Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.Aus unsrer Vstmark des vorigen Jahrhunderts, herübergenommner Romantypus, sondern für den Und zweitens, wem möchte sich bei der Lektüre des Buches nicht immer Aus unsrer Vstmark des vorigen Jahrhunderts, herübergenommner Romantypus, sondern für den Und zweitens, wem möchte sich bei der Lektüre des Buches nicht immer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228411"/> <fw type="header" place="top"> Aus unsrer Vstmark</fw><lb/> <p xml:id="ID_334" prev="#ID_333"> des vorigen Jahrhunderts, herübergenommner Romantypus, sondern für den<lb/> scharfen und vorurteilsfreien Beobachter ein im polnischen Leben, wenigstens<lb/> im Privatleben auch unsrer Tage vorkommender lieber Bekannter. Doch das<lb/> ganze Buch unsers Autors ist ein ununterbrochener Beweis für die unglaub¬<lb/> liche UnWahrhaftigkeit und Verschlagenheit der Polen von 1848 und sür das<lb/> System der List und Täuschung, das sie gegen die „Berliner," die Behörden<lb/> und die öffentliche Meinung Deutschlands übten. Ein Beispiel sür viele! Das<lb/> Ausschreiben des Nationalkomitees vom 28. März 1348 an die untergebnen<lb/> Komitees bestimmte, daß den Deutschen ins Angesicht ein offnes, aufrichtiges,<lb/> freundschaftliches Benehmen zu zeigen, dahinter aber das Volk zu bewaffnen,<lb/> sein Enthusiasmus anzufeuern und in bedrohender Haltung hinzustellen sei.<lb/> Weder in Posen noch in Berlin durchschaute man damals, wie Herr von Juncker<lb/> zeigt, die Polen, ihre Pläne und ihre Ziele; die ihrer Aufgabe in keiner Weise<lb/> gewachsene Büreaukratie, die Minister und der feingebildete, aber einsichts- und<lb/> willenlose Oberpräsident von Beuermann, dem einmal in den Revolutionstagen<lb/> eine Schlafmütze in geschlossenen Couvert zugeschickt wurde, hatten weder ein<lb/> Organ noch ein Verständnis für das polnische Wesen; sie ließen sich deshalb<lb/> mit Leichtigkeit hinter das Licht führen und sielen, namentlich wenn, wie bei<lb/> dem „Jmmedintkommissar" Willisen, dem Schwager des Grafen Caprivi, noch<lb/> eine tüchtige Portion Ideologie und Doktrinarismus hinzukam, den polnischen<lb/> Täuschungen unrettbar zum Opfer.</p><lb/> <p xml:id="ID_335" next="#ID_336"> Und zweitens, wem möchte sich bei der Lektüre des Buches nicht immer<lb/> wieder der Gedanke aufdrängen, daß die Forderung, die Freiherr von Wila-<lb/> mowitz-Möllendorff, der Oberpräsident der Provinz Posen, im vorigen Jahre<lb/> erhoben haben soll: ein erstklassiges Beamtenmaterial für die Provinz Posen,<lb/> so ganz besonders dringlich ist? Nicht aus dem Grunde, weil noch heute die<lb/> Schilderung des Generals von Grolmann aus dem Jahre 1831 zuträfe, wo¬<lb/> nach „die erste Bemühung der preußischen Polen nach der Besitznahme war,<lb/> die angestellten Offizianten herabzuwürdigen, sie durch Trunk und Spiel in<lb/> ihre Gewalt zu bringen, und so jede Einwirkung der Regierung zu vernichten,"<lb/> wonach „die Grenzzollbeamten an Bestechlichkeit mit ihren russischen Kollegen<lb/> wetteiferten," und „es ganz gewöhnlich war, daß der Pole, der einen Prozeß<lb/> hatte, den Tag vor einem Termin zum sogenannten Vortermin in die Stadt<lb/> kam und seinen Richter zum Gastmahl einlud, wo der Wein floß und Spiel<lb/> und andre Vergnügungen zur Entwürdigung des Richters angewendet wurden."<lb/> Mag dies vor zwei und drei Menschenaltern, wo vielfach die untauglichsten<lb/> und anrüchigsten Beamten und Lehrer in die Provinz Posen geschickt wurden,<lb/> die nicht allzuviel Ansnnhmen duldende Regel gewesen sein, heute ist es, bei<lb/> einem Beamtenmaterial, das dem der andern Provinzen gleichwertig ist, eine<lb/> kaum noch vorkommende, sicherlich nicht zu berücksichtigende Ausnahme. Indes<lb/> aus andern Gründen ist jene Forderung dringlich. In deutschen Gegenden denkt<lb/> und empfindet das Volk wie seine Beamten und bringt im Verkehr mit ihnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0109]
Aus unsrer Vstmark
des vorigen Jahrhunderts, herübergenommner Romantypus, sondern für den
scharfen und vorurteilsfreien Beobachter ein im polnischen Leben, wenigstens
im Privatleben auch unsrer Tage vorkommender lieber Bekannter. Doch das
ganze Buch unsers Autors ist ein ununterbrochener Beweis für die unglaub¬
liche UnWahrhaftigkeit und Verschlagenheit der Polen von 1848 und sür das
System der List und Täuschung, das sie gegen die „Berliner," die Behörden
und die öffentliche Meinung Deutschlands übten. Ein Beispiel sür viele! Das
Ausschreiben des Nationalkomitees vom 28. März 1348 an die untergebnen
Komitees bestimmte, daß den Deutschen ins Angesicht ein offnes, aufrichtiges,
freundschaftliches Benehmen zu zeigen, dahinter aber das Volk zu bewaffnen,
sein Enthusiasmus anzufeuern und in bedrohender Haltung hinzustellen sei.
Weder in Posen noch in Berlin durchschaute man damals, wie Herr von Juncker
zeigt, die Polen, ihre Pläne und ihre Ziele; die ihrer Aufgabe in keiner Weise
gewachsene Büreaukratie, die Minister und der feingebildete, aber einsichts- und
willenlose Oberpräsident von Beuermann, dem einmal in den Revolutionstagen
eine Schlafmütze in geschlossenen Couvert zugeschickt wurde, hatten weder ein
Organ noch ein Verständnis für das polnische Wesen; sie ließen sich deshalb
mit Leichtigkeit hinter das Licht führen und sielen, namentlich wenn, wie bei
dem „Jmmedintkommissar" Willisen, dem Schwager des Grafen Caprivi, noch
eine tüchtige Portion Ideologie und Doktrinarismus hinzukam, den polnischen
Täuschungen unrettbar zum Opfer.
Und zweitens, wem möchte sich bei der Lektüre des Buches nicht immer
wieder der Gedanke aufdrängen, daß die Forderung, die Freiherr von Wila-
mowitz-Möllendorff, der Oberpräsident der Provinz Posen, im vorigen Jahre
erhoben haben soll: ein erstklassiges Beamtenmaterial für die Provinz Posen,
so ganz besonders dringlich ist? Nicht aus dem Grunde, weil noch heute die
Schilderung des Generals von Grolmann aus dem Jahre 1831 zuträfe, wo¬
nach „die erste Bemühung der preußischen Polen nach der Besitznahme war,
die angestellten Offizianten herabzuwürdigen, sie durch Trunk und Spiel in
ihre Gewalt zu bringen, und so jede Einwirkung der Regierung zu vernichten,"
wonach „die Grenzzollbeamten an Bestechlichkeit mit ihren russischen Kollegen
wetteiferten," und „es ganz gewöhnlich war, daß der Pole, der einen Prozeß
hatte, den Tag vor einem Termin zum sogenannten Vortermin in die Stadt
kam und seinen Richter zum Gastmahl einlud, wo der Wein floß und Spiel
und andre Vergnügungen zur Entwürdigung des Richters angewendet wurden."
Mag dies vor zwei und drei Menschenaltern, wo vielfach die untauglichsten
und anrüchigsten Beamten und Lehrer in die Provinz Posen geschickt wurden,
die nicht allzuviel Ansnnhmen duldende Regel gewesen sein, heute ist es, bei
einem Beamtenmaterial, das dem der andern Provinzen gleichwertig ist, eine
kaum noch vorkommende, sicherlich nicht zu berücksichtigende Ausnahme. Indes
aus andern Gründen ist jene Forderung dringlich. In deutschen Gegenden denkt
und empfindet das Volk wie seine Beamten und bringt im Verkehr mit ihnen
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