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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Friedrich der Große und England

Friedrichs, ein Anhänger der Pittschcn Politik, den delikaten Auftrag, den
König um die Abberufung Michelis zu ersuchen. Der König war in hohem
Grade ungehalten. Er werde, so sagte er dem Minister Finckenstein, niemand
an Michelis Stelle schicken, mit England sei? doch nichts anzufangen. Mit
Mühe überredete ihn Finckenstein, wenigstens einen Sekretär als OnÄrAv
ä'MÄi'W zu schicken. Dem englischen Gesandten, der sich übrigens selbst über
die Geduld wunderte, mit der ihn der König anhörte, verbarg er seineu
Ärger nicht: Nicht meines Gesandten, rief er ihm zu, ich bin es, dessen ihr
müde seid!

Als Geschäftsträger schickte Friedrich nun einen jungen Mann, Namens
Vaudouin, nach London, den frühern Vorleser der Markgräfin von Bayreuth,
eine Wahl, die sich nicht als glücklich erweisen sollte. Die Berichte Baudonins
waren selbst für das geringe Interesse, das der König den englischen An¬
gelegenheiten entgegen brachte, zu kärglich. England ließ Mitchell mit seinem
bisherigen Charakter als ilüinstrs Mnixotönti-ürs noch fast ein Jahr laug
in Berlin, ein Umstand, den die Engländer späterhin als besondre Freundlich¬
keit hervorzuheben nicht unterließen. Im Frühjahr 1765 wurde Mitchell, kurz
vor dem Umschwung in England, von Berlin abberufen, vom Könige in huld¬
vollster Weise verabschiedet und beschenkt. Zu dem Zeitpunkt also, wo eng-
lischerseits eine neue Annäherung in Szene gesetzt wurde, fungirte nur ein
Legationssekretär, Burnet, als Geschäftsträger in Berlin, während, wie gesagt,
Baudouin als solcher in London Preußen vertrat. Schon aus diesem Grunde
empfahl es sich für die Engländer nicht, auf direktem Wege eine Anknüpfung
zu suchen; außerdem kannte man die gereizte Stimmung des preußischen Königs
zur Genüge, man mußte ihn erst unter der Hand sondiren, denn die Gefahr,
sich einen Korb zu holen, lag sehr nahe.

Man wählte für diesen Auftrag den Prinzen Ferdinand von Braunschweig,
den Feldherrn des letzten Kriegs. Prinz Ferdinand verzichtete darauf, den
Antrag der Engländer mit einer diplomatischen Hülle zu umgeben, er sandte
das Schreiben Conways an ihn (vom 13. August 1765) im Original an König
Friedrich und fügte nur hinzu, er wisse, daß Conway aufrichtig die Verbindung
rin Preußen wünsche. Conway hatte unter dem Prinzen Ferdinand in der
Verbündeten Armee gestanden und ihm geschrieben, die natürlichen Bande des
Blutes und das gemeinsame Interesse wiesen auf die Allianz der beiden
Könige hin; ehe man aber Georg III. raten könne, bestimmte Schritte zu
thu", wolle man die Stimmung am Berliner Hofe kennen lernen, darüber möge
ihn der Prinz aufklären.

König Friedrich entwarf eigenhändig den Brief an Prinz Ferdinand am
8. September 1765. "Haben Sie die Güte, schreibt er, Herrn Conway ein
die ungehörige Haltung der Engländer (irrvssnwit" Ä"z ig, ocmcwitö) gegen
Preußen während unsers letzten Bündnisses zu erinnern und ihm zu bemerke",


Friedrich der Große und England

Friedrichs, ein Anhänger der Pittschcn Politik, den delikaten Auftrag, den
König um die Abberufung Michelis zu ersuchen. Der König war in hohem
Grade ungehalten. Er werde, so sagte er dem Minister Finckenstein, niemand
an Michelis Stelle schicken, mit England sei? doch nichts anzufangen. Mit
Mühe überredete ihn Finckenstein, wenigstens einen Sekretär als OnÄrAv
ä'MÄi'W zu schicken. Dem englischen Gesandten, der sich übrigens selbst über
die Geduld wunderte, mit der ihn der König anhörte, verbarg er seineu
Ärger nicht: Nicht meines Gesandten, rief er ihm zu, ich bin es, dessen ihr
müde seid!

Als Geschäftsträger schickte Friedrich nun einen jungen Mann, Namens
Vaudouin, nach London, den frühern Vorleser der Markgräfin von Bayreuth,
eine Wahl, die sich nicht als glücklich erweisen sollte. Die Berichte Baudonins
waren selbst für das geringe Interesse, das der König den englischen An¬
gelegenheiten entgegen brachte, zu kärglich. England ließ Mitchell mit seinem
bisherigen Charakter als ilüinstrs Mnixotönti-ürs noch fast ein Jahr laug
in Berlin, ein Umstand, den die Engländer späterhin als besondre Freundlich¬
keit hervorzuheben nicht unterließen. Im Frühjahr 1765 wurde Mitchell, kurz
vor dem Umschwung in England, von Berlin abberufen, vom Könige in huld¬
vollster Weise verabschiedet und beschenkt. Zu dem Zeitpunkt also, wo eng-
lischerseits eine neue Annäherung in Szene gesetzt wurde, fungirte nur ein
Legationssekretär, Burnet, als Geschäftsträger in Berlin, während, wie gesagt,
Baudouin als solcher in London Preußen vertrat. Schon aus diesem Grunde
empfahl es sich für die Engländer nicht, auf direktem Wege eine Anknüpfung
zu suchen; außerdem kannte man die gereizte Stimmung des preußischen Königs
zur Genüge, man mußte ihn erst unter der Hand sondiren, denn die Gefahr,
sich einen Korb zu holen, lag sehr nahe.

Man wählte für diesen Auftrag den Prinzen Ferdinand von Braunschweig,
den Feldherrn des letzten Kriegs. Prinz Ferdinand verzichtete darauf, den
Antrag der Engländer mit einer diplomatischen Hülle zu umgeben, er sandte
das Schreiben Conways an ihn (vom 13. August 1765) im Original an König
Friedrich und fügte nur hinzu, er wisse, daß Conway aufrichtig die Verbindung
rin Preußen wünsche. Conway hatte unter dem Prinzen Ferdinand in der
Verbündeten Armee gestanden und ihm geschrieben, die natürlichen Bande des
Blutes und das gemeinsame Interesse wiesen auf die Allianz der beiden
Könige hin; ehe man aber Georg III. raten könne, bestimmte Schritte zu
thu«, wolle man die Stimmung am Berliner Hofe kennen lernen, darüber möge
ihn der Prinz aufklären.

König Friedrich entwarf eigenhändig den Brief an Prinz Ferdinand am
8. September 1765. „Haben Sie die Güte, schreibt er, Herrn Conway ein
die ungehörige Haltung der Engländer (irrvssnwit» Ä«z ig, ocmcwitö) gegen
Preußen während unsers letzten Bündnisses zu erinnern und ihm zu bemerke»,


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[0063] Friedrich der Große und England Friedrichs, ein Anhänger der Pittschcn Politik, den delikaten Auftrag, den König um die Abberufung Michelis zu ersuchen. Der König war in hohem Grade ungehalten. Er werde, so sagte er dem Minister Finckenstein, niemand an Michelis Stelle schicken, mit England sei? doch nichts anzufangen. Mit Mühe überredete ihn Finckenstein, wenigstens einen Sekretär als OnÄrAv ä'MÄi'W zu schicken. Dem englischen Gesandten, der sich übrigens selbst über die Geduld wunderte, mit der ihn der König anhörte, verbarg er seineu Ärger nicht: Nicht meines Gesandten, rief er ihm zu, ich bin es, dessen ihr müde seid! Als Geschäftsträger schickte Friedrich nun einen jungen Mann, Namens Vaudouin, nach London, den frühern Vorleser der Markgräfin von Bayreuth, eine Wahl, die sich nicht als glücklich erweisen sollte. Die Berichte Baudonins waren selbst für das geringe Interesse, das der König den englischen An¬ gelegenheiten entgegen brachte, zu kärglich. England ließ Mitchell mit seinem bisherigen Charakter als ilüinstrs Mnixotönti-ürs noch fast ein Jahr laug in Berlin, ein Umstand, den die Engländer späterhin als besondre Freundlich¬ keit hervorzuheben nicht unterließen. Im Frühjahr 1765 wurde Mitchell, kurz vor dem Umschwung in England, von Berlin abberufen, vom Könige in huld¬ vollster Weise verabschiedet und beschenkt. Zu dem Zeitpunkt also, wo eng- lischerseits eine neue Annäherung in Szene gesetzt wurde, fungirte nur ein Legationssekretär, Burnet, als Geschäftsträger in Berlin, während, wie gesagt, Baudouin als solcher in London Preußen vertrat. Schon aus diesem Grunde empfahl es sich für die Engländer nicht, auf direktem Wege eine Anknüpfung zu suchen; außerdem kannte man die gereizte Stimmung des preußischen Königs zur Genüge, man mußte ihn erst unter der Hand sondiren, denn die Gefahr, sich einen Korb zu holen, lag sehr nahe. Man wählte für diesen Auftrag den Prinzen Ferdinand von Braunschweig, den Feldherrn des letzten Kriegs. Prinz Ferdinand verzichtete darauf, den Antrag der Engländer mit einer diplomatischen Hülle zu umgeben, er sandte das Schreiben Conways an ihn (vom 13. August 1765) im Original an König Friedrich und fügte nur hinzu, er wisse, daß Conway aufrichtig die Verbindung rin Preußen wünsche. Conway hatte unter dem Prinzen Ferdinand in der Verbündeten Armee gestanden und ihm geschrieben, die natürlichen Bande des Blutes und das gemeinsame Interesse wiesen auf die Allianz der beiden Könige hin; ehe man aber Georg III. raten könne, bestimmte Schritte zu thu«, wolle man die Stimmung am Berliner Hofe kennen lernen, darüber möge ihn der Prinz aufklären. König Friedrich entwarf eigenhändig den Brief an Prinz Ferdinand am 8. September 1765. „Haben Sie die Güte, schreibt er, Herrn Conway ein die ungehörige Haltung der Engländer (irrvssnwit» Ä«z ig, ocmcwitö) gegen Preußen während unsers letzten Bündnisses zu erinnern und ihm zu bemerke»,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/63>, abgerufen am 27.12.2024.