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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Der bayrische oberste Militärgerichtshof.

Die neue Militärstrafproze߬
ordnung hat die Regelung der Frage, ob Bayern ein Neservatrecht auf einen eignen
obersten Militärgerichtshof zusteht, offen gelassen. In der Sitzung der bayrischen
Abgeordnetenkammer vom 2. Juni d. I. hat sich der Kriegsminister von Asch
auf eine Anfrage dahin geäußert, daß gegenwärtig Verhandlungen hierüber von
Souverän zu Souverän gepflogen werden. Es ist eine allbekannte Thatsache,
daß sich der Prinzregent von Bayern für verpflichtet erachtet, an dem Rechte
Bayerns auf einen eignen obersten Militärgerichtshof festzuhalten, und daß ihm
hierin die Bevölkerung Bayerns und die bayrischen gesetzgebenden Körper treu zur
Seite stehen. Der berufenste Interpret der Versailler Verträge, Fürst Bismarck,
hat zudem erklären lassen, daß Bayern ein Reservatrecht auf einen obersten Ge¬
richtshof hat. Wir glauben, daß es gerade in diesem Punkte der jetzt in Berlin
befolgten Politik der Sammlung entsprechen würde, wenn die Preußische Militär¬
verwaltung das bayrische Reservatrecht vorbehaltlos anerkennen würde. Damit
würde den Preußischen Rechten nichts genommen, und um eine divergirende Recht¬
sprechung zu vermeiden, wird sich leicht eine Bestimmung finden lassen, wonach in
prinzipiellen Fragen, ähnlich den Plenarentscheidungeu des Reichsgerichts, die beiden
obersten Gerichtshöfe zusammentreten müssen. Ein Nachgeben Preußens würde nur
eine Rückkehr zu der Politik Bismarcks bedeuten, die immer die Sonderrechte der
Einzelstnaten ans das sorgfältigste gewahrt hat. Unter Bismarck wäre diese Frage
Wohl nicht ungelöst vor den Reichstag gekommen, und der Gegensatz zwischen dem
preußischen und dem bayrischen Vertreter in der Neichstngssitzung nicht zum Aus¬
druck gelangt. Das Ausland, voran Frankreich, Ware dann nicht in der Lage ge¬
wesen, hieran die unbegründetsten Kommentare zu knüpfen. In Bayern werden
die Reservatrechte in allen Kreisen als eine unberührbare Sache hochgehalten, und
gerade die Frage der Erhaltung eines obersten Militärgerichtshvfs wird von reichs¬
feindlicher Seite gegen Preußen agitatorisch sehr ausgenutzt. Wohl wird dadurch
das feste Gefüge des Reichs in keiner Weise gelockert; allein es würde doch ein
wichtiger Zug einer reichsstärkenden Politik sein, gerade in dieser Frage Bayern,
dem zweitgrößten Bundesstnate, entgegenzukommen und ihm seinen obersten Militär¬
gerichtshof zu lassen.








Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Der bayrische oberste Militärgerichtshof.

Die neue Militärstrafproze߬
ordnung hat die Regelung der Frage, ob Bayern ein Neservatrecht auf einen eignen
obersten Militärgerichtshof zusteht, offen gelassen. In der Sitzung der bayrischen
Abgeordnetenkammer vom 2. Juni d. I. hat sich der Kriegsminister von Asch
auf eine Anfrage dahin geäußert, daß gegenwärtig Verhandlungen hierüber von
Souverän zu Souverän gepflogen werden. Es ist eine allbekannte Thatsache,
daß sich der Prinzregent von Bayern für verpflichtet erachtet, an dem Rechte
Bayerns auf einen eignen obersten Militärgerichtshof festzuhalten, und daß ihm
hierin die Bevölkerung Bayerns und die bayrischen gesetzgebenden Körper treu zur
Seite stehen. Der berufenste Interpret der Versailler Verträge, Fürst Bismarck,
hat zudem erklären lassen, daß Bayern ein Reservatrecht auf einen obersten Ge¬
richtshof hat. Wir glauben, daß es gerade in diesem Punkte der jetzt in Berlin
befolgten Politik der Sammlung entsprechen würde, wenn die Preußische Militär¬
verwaltung das bayrische Reservatrecht vorbehaltlos anerkennen würde. Damit
würde den Preußischen Rechten nichts genommen, und um eine divergirende Recht¬
sprechung zu vermeiden, wird sich leicht eine Bestimmung finden lassen, wonach in
prinzipiellen Fragen, ähnlich den Plenarentscheidungeu des Reichsgerichts, die beiden
obersten Gerichtshöfe zusammentreten müssen. Ein Nachgeben Preußens würde nur
eine Rückkehr zu der Politik Bismarcks bedeuten, die immer die Sonderrechte der
Einzelstnaten ans das sorgfältigste gewahrt hat. Unter Bismarck wäre diese Frage
Wohl nicht ungelöst vor den Reichstag gekommen, und der Gegensatz zwischen dem
preußischen und dem bayrischen Vertreter in der Neichstngssitzung nicht zum Aus¬
druck gelangt. Das Ausland, voran Frankreich, Ware dann nicht in der Lage ge¬
wesen, hieran die unbegründetsten Kommentare zu knüpfen. In Bayern werden
die Reservatrechte in allen Kreisen als eine unberührbare Sache hochgehalten, und
gerade die Frage der Erhaltung eines obersten Militärgerichtshvfs wird von reichs¬
feindlicher Seite gegen Preußen agitatorisch sehr ausgenutzt. Wohl wird dadurch
das feste Gefüge des Reichs in keiner Weise gelockert; allein es würde doch ein
wichtiger Zug einer reichsstärkenden Politik sein, gerade in dieser Frage Bayern,
dem zweitgrößten Bundesstnate, entgegenzukommen und ihm seinen obersten Militär¬
gerichtshof zu lassen.








Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0660] Maßgebliches und Unmaßgebliches Der bayrische oberste Militärgerichtshof. Die neue Militärstrafproze߬ ordnung hat die Regelung der Frage, ob Bayern ein Neservatrecht auf einen eignen obersten Militärgerichtshof zusteht, offen gelassen. In der Sitzung der bayrischen Abgeordnetenkammer vom 2. Juni d. I. hat sich der Kriegsminister von Asch auf eine Anfrage dahin geäußert, daß gegenwärtig Verhandlungen hierüber von Souverän zu Souverän gepflogen werden. Es ist eine allbekannte Thatsache, daß sich der Prinzregent von Bayern für verpflichtet erachtet, an dem Rechte Bayerns auf einen eignen obersten Militärgerichtshof festzuhalten, und daß ihm hierin die Bevölkerung Bayerns und die bayrischen gesetzgebenden Körper treu zur Seite stehen. Der berufenste Interpret der Versailler Verträge, Fürst Bismarck, hat zudem erklären lassen, daß Bayern ein Reservatrecht auf einen obersten Ge¬ richtshof hat. Wir glauben, daß es gerade in diesem Punkte der jetzt in Berlin befolgten Politik der Sammlung entsprechen würde, wenn die Preußische Militär¬ verwaltung das bayrische Reservatrecht vorbehaltlos anerkennen würde. Damit würde den Preußischen Rechten nichts genommen, und um eine divergirende Recht¬ sprechung zu vermeiden, wird sich leicht eine Bestimmung finden lassen, wonach in prinzipiellen Fragen, ähnlich den Plenarentscheidungeu des Reichsgerichts, die beiden obersten Gerichtshöfe zusammentreten müssen. Ein Nachgeben Preußens würde nur eine Rückkehr zu der Politik Bismarcks bedeuten, die immer die Sonderrechte der Einzelstnaten ans das sorgfältigste gewahrt hat. Unter Bismarck wäre diese Frage Wohl nicht ungelöst vor den Reichstag gekommen, und der Gegensatz zwischen dem preußischen und dem bayrischen Vertreter in der Neichstngssitzung nicht zum Aus¬ druck gelangt. Das Ausland, voran Frankreich, Ware dann nicht in der Lage ge¬ wesen, hieran die unbegründetsten Kommentare zu knüpfen. In Bayern werden die Reservatrechte in allen Kreisen als eine unberührbare Sache hochgehalten, und gerade die Frage der Erhaltung eines obersten Militärgerichtshvfs wird von reichs¬ feindlicher Seite gegen Preußen agitatorisch sehr ausgenutzt. Wohl wird dadurch das feste Gefüge des Reichs in keiner Weise gelockert; allein es würde doch ein wichtiger Zug einer reichsstärkenden Politik sein, gerade in dieser Frage Bayern, dem zweitgrößten Bundesstnate, entgegenzukommen und ihm seinen obersten Militär¬ gerichtshof zu lassen. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/660>, abgerufen am 23.07.2024.