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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Fürst Bismarcks Vermächtnis

Politik von Anfang an mit gehässigen Neide begleitet. Bismarck ist aber auch
dem englischen Kolonialmonopol energisch entgegen getreten und hat dadurch
eine gerechtere Verteilung des Erdballs vorbereitet.

Das ist Fürst Bismarcks Vermächtnis, das sind die Bahnen, die er der
deutschen Politik für eine absehbare Zukunft vorgezeichnet hat. Aber dieser
größte aller Realisten würde es sich sehr entschieden verbitten, wenn man, wie
manche im Übereifer thun, jede seiner Erfahrungen oder gar jeden seiner Sätze
als ein unumstößliches Dogma betrachten wollte. Wie er selbst kühn neue
Bahnen eingeschlagen hat, wo sie das nationale Interesse verlangte, so wird
es auch denen, die sein Vermächtnis zu vollstrecken haben, vorbehalten bleiben
müssen, mit der Lage die Mittel zu wechseln. Aber neben seinem politischen
Vermächtnis steht noch ein zweites, ein unsterbliches, unveränderliches, das ist
die Erinnerung an seine unvergleichliche Persönlichkeit. Gleichgiltigkeit gegen
alle Schlagworte, Theorien und Phrasen, die dem doktrinär angelegten Deutschen
immer so gefährlich gewesen sind, unbestechlicher Wirklichkeitssinn, der die Dinge
und Menschen genau so sah, wie sie waren, weise Müßigung und unwiderstehliche
Wucht des Handelns, stürmische Leidenschaft und durchdringender Scharfsinn,
rückhaltlose Offenheit und berechnende Klugheit, heiße Vaterlandsliebe und
umfassende Weltkenntnis, ritterlicher Mut und ritterliche Liebenswürdigkeit,
hingebende Treue und stolzes Selbstbewußtsein, das alles war in ihm zu einem
harmonischen Ganzen vereinigt. Er war ein Deutscher niedersächsisch-aristo¬
kratischer Prägung, aber so deutsch in jedem kleinen und jedem großen Zuge,
daß er allen Stämmen und allen Stünden gleich nahe trat. Daß er das alles
war, und ein Deutscher in jedem Zuge, das hat der Nation einen so mächtig
aufragenden und doch jedem so menschlich verständlichen Helden gegeben, wie
sie ihn noch nicht gehabt hat. Wenn die Welt von all den kleinen Leuten,
die ihn bekämpft, verkannt und verunglimpft haben, nichts mehr wissen wird,
als vielleicht einige Namen -- und das wird sehr schnell gehen --, wenn das
Reich, so Gott will, hoch und weit emporgewachsen sein wird zu dem "größern
Deutschland" und zur Seegroßmacht, dann wird die Riesengestalt des Reichs¬
gründers Otto von Bismarck noch durch die Jahrhunderte leuchten, und er
wird seinen Nachkommen dasselbe Wort zurufen, das die Richtschnur seines
ganzen Lebens und Handelns gewesen ist, und das auch die unsre sein muß:


Allezeit treu bereit
Für des Reiches Herrlichkeit.

-p


Fürst Bismarcks Vermächtnis

Politik von Anfang an mit gehässigen Neide begleitet. Bismarck ist aber auch
dem englischen Kolonialmonopol energisch entgegen getreten und hat dadurch
eine gerechtere Verteilung des Erdballs vorbereitet.

Das ist Fürst Bismarcks Vermächtnis, das sind die Bahnen, die er der
deutschen Politik für eine absehbare Zukunft vorgezeichnet hat. Aber dieser
größte aller Realisten würde es sich sehr entschieden verbitten, wenn man, wie
manche im Übereifer thun, jede seiner Erfahrungen oder gar jeden seiner Sätze
als ein unumstößliches Dogma betrachten wollte. Wie er selbst kühn neue
Bahnen eingeschlagen hat, wo sie das nationale Interesse verlangte, so wird
es auch denen, die sein Vermächtnis zu vollstrecken haben, vorbehalten bleiben
müssen, mit der Lage die Mittel zu wechseln. Aber neben seinem politischen
Vermächtnis steht noch ein zweites, ein unsterbliches, unveränderliches, das ist
die Erinnerung an seine unvergleichliche Persönlichkeit. Gleichgiltigkeit gegen
alle Schlagworte, Theorien und Phrasen, die dem doktrinär angelegten Deutschen
immer so gefährlich gewesen sind, unbestechlicher Wirklichkeitssinn, der die Dinge
und Menschen genau so sah, wie sie waren, weise Müßigung und unwiderstehliche
Wucht des Handelns, stürmische Leidenschaft und durchdringender Scharfsinn,
rückhaltlose Offenheit und berechnende Klugheit, heiße Vaterlandsliebe und
umfassende Weltkenntnis, ritterlicher Mut und ritterliche Liebenswürdigkeit,
hingebende Treue und stolzes Selbstbewußtsein, das alles war in ihm zu einem
harmonischen Ganzen vereinigt. Er war ein Deutscher niedersächsisch-aristo¬
kratischer Prägung, aber so deutsch in jedem kleinen und jedem großen Zuge,
daß er allen Stämmen und allen Stünden gleich nahe trat. Daß er das alles
war, und ein Deutscher in jedem Zuge, das hat der Nation einen so mächtig
aufragenden und doch jedem so menschlich verständlichen Helden gegeben, wie
sie ihn noch nicht gehabt hat. Wenn die Welt von all den kleinen Leuten,
die ihn bekämpft, verkannt und verunglimpft haben, nichts mehr wissen wird,
als vielleicht einige Namen — und das wird sehr schnell gehen —, wenn das
Reich, so Gott will, hoch und weit emporgewachsen sein wird zu dem „größern
Deutschland" und zur Seegroßmacht, dann wird die Riesengestalt des Reichs¬
gründers Otto von Bismarck noch durch die Jahrhunderte leuchten, und er
wird seinen Nachkommen dasselbe Wort zurufen, das die Richtschnur seines
ganzen Lebens und Handelns gewesen ist, und das auch die unsre sein muß:


Allezeit treu bereit
Für des Reiches Herrlichkeit.

-p


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[0401] Fürst Bismarcks Vermächtnis Politik von Anfang an mit gehässigen Neide begleitet. Bismarck ist aber auch dem englischen Kolonialmonopol energisch entgegen getreten und hat dadurch eine gerechtere Verteilung des Erdballs vorbereitet. Das ist Fürst Bismarcks Vermächtnis, das sind die Bahnen, die er der deutschen Politik für eine absehbare Zukunft vorgezeichnet hat. Aber dieser größte aller Realisten würde es sich sehr entschieden verbitten, wenn man, wie manche im Übereifer thun, jede seiner Erfahrungen oder gar jeden seiner Sätze als ein unumstößliches Dogma betrachten wollte. Wie er selbst kühn neue Bahnen eingeschlagen hat, wo sie das nationale Interesse verlangte, so wird es auch denen, die sein Vermächtnis zu vollstrecken haben, vorbehalten bleiben müssen, mit der Lage die Mittel zu wechseln. Aber neben seinem politischen Vermächtnis steht noch ein zweites, ein unsterbliches, unveränderliches, das ist die Erinnerung an seine unvergleichliche Persönlichkeit. Gleichgiltigkeit gegen alle Schlagworte, Theorien und Phrasen, die dem doktrinär angelegten Deutschen immer so gefährlich gewesen sind, unbestechlicher Wirklichkeitssinn, der die Dinge und Menschen genau so sah, wie sie waren, weise Müßigung und unwiderstehliche Wucht des Handelns, stürmische Leidenschaft und durchdringender Scharfsinn, rückhaltlose Offenheit und berechnende Klugheit, heiße Vaterlandsliebe und umfassende Weltkenntnis, ritterlicher Mut und ritterliche Liebenswürdigkeit, hingebende Treue und stolzes Selbstbewußtsein, das alles war in ihm zu einem harmonischen Ganzen vereinigt. Er war ein Deutscher niedersächsisch-aristo¬ kratischer Prägung, aber so deutsch in jedem kleinen und jedem großen Zuge, daß er allen Stämmen und allen Stünden gleich nahe trat. Daß er das alles war, und ein Deutscher in jedem Zuge, das hat der Nation einen so mächtig aufragenden und doch jedem so menschlich verständlichen Helden gegeben, wie sie ihn noch nicht gehabt hat. Wenn die Welt von all den kleinen Leuten, die ihn bekämpft, verkannt und verunglimpft haben, nichts mehr wissen wird, als vielleicht einige Namen — und das wird sehr schnell gehen —, wenn das Reich, so Gott will, hoch und weit emporgewachsen sein wird zu dem „größern Deutschland" und zur Seegroßmacht, dann wird die Riesengestalt des Reichs¬ gründers Otto von Bismarck noch durch die Jahrhunderte leuchten, und er wird seinen Nachkommen dasselbe Wort zurufen, das die Richtschnur seines ganzen Lebens und Handelns gewesen ist, und das auch die unsre sein muß: Allezeit treu bereit Für des Reiches Herrlichkeit. -p

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/401>, abgerufen am 27.07.2024.