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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Die einheitliche Regelung des Notariats durch die Reichsgesetzgebung

lasse ein, um sie an den Notar, als seinen Beamten , auf Grund seines An¬
stellungsvertrags als Dienstbezüge abzuführen. Die Gebühren der badischen
Notare stellen sich also dar als ein wirkliches staatliches Diensteinkommen, das
ihnen nicht in der Form eines festen Gehalts, sondern als Einzellohn für ihre
thatsächlich vorgenommnen Geschäfte gezahlt wird. Demgemäß ist dem badischen
Notar ein bestimmtes Mindesteinkommen vom Staate gewährleistet; er ist ferner
pensionsberechtigt und erhält nicht bloß in Krankheitsfällen, sondern sogar für
den alljährlichen Sommerferienurlaub einen Vertreter auf Staatskosten.*)

Der charakteristische Unterschied der beiden Gruppen, die man als die der
altpreußischen und der französischen Notariatsverfassung bezeichnen kann, ist also
der: In der ersten sind die Notare lediglich Veurkundungsbeamte, wobei sie
diese Thätigkeit ausüben konkurrirend mit den Gerichten; bei der französischen
Notariatsverfassung dagegen sind den Notaren das Verlassenschafts- und das
Veurkundungswesen sowie die Subhastationstermine unter dem Ausschluß der
Gerichte vorbehalten. Aus dieser Grundverschiedenheit ergeben sich die weitern
Folgerungen, die, wie wir nochmals hervorheben, in den einzelnen Gebieten
der Gruppen wiederum verschieden geordnet sind. Die Reichsgesetzgebung Hütte
sich daher bei der einheitlichen Regelung des Notariats zu entscheiden, ob sie
die altpreußische oder die französische Notariatsverfassung übernehmen will.
Eine unbefangne Prüfung muß der altpreußischen Verfassung bei weitem den
Vorzug geben.

1. Es liegt im Interesse der Rechtspflege, daß möglichst die gesamte frei¬
willige Gerichtsbarkeit von ein und derselben Behörde ausgeübt wird; es ist
immerhin ein Mißstand, daß sich der Rechtsuchende in Vormundschafts- und
Negistersachen an das Gericht, in Grundbuchsachen an die Gemeindebehörde,
im Nachlaß- und Beurkundungswesen an den Notar wenden muß, wie dies
in Baden der Fall ist. Noch weniger ist es durch sachliche Gründe geboten,
daß in Rheinpreußen der Antrag auf Erbteilung dem Amtsgericht eingereicht
wird, dieses die Begründung prüft und die Beteiligten vor einen Notar ver¬
weist. Dieser hat dann die Teilungsverhandlungen aufzunehmen, die das Amts¬
gericht wieder zu bestätigen hat. Hierin liegt eine unnötige Vervielfältigung
und Verschleppung der Rechtspflege. Derartige Mißstände werden bei der alt¬
preußischen Notariatsverfasfung vermieden; hier hat das Gericht die gesamte
freiwillige Gerichtsbarkeit in Händen. Wenn daneben den Beteiligten überlassen
ist, die Beurkundungen nach ihrer Wahl entweder vor Gericht oder vor dem
Notar aufzunehmen, so liegt dem die Rücksicht auf die Bequemlichkeit des
Publikums zu Grunde; für dieses ist es vielfach angenehmer, sich an den



*) Wieder anders sind die Zustände in Württemberg, die mit der dortigen Einrichtung
der "Gemeindegerichte" zusammenhängen; für den vorliegenden Zweck brauchen wir hierauf nicht
einzugehen.
Die einheitliche Regelung des Notariats durch die Reichsgesetzgebung

lasse ein, um sie an den Notar, als seinen Beamten , auf Grund seines An¬
stellungsvertrags als Dienstbezüge abzuführen. Die Gebühren der badischen
Notare stellen sich also dar als ein wirkliches staatliches Diensteinkommen, das
ihnen nicht in der Form eines festen Gehalts, sondern als Einzellohn für ihre
thatsächlich vorgenommnen Geschäfte gezahlt wird. Demgemäß ist dem badischen
Notar ein bestimmtes Mindesteinkommen vom Staate gewährleistet; er ist ferner
pensionsberechtigt und erhält nicht bloß in Krankheitsfällen, sondern sogar für
den alljährlichen Sommerferienurlaub einen Vertreter auf Staatskosten.*)

Der charakteristische Unterschied der beiden Gruppen, die man als die der
altpreußischen und der französischen Notariatsverfassung bezeichnen kann, ist also
der: In der ersten sind die Notare lediglich Veurkundungsbeamte, wobei sie
diese Thätigkeit ausüben konkurrirend mit den Gerichten; bei der französischen
Notariatsverfassung dagegen sind den Notaren das Verlassenschafts- und das
Veurkundungswesen sowie die Subhastationstermine unter dem Ausschluß der
Gerichte vorbehalten. Aus dieser Grundverschiedenheit ergeben sich die weitern
Folgerungen, die, wie wir nochmals hervorheben, in den einzelnen Gebieten
der Gruppen wiederum verschieden geordnet sind. Die Reichsgesetzgebung Hütte
sich daher bei der einheitlichen Regelung des Notariats zu entscheiden, ob sie
die altpreußische oder die französische Notariatsverfassung übernehmen will.
Eine unbefangne Prüfung muß der altpreußischen Verfassung bei weitem den
Vorzug geben.

1. Es liegt im Interesse der Rechtspflege, daß möglichst die gesamte frei¬
willige Gerichtsbarkeit von ein und derselben Behörde ausgeübt wird; es ist
immerhin ein Mißstand, daß sich der Rechtsuchende in Vormundschafts- und
Negistersachen an das Gericht, in Grundbuchsachen an die Gemeindebehörde,
im Nachlaß- und Beurkundungswesen an den Notar wenden muß, wie dies
in Baden der Fall ist. Noch weniger ist es durch sachliche Gründe geboten,
daß in Rheinpreußen der Antrag auf Erbteilung dem Amtsgericht eingereicht
wird, dieses die Begründung prüft und die Beteiligten vor einen Notar ver¬
weist. Dieser hat dann die Teilungsverhandlungen aufzunehmen, die das Amts¬
gericht wieder zu bestätigen hat. Hierin liegt eine unnötige Vervielfältigung
und Verschleppung der Rechtspflege. Derartige Mißstände werden bei der alt¬
preußischen Notariatsverfasfung vermieden; hier hat das Gericht die gesamte
freiwillige Gerichtsbarkeit in Händen. Wenn daneben den Beteiligten überlassen
ist, die Beurkundungen nach ihrer Wahl entweder vor Gericht oder vor dem
Notar aufzunehmen, so liegt dem die Rücksicht auf die Bequemlichkeit des
Publikums zu Grunde; für dieses ist es vielfach angenehmer, sich an den



*) Wieder anders sind die Zustände in Württemberg, die mit der dortigen Einrichtung
der „Gemeindegerichte" zusammenhängen; für den vorliegenden Zweck brauchen wir hierauf nicht
einzugehen.
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[0216] Die einheitliche Regelung des Notariats durch die Reichsgesetzgebung lasse ein, um sie an den Notar, als seinen Beamten , auf Grund seines An¬ stellungsvertrags als Dienstbezüge abzuführen. Die Gebühren der badischen Notare stellen sich also dar als ein wirkliches staatliches Diensteinkommen, das ihnen nicht in der Form eines festen Gehalts, sondern als Einzellohn für ihre thatsächlich vorgenommnen Geschäfte gezahlt wird. Demgemäß ist dem badischen Notar ein bestimmtes Mindesteinkommen vom Staate gewährleistet; er ist ferner pensionsberechtigt und erhält nicht bloß in Krankheitsfällen, sondern sogar für den alljährlichen Sommerferienurlaub einen Vertreter auf Staatskosten.*) Der charakteristische Unterschied der beiden Gruppen, die man als die der altpreußischen und der französischen Notariatsverfassung bezeichnen kann, ist also der: In der ersten sind die Notare lediglich Veurkundungsbeamte, wobei sie diese Thätigkeit ausüben konkurrirend mit den Gerichten; bei der französischen Notariatsverfassung dagegen sind den Notaren das Verlassenschafts- und das Veurkundungswesen sowie die Subhastationstermine unter dem Ausschluß der Gerichte vorbehalten. Aus dieser Grundverschiedenheit ergeben sich die weitern Folgerungen, die, wie wir nochmals hervorheben, in den einzelnen Gebieten der Gruppen wiederum verschieden geordnet sind. Die Reichsgesetzgebung Hütte sich daher bei der einheitlichen Regelung des Notariats zu entscheiden, ob sie die altpreußische oder die französische Notariatsverfassung übernehmen will. Eine unbefangne Prüfung muß der altpreußischen Verfassung bei weitem den Vorzug geben. 1. Es liegt im Interesse der Rechtspflege, daß möglichst die gesamte frei¬ willige Gerichtsbarkeit von ein und derselben Behörde ausgeübt wird; es ist immerhin ein Mißstand, daß sich der Rechtsuchende in Vormundschafts- und Negistersachen an das Gericht, in Grundbuchsachen an die Gemeindebehörde, im Nachlaß- und Beurkundungswesen an den Notar wenden muß, wie dies in Baden der Fall ist. Noch weniger ist es durch sachliche Gründe geboten, daß in Rheinpreußen der Antrag auf Erbteilung dem Amtsgericht eingereicht wird, dieses die Begründung prüft und die Beteiligten vor einen Notar ver¬ weist. Dieser hat dann die Teilungsverhandlungen aufzunehmen, die das Amts¬ gericht wieder zu bestätigen hat. Hierin liegt eine unnötige Vervielfältigung und Verschleppung der Rechtspflege. Derartige Mißstände werden bei der alt¬ preußischen Notariatsverfasfung vermieden; hier hat das Gericht die gesamte freiwillige Gerichtsbarkeit in Händen. Wenn daneben den Beteiligten überlassen ist, die Beurkundungen nach ihrer Wahl entweder vor Gericht oder vor dem Notar aufzunehmen, so liegt dem die Rücksicht auf die Bequemlichkeit des Publikums zu Grunde; für dieses ist es vielfach angenehmer, sich an den *) Wieder anders sind die Zustände in Württemberg, die mit der dortigen Einrichtung der „Gemeindegerichte" zusammenhängen; für den vorliegenden Zweck brauchen wir hierauf nicht einzugehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/216>, abgerufen am 29.07.2024.