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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

Schreibe mir gleich, wie Dir das gefällt. Wenn es geht, bestimme ich
Dir dann den Tag der Abfahrt genauer.

Julius Kistner hat Allen in's Ohr versichert, Du wärest eine herrliche
Frau. Ich meinestheils billige es nicht: indeß würdest Du im Hotel eine
scharfe Kritik auszustehen haben. Sehr freue ich mich darauf.


Adieu! Dein Robert.

Ich bleibe bei Dir, wenn Du willst,
die andern auf der Post.

Der Brief hat folgende Nachschrift von Schumanns Bruder Eduard:


"Liebe Therese!

Diese Zeilen überbrachte mir Robert erst heute gegen Abend nach Postschluß,
und wirst Du mir daher den späteren Empfang desselben nicht zur Last legen.
Wenn Du uicht nach Gera reisen willst, so bitte ich Dich, Roberts Wunsch zu
erfüllen.


Leb' Wohl, mein Herz!Dein
D- 13- April E. Schumann."

Die Fahrt nach Zwickau wurde in den ersten Tagen des Mai mit Bennett
und Walther von Goethe ausgeführt; "es regnete die ganze Zeit," heißt es in
Bennetts Tagebuch. -- Therese Schumann war eine schöne und vornehme Erschei¬
nung. Nach dem Tode ihres Mannes 1839 verheiratete sie sich mit dem Buch¬
händler, Stadtrat Friedr. Fleischer in Leipzig, zog nach dessen Ableben wieder
nach Zwickau, später uach Dresden, wo sie am 22. Februar 1887 starb. In
ihren Briefen an mich spricht sie mit warmen Worten von dem "wohlthuenden"
Verkehr mit Schumann. Waren auch die Erinnerungen der neunundsiebzigjährigen
Frau, die seit so vielen Jahren einem andern Kreise angehört hatte, sehr "zu¬
sammen geschmolzen," so glaube ich doch das, was sie zur Charakteristik des jungen
Schumann sagt, dem Wortlaut uach mitteilen zu sollen. "Die freundschaftliche
und verwandtschaftliche Zuneigung Schumanns -- so schreibt sie am 1ö. November
1882 -- hat damals meinem jungen Herzen wohlgethan, und ich habe sie unbefangen
und herzlich erwiedert, ohne daß ich mich dabei rühmen darf, Schumann ein Ver¬
ständniß für seine künstlerische musikalische Bedeutung entgegen gebracht zu hoben,
-- unsere Beziehungen waren rein verwandtschaftlicher Art, und wenn er denselben
eine höhere Bedeutung beimaß, so ist dies lediglich auf eine warme, freigebige
Illusion seinerseits zurückzuführen. Schumann hatte ein reines, edles, warmes,
vertrauensvolles Gemüt, -- er liebte, weil er lieben mußte, in seiner Liebe er¬
schloß sich die ganze Reinheit seiner Seele, jede gewöhnliche Regung our ihm dabei
fremd. Diesen Eindruck habe ich von ihm empfangen und festgehalten, -- alles
Andere aber auch, was ihm begegnete, sah er vertrauend mit den reinen Augen
dieser Liebe an. ... Zu den Angelegenheiten zwischen Wieck und Schumann besitze
ich keine Unterlagen und habe auch keinen anderen Anhaltepunkt darüber als meine
Überzeugung, daß Schumann sich vollständig ehrenwerth und zuverlässig benommen,
aber mit sehr zweifelhaften Widerwärtigkeiten von Seiten Wiecks zu kämpfen ge¬
habt hat."


Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

Schreibe mir gleich, wie Dir das gefällt. Wenn es geht, bestimme ich
Dir dann den Tag der Abfahrt genauer.

Julius Kistner hat Allen in's Ohr versichert, Du wärest eine herrliche
Frau. Ich meinestheils billige es nicht: indeß würdest Du im Hotel eine
scharfe Kritik auszustehen haben. Sehr freue ich mich darauf.


Adieu! Dein Robert.

Ich bleibe bei Dir, wenn Du willst,
die andern auf der Post.

Der Brief hat folgende Nachschrift von Schumanns Bruder Eduard:


„Liebe Therese!

Diese Zeilen überbrachte mir Robert erst heute gegen Abend nach Postschluß,
und wirst Du mir daher den späteren Empfang desselben nicht zur Last legen.
Wenn Du uicht nach Gera reisen willst, so bitte ich Dich, Roberts Wunsch zu
erfüllen.


Leb' Wohl, mein Herz!Dein
D- 13- April E. Schumann."

Die Fahrt nach Zwickau wurde in den ersten Tagen des Mai mit Bennett
und Walther von Goethe ausgeführt; „es regnete die ganze Zeit," heißt es in
Bennetts Tagebuch. — Therese Schumann war eine schöne und vornehme Erschei¬
nung. Nach dem Tode ihres Mannes 1839 verheiratete sie sich mit dem Buch¬
händler, Stadtrat Friedr. Fleischer in Leipzig, zog nach dessen Ableben wieder
nach Zwickau, später uach Dresden, wo sie am 22. Februar 1887 starb. In
ihren Briefen an mich spricht sie mit warmen Worten von dem „wohlthuenden"
Verkehr mit Schumann. Waren auch die Erinnerungen der neunundsiebzigjährigen
Frau, die seit so vielen Jahren einem andern Kreise angehört hatte, sehr „zu¬
sammen geschmolzen," so glaube ich doch das, was sie zur Charakteristik des jungen
Schumann sagt, dem Wortlaut uach mitteilen zu sollen. „Die freundschaftliche
und verwandtschaftliche Zuneigung Schumanns — so schreibt sie am 1ö. November
1882 — hat damals meinem jungen Herzen wohlgethan, und ich habe sie unbefangen
und herzlich erwiedert, ohne daß ich mich dabei rühmen darf, Schumann ein Ver¬
ständniß für seine künstlerische musikalische Bedeutung entgegen gebracht zu hoben,
— unsere Beziehungen waren rein verwandtschaftlicher Art, und wenn er denselben
eine höhere Bedeutung beimaß, so ist dies lediglich auf eine warme, freigebige
Illusion seinerseits zurückzuführen. Schumann hatte ein reines, edles, warmes,
vertrauensvolles Gemüt, — er liebte, weil er lieben mußte, in seiner Liebe er¬
schloß sich die ganze Reinheit seiner Seele, jede gewöhnliche Regung our ihm dabei
fremd. Diesen Eindruck habe ich von ihm empfangen und festgehalten, — alles
Andere aber auch, was ihm begegnete, sah er vertrauend mit den reinen Augen
dieser Liebe an. ... Zu den Angelegenheiten zwischen Wieck und Schumann besitze
ich keine Unterlagen und habe auch keinen anderen Anhaltepunkt darüber als meine
Überzeugung, daß Schumann sich vollständig ehrenwerth und zuverlässig benommen,
aber mit sehr zweifelhaften Widerwärtigkeiten von Seiten Wiecks zu kämpfen ge¬
habt hat."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/82>, abgerufen am 27.07.2024.