochte dem nur auf das Edelste gerichteten Künstler diesen
Glauben nehmen?"

^Fortsetzung folgt)




Ungedrnckto Briefe von Robert Schumann

die schönsten Übersetzungen Ihrer Musik, Ihre Gedanken über die musikalische
Zukunft, über den Verfall der deutschen Oper, und was Sie sonst wollen.

Ein Beitrag für die musikalische Beilage dürfte nicht über drei Seiten
groß werden, worauf sich schon etwas sagen läßt. Bitte, denken Sie daran!
Mein Urtheil wird dann offen sein. Die nächsten drei Beilagen sind indeß
schon ziemlich gefüllt, daß Sie Sich Zeit nehmen können.

Vor Allem schicken Sie mir also die Betrachtungen, wenn möglich. Ich
weiß nicht, ob ich Ihnen gesagt, daß ich eine Reise vorhabe: weshalb ich
viel Manuscript beschaffen muß. Sie thun mir also auch einen Freund¬
schaftsdienst.


Mit bestem Wünschen und HoffenIhr ergebener N. Schumann.

Der Aufsatz über den Berliner Konzertmeister Karl Möser kam nicht zum
Abdruck, auch keine Komposition Hirschbachs in den Beilagen zur Zeitschrift.

Als ich Hirschbach im April 1334 auf seinem Junggeselleustübcheu in Gohlis
aufsuchte, sprach er mit großer Hochachtung über Schumann, mit dem er in den
ersten vierziger Jahren freundschaftlich verkehrt hatte. Auf meine spezielle Frage,
ob er Schumann als „eitel," wofür ihn Wcisielewski, oder als „mißgünstig," wofür
ihn Wagner ausgiebt, kennen gelernt habe, antwortete er mit einem nachdrücklichen
Nein. Hirschbach war nicht der Mann, sich in seinen Urteilen nur im geringsten
beeinflussen zu lassen oder damit hinter dem Berge zu halte». In einem Briefe
vom 22. Mai 1834, der an unsre mündliche Unterhaltung anknüpft, schrieb er:
„Schumann war ein braver Mensch, echter Künstler, ein Künstler von hoher Eigen¬
tümlichkeit. . . . Persönlich hatte ich ihn sehr gern; er war mir im Umgange der
liebste aller schaffenden Musiker, die ich kennen gelernt habe, und deren Anzahl ist
groß. Gegen mich war er auch nicht verschlossen." Schumann war von freund¬
licher und wohlwollender Gemütsart, aber auch leicht erregbar und empfindlich.
Hirschbach erzählt auch hiervon (Leipziger Tageblatt 1332, Febr. 12) ein Beispiel.
„Ich erinnere mich noch eines Abends, als der damalige Assessor H^ermann^, ein
alter Bekannter von Schumann und Teilnehmer an der Tafelrunde, sich dahin
äußerte, daß Schumann seiner Verbindung mit Clara Wieck viel von den äußern
Erfolgen seiner Kompositionen zu verdanken habe. Tiefverletzt sprang Schumann
auf, mir zurufend: »Kommen Sie, Hirschbach,« und verließ in höchster Erregung
die Gesellschaft. Es hatte ihn tief gekränkt, daß man den Erfolg seiner Werke
von seiner Heirat abhängig machte, da er meinte, sie hätten sich durch sich selbst
Bahn gebrochen. Wer mochte dem nur auf das Edelste gerichteten Künstler diesen
Glauben nehmen?"

^Fortsetzung folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228392"/>
            <fw type="header" place="top"> Ungedrnckto Briefe von Robert Schumann</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_272" prev="#ID_271"> die schönsten Übersetzungen Ihrer Musik, Ihre Gedanken über die musikalische<lb/>
Zukunft, über den Verfall der deutschen Oper, und was Sie sonst wollen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_273"> Ein Beitrag für die musikalische Beilage dürfte nicht über drei Seiten<lb/>
groß werden, worauf sich schon etwas sagen läßt. Bitte, denken Sie daran!<lb/>
Mein Urtheil wird dann offen sein. Die nächsten drei Beilagen sind indeß<lb/>
schon ziemlich gefüllt, daß Sie Sich Zeit nehmen können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_274"> Vor Allem schicken Sie mir also die Betrachtungen, wenn möglich. Ich<lb/>
weiß nicht, ob ich Ihnen gesagt, daß ich eine Reise vorhabe: weshalb ich<lb/>
viel Manuscript beschaffen muß. Sie thun mir also auch einen Freund¬<lb/>
schaftsdienst.</p><lb/>
            <note type="closer"> Mit bestem Wünschen und HoffenIhr ergebener<note type="bibl"> N. Schumann.</note></note><lb/>
            <p xml:id="ID_275"> Der Aufsatz über den Berliner Konzertmeister Karl Möser kam nicht zum<lb/>
Abdruck, auch keine Komposition Hirschbachs in den Beilagen zur Zeitschrift.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_276"> Als ich Hirschbach im April 1334 auf seinem Junggeselleustübcheu in Gohlis<lb/>
aufsuchte, sprach er mit großer Hochachtung über Schumann, mit dem er in den<lb/>
ersten vierziger Jahren freundschaftlich verkehrt hatte. Auf meine spezielle Frage,<lb/>
ob er Schumann als &#x201E;eitel," wofür ihn Wcisielewski, oder als &#x201E;mißgünstig," wofür<lb/>
ihn Wagner ausgiebt, kennen gelernt habe, antwortete er mit einem nachdrücklichen<lb/>
Nein. Hirschbach war nicht der Mann, sich in seinen Urteilen nur im geringsten<lb/>
beeinflussen zu lassen oder damit hinter dem Berge zu halte». In einem Briefe<lb/>
vom 22. Mai 1834, der an unsre mündliche Unterhaltung anknüpft, schrieb er:<lb/>
&#x201E;Schumann war ein braver Mensch, echter Künstler, ein Künstler von hoher Eigen¬<lb/>
tümlichkeit. . . . Persönlich hatte ich ihn sehr gern; er war mir im Umgange der<lb/>
liebste aller schaffenden Musiker, die ich kennen gelernt habe, und deren Anzahl ist<lb/>
groß. Gegen mich war er auch nicht verschlossen." Schumann war von freund¬<lb/>
licher und wohlwollender Gemütsart, aber auch leicht erregbar und empfindlich.<lb/>
Hirschbach erzählt auch hiervon (Leipziger Tageblatt 1332, Febr. 12) ein Beispiel.<lb/>
&#x201E;Ich erinnere mich noch eines Abends, als der damalige Assessor H^ermann^, ein<lb/>
alter Bekannter von Schumann und Teilnehmer an der Tafelrunde, sich dahin<lb/>
äußerte, daß Schumann seiner Verbindung mit Clara Wieck viel von den äußern<lb/>
Erfolgen seiner Kompositionen zu verdanken habe. Tiefverletzt sprang Schumann<lb/>
auf, mir zurufend: »Kommen Sie, Hirschbach,« und verließ in höchster Erregung<lb/>
die Gesellschaft. Es hatte ihn tief gekränkt, daß man den Erfolg seiner Werke<lb/>
von seiner Heirat abhängig machte, da er meinte, sie hätten sich durch sich selbst<lb/>
Bahn gebrochen. Wer mochte dem nur auf das Edelste gerichteten Künstler diesen<lb/>
Glauben nehmen?"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_277"> ^Fortsetzung folgt)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0090] Ungedrnckto Briefe von Robert Schumann die schönsten Übersetzungen Ihrer Musik, Ihre Gedanken über die musikalische Zukunft, über den Verfall der deutschen Oper, und was Sie sonst wollen. Ein Beitrag für die musikalische Beilage dürfte nicht über drei Seiten groß werden, worauf sich schon etwas sagen läßt. Bitte, denken Sie daran! Mein Urtheil wird dann offen sein. Die nächsten drei Beilagen sind indeß schon ziemlich gefüllt, daß Sie Sich Zeit nehmen können. Vor Allem schicken Sie mir also die Betrachtungen, wenn möglich. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen gesagt, daß ich eine Reise vorhabe: weshalb ich viel Manuscript beschaffen muß. Sie thun mir also auch einen Freund¬ schaftsdienst. Mit bestem Wünschen und HoffenIhr ergebener N. Schumann. Der Aufsatz über den Berliner Konzertmeister Karl Möser kam nicht zum Abdruck, auch keine Komposition Hirschbachs in den Beilagen zur Zeitschrift. Als ich Hirschbach im April 1334 auf seinem Junggeselleustübcheu in Gohlis aufsuchte, sprach er mit großer Hochachtung über Schumann, mit dem er in den ersten vierziger Jahren freundschaftlich verkehrt hatte. Auf meine spezielle Frage, ob er Schumann als „eitel," wofür ihn Wcisielewski, oder als „mißgünstig," wofür ihn Wagner ausgiebt, kennen gelernt habe, antwortete er mit einem nachdrücklichen Nein. Hirschbach war nicht der Mann, sich in seinen Urteilen nur im geringsten beeinflussen zu lassen oder damit hinter dem Berge zu halte». In einem Briefe vom 22. Mai 1834, der an unsre mündliche Unterhaltung anknüpft, schrieb er: „Schumann war ein braver Mensch, echter Künstler, ein Künstler von hoher Eigen¬ tümlichkeit. . . . Persönlich hatte ich ihn sehr gern; er war mir im Umgange der liebste aller schaffenden Musiker, die ich kennen gelernt habe, und deren Anzahl ist groß. Gegen mich war er auch nicht verschlossen." Schumann war von freund¬ licher und wohlwollender Gemütsart, aber auch leicht erregbar und empfindlich. Hirschbach erzählt auch hiervon (Leipziger Tageblatt 1332, Febr. 12) ein Beispiel. „Ich erinnere mich noch eines Abends, als der damalige Assessor H^ermann^, ein alter Bekannter von Schumann und Teilnehmer an der Tafelrunde, sich dahin äußerte, daß Schumann seiner Verbindung mit Clara Wieck viel von den äußern Erfolgen seiner Kompositionen zu verdanken habe. Tiefverletzt sprang Schumann auf, mir zurufend: »Kommen Sie, Hirschbach,« und verließ in höchster Erregung die Gesellschaft. Es hatte ihn tief gekränkt, daß man den Erfolg seiner Werke von seiner Heirat abhängig machte, da er meinte, sie hätten sich durch sich selbst Bahn gebrochen. Wer mochte dem nur auf das Edelste gerichteten Künstler diesen Glauben nehmen?" ^Fortsetzung folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/90
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/90>, abgerufen am 27.07.2024.