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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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3000 Mark Belohnung I

dieser Belohnung herbestellt sind. Auch der Dümmste kann sich dabei schließlich
nicht länger der bangen Einsicht verschließen, daß die gehoffte Belohnung
wahrscheinlich lange nicht so groß ausfüllt, wie man eigentlich im stillen er¬
wartet hat; denn wenn der Brocken in so viele Teile geht . . .? Na, immer¬
hin! Man gönnt ja schließlich andern Leuten auch was. und ein paar hundert
Mark kommen ja schlimmstenfalls immer noch auf jeden. Die Ärmsten! Sie
haben eben noch nie eine Prümienvertcilung dieser Art mitgemacht.

Nachdem sich alle Beteiligten langsam eingefunden haben, geht der feier¬
liche Akt schließlich vor sich. Zunächst erfahren freilich die Herrschaften vom
Zivil noch zu ihrer unliebsamen Überraschung, daß auch außer ihnen noch
eine ganze Anzahl Empfänger an der Preisverteilung konkurriren, von deren
besondern Verdiensten in dieser Angelegenheit sie bis dahin gar leine Ahnung
hatten, zunächst der Herr Kriminalinspektor, der mit 1000 Mark dotirt wird.
Er hat zwar mit der ganzen Sache nicht das mindeste zu thun gehabt, aber
der Fall wurde von Beamten seines Ressorts bearbeitet, und so kann er
-- wie die schöne Floskel gewöhnlich lautet -- auch bei der Preisverteilung
nicht gut übergangen werden. Es ist dabei ganz selbstverständlich, daß. wenn
er überhaupt bedacht werden muß. er seiner Stellung entsprechend auch den
größten Happen erhalten muß. Nach ihm kommt der Kommissar, der den
betreffenden Fall speziell zu bearbeiten hatte, mit 500 Mark; dann der Herr
Wachtmeister, der das erste Protokoll aufnahm, mit 300 Mark, und so fort
mit Grazie in inümwm. Jeder Beamte, der auch nur im mindesten mit der
Sache zu thun hatte, wird reichlich bedacht, und wenn schließlich Gott den
Schaden besieht, bleibt für die freiwilligen Helfer aus dem Volke vielleicht ein
kleiner Rest von 300 Mark zu verteilen übrig, sodaß gewöhnlich 30 bis
50 Mark auf den Kopf kommen.

Natürlich bricht, nachdem sich die erste Überraschung gelegt hat, unter
den Enttäuschten große Entrüstung aus, und der eine oder der andre weigert
sich Wohl geradezu, sich mit dieser Art von Verteilung einverstanden zu er¬
klären, aber schließlich denkt doch wohl ein jeder: Ein Sperling in der Hand
ist besser als eine Taube auf dem Dache! und begnügt sich notgedrungen mit
dem ihm zugefallnen Anteil, da er sonst befürchten muß, gar nichts zu be¬
kommen. Was wollen denn die Leute auch machen? Klagen kann der Einzelne
gar nicht in diesem Falle; so steckt man eben das wenige ein, das einem
zugesprochen worden ist. und begnügt sich damit, den Preisrichtern einige
Schmeicheleien ins Gesicht zu werfen, die dem Betreffenden sonst wohl leicht
eine Anklage wegen Beamtenbcleidigung einbrächten, in diesem besondern Falle
aber stillschweigend ignorirt werden. Mau hat nämlich durchaus keine Lust,
durch einen solchen Prozeß die Aufmerksamkeit weiterer Kreise möglicherweise
noch mehr auf diese Art der Prämienverteilung zu lenken. Es giebt schon
jetzt genügend böse Menschen, die regelmüßig ihre Glossen darüber reißen, wie


Grenzboten III 1898 61
3000 Mark Belohnung I

dieser Belohnung herbestellt sind. Auch der Dümmste kann sich dabei schließlich
nicht länger der bangen Einsicht verschließen, daß die gehoffte Belohnung
wahrscheinlich lange nicht so groß ausfüllt, wie man eigentlich im stillen er¬
wartet hat; denn wenn der Brocken in so viele Teile geht . . .? Na, immer¬
hin! Man gönnt ja schließlich andern Leuten auch was. und ein paar hundert
Mark kommen ja schlimmstenfalls immer noch auf jeden. Die Ärmsten! Sie
haben eben noch nie eine Prümienvertcilung dieser Art mitgemacht.

Nachdem sich alle Beteiligten langsam eingefunden haben, geht der feier¬
liche Akt schließlich vor sich. Zunächst erfahren freilich die Herrschaften vom
Zivil noch zu ihrer unliebsamen Überraschung, daß auch außer ihnen noch
eine ganze Anzahl Empfänger an der Preisverteilung konkurriren, von deren
besondern Verdiensten in dieser Angelegenheit sie bis dahin gar leine Ahnung
hatten, zunächst der Herr Kriminalinspektor, der mit 1000 Mark dotirt wird.
Er hat zwar mit der ganzen Sache nicht das mindeste zu thun gehabt, aber
der Fall wurde von Beamten seines Ressorts bearbeitet, und so kann er
— wie die schöne Floskel gewöhnlich lautet — auch bei der Preisverteilung
nicht gut übergangen werden. Es ist dabei ganz selbstverständlich, daß. wenn
er überhaupt bedacht werden muß. er seiner Stellung entsprechend auch den
größten Happen erhalten muß. Nach ihm kommt der Kommissar, der den
betreffenden Fall speziell zu bearbeiten hatte, mit 500 Mark; dann der Herr
Wachtmeister, der das erste Protokoll aufnahm, mit 300 Mark, und so fort
mit Grazie in inümwm. Jeder Beamte, der auch nur im mindesten mit der
Sache zu thun hatte, wird reichlich bedacht, und wenn schließlich Gott den
Schaden besieht, bleibt für die freiwilligen Helfer aus dem Volke vielleicht ein
kleiner Rest von 300 Mark zu verteilen übrig, sodaß gewöhnlich 30 bis
50 Mark auf den Kopf kommen.

Natürlich bricht, nachdem sich die erste Überraschung gelegt hat, unter
den Enttäuschten große Entrüstung aus, und der eine oder der andre weigert
sich Wohl geradezu, sich mit dieser Art von Verteilung einverstanden zu er¬
klären, aber schließlich denkt doch wohl ein jeder: Ein Sperling in der Hand
ist besser als eine Taube auf dem Dache! und begnügt sich notgedrungen mit
dem ihm zugefallnen Anteil, da er sonst befürchten muß, gar nichts zu be¬
kommen. Was wollen denn die Leute auch machen? Klagen kann der Einzelne
gar nicht in diesem Falle; so steckt man eben das wenige ein, das einem
zugesprochen worden ist. und begnügt sich damit, den Preisrichtern einige
Schmeicheleien ins Gesicht zu werfen, die dem Betreffenden sonst wohl leicht
eine Anklage wegen Beamtenbcleidigung einbrächten, in diesem besondern Falle
aber stillschweigend ignorirt werden. Mau hat nämlich durchaus keine Lust,
durch einen solchen Prozeß die Aufmerksamkeit weiterer Kreise möglicherweise
noch mehr auf diese Art der Prämienverteilung zu lenken. Es giebt schon
jetzt genügend böse Menschen, die regelmüßig ihre Glossen darüber reißen, wie


Grenzboten III 1898 61
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[0409] 3000 Mark Belohnung I dieser Belohnung herbestellt sind. Auch der Dümmste kann sich dabei schließlich nicht länger der bangen Einsicht verschließen, daß die gehoffte Belohnung wahrscheinlich lange nicht so groß ausfüllt, wie man eigentlich im stillen er¬ wartet hat; denn wenn der Brocken in so viele Teile geht . . .? Na, immer¬ hin! Man gönnt ja schließlich andern Leuten auch was. und ein paar hundert Mark kommen ja schlimmstenfalls immer noch auf jeden. Die Ärmsten! Sie haben eben noch nie eine Prümienvertcilung dieser Art mitgemacht. Nachdem sich alle Beteiligten langsam eingefunden haben, geht der feier¬ liche Akt schließlich vor sich. Zunächst erfahren freilich die Herrschaften vom Zivil noch zu ihrer unliebsamen Überraschung, daß auch außer ihnen noch eine ganze Anzahl Empfänger an der Preisverteilung konkurriren, von deren besondern Verdiensten in dieser Angelegenheit sie bis dahin gar leine Ahnung hatten, zunächst der Herr Kriminalinspektor, der mit 1000 Mark dotirt wird. Er hat zwar mit der ganzen Sache nicht das mindeste zu thun gehabt, aber der Fall wurde von Beamten seines Ressorts bearbeitet, und so kann er — wie die schöne Floskel gewöhnlich lautet — auch bei der Preisverteilung nicht gut übergangen werden. Es ist dabei ganz selbstverständlich, daß. wenn er überhaupt bedacht werden muß. er seiner Stellung entsprechend auch den größten Happen erhalten muß. Nach ihm kommt der Kommissar, der den betreffenden Fall speziell zu bearbeiten hatte, mit 500 Mark; dann der Herr Wachtmeister, der das erste Protokoll aufnahm, mit 300 Mark, und so fort mit Grazie in inümwm. Jeder Beamte, der auch nur im mindesten mit der Sache zu thun hatte, wird reichlich bedacht, und wenn schließlich Gott den Schaden besieht, bleibt für die freiwilligen Helfer aus dem Volke vielleicht ein kleiner Rest von 300 Mark zu verteilen übrig, sodaß gewöhnlich 30 bis 50 Mark auf den Kopf kommen. Natürlich bricht, nachdem sich die erste Überraschung gelegt hat, unter den Enttäuschten große Entrüstung aus, und der eine oder der andre weigert sich Wohl geradezu, sich mit dieser Art von Verteilung einverstanden zu er¬ klären, aber schließlich denkt doch wohl ein jeder: Ein Sperling in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dache! und begnügt sich notgedrungen mit dem ihm zugefallnen Anteil, da er sonst befürchten muß, gar nichts zu be¬ kommen. Was wollen denn die Leute auch machen? Klagen kann der Einzelne gar nicht in diesem Falle; so steckt man eben das wenige ein, das einem zugesprochen worden ist. und begnügt sich damit, den Preisrichtern einige Schmeicheleien ins Gesicht zu werfen, die dem Betreffenden sonst wohl leicht eine Anklage wegen Beamtenbcleidigung einbrächten, in diesem besondern Falle aber stillschweigend ignorirt werden. Mau hat nämlich durchaus keine Lust, durch einen solchen Prozeß die Aufmerksamkeit weiterer Kreise möglicherweise noch mehr auf diese Art der Prämienverteilung zu lenken. Es giebt schon jetzt genügend böse Menschen, die regelmüßig ihre Glossen darüber reißen, wie Grenzboten III 1898 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/409>, abgerufen am 27.07.2024.