Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Über das Alter der französischen Generäle

nicht mehr allein ausreicht, sondern daß Studium, Schule und also auch Zeit
dazu gehören, um Truppenmassen führen und in richtiger Weise verwenden zu
können.

Man könnte, wenn man dies als richtig anerkennt, demnach leicht zu der
Meinung kommen, daß das Alter der Generäle eine wesentliche, vielleicht die
wesentlichste Garantie sür ihre Leistungen böte, und daß dem jungen Manne
nicht allein die erforderliche theoretische Schulung, sondern die Erfahrung und
vor allem die langjährige Praxis im Verkehr mit der Truppe, in der Be¬
urteilung des Geländes, in der Verwendung der verschiednen Waffen usw.
fehlen müßte. Diese Meinung würde auch zweifellos richtig sein, wenn nicht
noch andre Ansprüche an den Feldherrn gestellt würden, die sich mit dem
höhern Alter nur schwer vereinigen lassen: körperliche Tüchtigkeit und Gesund¬
heit, müheloses Ertragen von Strapazen, schneller Entschluß, begeisternde und
anfeuernde Beeinflussung der Truppen; in vielen Fällen auch persönliche
Tapferkeit und frischer Wagemut. Es ist also nicht leicht, Regeln aufzustellen,
umso weniger, als auch gewisse äußere Umstände und Rücksichten -- namentlich
in einem monarchischen Staate -- leicht in Betracht kommen können. Während
der beiden Kriege, die Kaiser Wilhelm I. siegreich führte, stand er selbst
schon in hohem Alter: er war neunundsechzig und dreiundsiebzig Jahre alt
und war trotzdem geistig und körperlich jeder Anforderung gewachsen. Es lag
ihm infolge dessen fern, im höhern Lebensalter ein Hindernis für militärische
Leistungen zu sehen, sondern langjährige Erfahrung im Leben und im Militär¬
dienst boten ihm im Gegenteil die Sicherheit für reifes Urteil, für militärisches
Wissen und Können. Der König zog in den Krieg mit Führern, die nahezu
im gleichen Alter standen wie er selbst, ja zum Teil noch älter waren als er.
Wir nennen aus dem Feldzug 1870/71, deu der König, wie gesagt, als Drei-
undsiebzigjühriger führte, den Feldmarschall Steinmetz, der im Jahre 1796 ge¬
boren, also vierundsiebzig Jahre alt war; den bayrischen General von Hart¬
mann im Alter von fünfundsiebzig Jahren, den General von Zcistrow mit
neunundsechzig Jahren, von Alvensleben I mit siebenundsechzig, Manstein mit
fünfundsechzig, Fransecky mit dreiundsechzig Jahren und mehrere der kom-
mandirenden Generäle, die, 1809 geboren, ein Alter von einundsechzig Jahren
erreicht hatten. Daß aber diese Heerführer ihre Stellungen, trotz des höhern
Alters, in jeder Hinsicht -- auch körperlich -- ganz auszufüllen wußten, ist
bekannt.

Trotzdem erscheint es fraglich, ob man in einem künftigen Kriege die
Führung gern wieder Generälen übertragen würde, die durch ihr hohes Alter
die Strapazen eines Feldzugs doppelt und dreifach empfinden und dadurch
leicht in ihrer Thatkraft gehemmt werden würden. Wir sprechen hier nicht
von Ausnahmen, die es immer geben wird, und die zu beurteilen der aller¬
höchsten Stelle überlassen bleibt, sondern wir sprechen von einem so hohen


Über das Alter der französischen Generäle

nicht mehr allein ausreicht, sondern daß Studium, Schule und also auch Zeit
dazu gehören, um Truppenmassen führen und in richtiger Weise verwenden zu
können.

Man könnte, wenn man dies als richtig anerkennt, demnach leicht zu der
Meinung kommen, daß das Alter der Generäle eine wesentliche, vielleicht die
wesentlichste Garantie sür ihre Leistungen böte, und daß dem jungen Manne
nicht allein die erforderliche theoretische Schulung, sondern die Erfahrung und
vor allem die langjährige Praxis im Verkehr mit der Truppe, in der Be¬
urteilung des Geländes, in der Verwendung der verschiednen Waffen usw.
fehlen müßte. Diese Meinung würde auch zweifellos richtig sein, wenn nicht
noch andre Ansprüche an den Feldherrn gestellt würden, die sich mit dem
höhern Alter nur schwer vereinigen lassen: körperliche Tüchtigkeit und Gesund¬
heit, müheloses Ertragen von Strapazen, schneller Entschluß, begeisternde und
anfeuernde Beeinflussung der Truppen; in vielen Fällen auch persönliche
Tapferkeit und frischer Wagemut. Es ist also nicht leicht, Regeln aufzustellen,
umso weniger, als auch gewisse äußere Umstände und Rücksichten — namentlich
in einem monarchischen Staate — leicht in Betracht kommen können. Während
der beiden Kriege, die Kaiser Wilhelm I. siegreich führte, stand er selbst
schon in hohem Alter: er war neunundsechzig und dreiundsiebzig Jahre alt
und war trotzdem geistig und körperlich jeder Anforderung gewachsen. Es lag
ihm infolge dessen fern, im höhern Lebensalter ein Hindernis für militärische
Leistungen zu sehen, sondern langjährige Erfahrung im Leben und im Militär¬
dienst boten ihm im Gegenteil die Sicherheit für reifes Urteil, für militärisches
Wissen und Können. Der König zog in den Krieg mit Führern, die nahezu
im gleichen Alter standen wie er selbst, ja zum Teil noch älter waren als er.
Wir nennen aus dem Feldzug 1870/71, deu der König, wie gesagt, als Drei-
undsiebzigjühriger führte, den Feldmarschall Steinmetz, der im Jahre 1796 ge¬
boren, also vierundsiebzig Jahre alt war; den bayrischen General von Hart¬
mann im Alter von fünfundsiebzig Jahren, den General von Zcistrow mit
neunundsechzig Jahren, von Alvensleben I mit siebenundsechzig, Manstein mit
fünfundsechzig, Fransecky mit dreiundsechzig Jahren und mehrere der kom-
mandirenden Generäle, die, 1809 geboren, ein Alter von einundsechzig Jahren
erreicht hatten. Daß aber diese Heerführer ihre Stellungen, trotz des höhern
Alters, in jeder Hinsicht — auch körperlich — ganz auszufüllen wußten, ist
bekannt.

Trotzdem erscheint es fraglich, ob man in einem künftigen Kriege die
Führung gern wieder Generälen übertragen würde, die durch ihr hohes Alter
die Strapazen eines Feldzugs doppelt und dreifach empfinden und dadurch
leicht in ihrer Thatkraft gehemmt werden würden. Wir sprechen hier nicht
von Ausnahmen, die es immer geben wird, und die zu beurteilen der aller¬
höchsten Stelle überlassen bleibt, sondern wir sprechen von einem so hohen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0610" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228912"/>
          <fw type="header" place="top"> Über das Alter der französischen Generäle</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2066" prev="#ID_2065"> nicht mehr allein ausreicht, sondern daß Studium, Schule und also auch Zeit<lb/>
dazu gehören, um Truppenmassen führen und in richtiger Weise verwenden zu<lb/>
können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2067"> Man könnte, wenn man dies als richtig anerkennt, demnach leicht zu der<lb/>
Meinung kommen, daß das Alter der Generäle eine wesentliche, vielleicht die<lb/>
wesentlichste Garantie sür ihre Leistungen böte, und daß dem jungen Manne<lb/>
nicht allein die erforderliche theoretische Schulung, sondern die Erfahrung und<lb/>
vor allem die langjährige Praxis im Verkehr mit der Truppe, in der Be¬<lb/>
urteilung des Geländes, in der Verwendung der verschiednen Waffen usw.<lb/>
fehlen müßte. Diese Meinung würde auch zweifellos richtig sein, wenn nicht<lb/>
noch andre Ansprüche an den Feldherrn gestellt würden, die sich mit dem<lb/>
höhern Alter nur schwer vereinigen lassen: körperliche Tüchtigkeit und Gesund¬<lb/>
heit, müheloses Ertragen von Strapazen, schneller Entschluß, begeisternde und<lb/>
anfeuernde Beeinflussung der Truppen; in vielen Fällen auch persönliche<lb/>
Tapferkeit und frischer Wagemut. Es ist also nicht leicht, Regeln aufzustellen,<lb/>
umso weniger, als auch gewisse äußere Umstände und Rücksichten &#x2014; namentlich<lb/>
in einem monarchischen Staate &#x2014; leicht in Betracht kommen können. Während<lb/>
der beiden Kriege, die Kaiser Wilhelm I. siegreich führte, stand er selbst<lb/>
schon in hohem Alter: er war neunundsechzig und dreiundsiebzig Jahre alt<lb/>
und war trotzdem geistig und körperlich jeder Anforderung gewachsen. Es lag<lb/>
ihm infolge dessen fern, im höhern Lebensalter ein Hindernis für militärische<lb/>
Leistungen zu sehen, sondern langjährige Erfahrung im Leben und im Militär¬<lb/>
dienst boten ihm im Gegenteil die Sicherheit für reifes Urteil, für militärisches<lb/>
Wissen und Können. Der König zog in den Krieg mit Führern, die nahezu<lb/>
im gleichen Alter standen wie er selbst, ja zum Teil noch älter waren als er.<lb/>
Wir nennen aus dem Feldzug 1870/71, deu der König, wie gesagt, als Drei-<lb/>
undsiebzigjühriger führte, den Feldmarschall Steinmetz, der im Jahre 1796 ge¬<lb/>
boren, also vierundsiebzig Jahre alt war; den bayrischen General von Hart¬<lb/>
mann im Alter von fünfundsiebzig Jahren, den General von Zcistrow mit<lb/>
neunundsechzig Jahren, von Alvensleben I mit siebenundsechzig, Manstein mit<lb/>
fünfundsechzig, Fransecky mit dreiundsechzig Jahren und mehrere der kom-<lb/>
mandirenden Generäle, die, 1809 geboren, ein Alter von einundsechzig Jahren<lb/>
erreicht hatten. Daß aber diese Heerführer ihre Stellungen, trotz des höhern<lb/>
Alters, in jeder Hinsicht &#x2014; auch körperlich &#x2014; ganz auszufüllen wußten, ist<lb/>
bekannt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2068" next="#ID_2069"> Trotzdem erscheint es fraglich, ob man in einem künftigen Kriege die<lb/>
Führung gern wieder Generälen übertragen würde, die durch ihr hohes Alter<lb/>
die Strapazen eines Feldzugs doppelt und dreifach empfinden und dadurch<lb/>
leicht in ihrer Thatkraft gehemmt werden würden. Wir sprechen hier nicht<lb/>
von Ausnahmen, die es immer geben wird, und die zu beurteilen der aller¬<lb/>
höchsten Stelle überlassen bleibt, sondern wir sprechen von einem so hohen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0610] Über das Alter der französischen Generäle nicht mehr allein ausreicht, sondern daß Studium, Schule und also auch Zeit dazu gehören, um Truppenmassen führen und in richtiger Weise verwenden zu können. Man könnte, wenn man dies als richtig anerkennt, demnach leicht zu der Meinung kommen, daß das Alter der Generäle eine wesentliche, vielleicht die wesentlichste Garantie sür ihre Leistungen böte, und daß dem jungen Manne nicht allein die erforderliche theoretische Schulung, sondern die Erfahrung und vor allem die langjährige Praxis im Verkehr mit der Truppe, in der Be¬ urteilung des Geländes, in der Verwendung der verschiednen Waffen usw. fehlen müßte. Diese Meinung würde auch zweifellos richtig sein, wenn nicht noch andre Ansprüche an den Feldherrn gestellt würden, die sich mit dem höhern Alter nur schwer vereinigen lassen: körperliche Tüchtigkeit und Gesund¬ heit, müheloses Ertragen von Strapazen, schneller Entschluß, begeisternde und anfeuernde Beeinflussung der Truppen; in vielen Fällen auch persönliche Tapferkeit und frischer Wagemut. Es ist also nicht leicht, Regeln aufzustellen, umso weniger, als auch gewisse äußere Umstände und Rücksichten — namentlich in einem monarchischen Staate — leicht in Betracht kommen können. Während der beiden Kriege, die Kaiser Wilhelm I. siegreich führte, stand er selbst schon in hohem Alter: er war neunundsechzig und dreiundsiebzig Jahre alt und war trotzdem geistig und körperlich jeder Anforderung gewachsen. Es lag ihm infolge dessen fern, im höhern Lebensalter ein Hindernis für militärische Leistungen zu sehen, sondern langjährige Erfahrung im Leben und im Militär¬ dienst boten ihm im Gegenteil die Sicherheit für reifes Urteil, für militärisches Wissen und Können. Der König zog in den Krieg mit Führern, die nahezu im gleichen Alter standen wie er selbst, ja zum Teil noch älter waren als er. Wir nennen aus dem Feldzug 1870/71, deu der König, wie gesagt, als Drei- undsiebzigjühriger führte, den Feldmarschall Steinmetz, der im Jahre 1796 ge¬ boren, also vierundsiebzig Jahre alt war; den bayrischen General von Hart¬ mann im Alter von fünfundsiebzig Jahren, den General von Zcistrow mit neunundsechzig Jahren, von Alvensleben I mit siebenundsechzig, Manstein mit fünfundsechzig, Fransecky mit dreiundsechzig Jahren und mehrere der kom- mandirenden Generäle, die, 1809 geboren, ein Alter von einundsechzig Jahren erreicht hatten. Daß aber diese Heerführer ihre Stellungen, trotz des höhern Alters, in jeder Hinsicht — auch körperlich — ganz auszufüllen wußten, ist bekannt. Trotzdem erscheint es fraglich, ob man in einem künftigen Kriege die Führung gern wieder Generälen übertragen würde, die durch ihr hohes Alter die Strapazen eines Feldzugs doppelt und dreifach empfinden und dadurch leicht in ihrer Thatkraft gehemmt werden würden. Wir sprechen hier nicht von Ausnahmen, die es immer geben wird, und die zu beurteilen der aller¬ höchsten Stelle überlassen bleibt, sondern wir sprechen von einem so hohen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/610
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/610>, abgerufen am 27.07.2024.