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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Offiziere des Beurlaubtenstandes

sein. Der junge Mann muß von der Notwendigkeit eines ernsten Strebens
durchdrungen sein und ringen und arbeiten, um ein schneidiges und brauch¬
bares Rüstzeug in der Hand seines obersten Kriegsherrn zu werden. Unsre
gesetzlichen Bestimmungen reichen hierzu vollkommen aus. Also: volle Aus¬
nutzung des Dienstjahres. Die spätern Übungen verlangen Wiederholung des
Erlernten, aber nicht erst, wenn der Betreffende wieder eingezogen ist, sondern
schon vorher gewissermaßen als Vorbereitung, dann werden wir auch brauch¬
bare Offiziere haben und im Kriege keinen Mangel an Führern.

Wie in den Feldzügen von 1864, 1866 und 1870/71, so werden auch
in einem künftigen Kriege die Offiziere des Veurlcmbtenstands unter Einsetzung
ihres Lebens für Kaiser und Reich zu kämpfen wissen und damit zeigen, daß
sie die Haupteigenschaft des Offiziers haben, die sie treibt, ihren Unter¬
gebnen auf dem Pfade der Ehre und Pflicht mit persönlichem Beispiele voran¬
zugehen. Aber damit ist die Sache für uns noch nicht erledigt. Der Offizier
ist auch verantwortlicher Führer und muß als solcher ein gutes Teil Urteils¬
kraft und Entschlußfähigkeit haben. Er muß über das Was und Wie unter¬
richtet sein, um die Verantwortung eines Truppenführers tragen zu können.
Dazu ist erforderlich, daß, wenn die Zeit einer Dienstleistung naht, die Regle¬
ments und Vorschriften hervorgeholt werden, damit er nicht bei jeder neuen
Übungsperiode unter dem Mangel der nötigsten Dienstkenntnisse leide. Wo
das Verständnis für die Ausführung höherer Anordnungen, das sich auf die
Kenntnisse der Elemente des militärischen Wissens aufbaut, fehlt, da bringt
der Betreffende "keine drei Mann über den Rinnstein." Es liegt in diesem
drastischen Ausspruch eine tiefe und praktische Bedeutung; er will mit andern
Worten sagen, der Mann hat nicht die Fähigkeit, Truppen dahin zu bringen,
wohin man sie haben will. Wo dagegen das Bewußtsein des Wissens und
Könnens vorhanden ist, wo sich ein berechtigtes Selbstvertrauen als die wahre
Quelle selbständigen Handelns findet, wo sich eine schneidige Persönlichkeit über
einen unsichern Augenblick hinweghelfen kann, da wird auch der Erfolg nicht
ausbleiben.

Wenn vorstehende Gedanken hier und da auch anfechtbar erscheinen, so
kann ich doch versichern, daß sie aus dem Leben genommen sind; ich habe mich
dabei lediglich von dem Wunsche leiten lassen, meinen Kameraden vom Beur¬
laubtenstande nützlich zu sein. Im übrigen führen viele Wege nach Rom,
auch erhebe ich keinen Anspruch darauf, in meinen Betrachtungen die allein
s. M. richtigen oder neue Wege gezeigt zu haben.




Die Offiziere des Beurlaubtenstandes

sein. Der junge Mann muß von der Notwendigkeit eines ernsten Strebens
durchdrungen sein und ringen und arbeiten, um ein schneidiges und brauch¬
bares Rüstzeug in der Hand seines obersten Kriegsherrn zu werden. Unsre
gesetzlichen Bestimmungen reichen hierzu vollkommen aus. Also: volle Aus¬
nutzung des Dienstjahres. Die spätern Übungen verlangen Wiederholung des
Erlernten, aber nicht erst, wenn der Betreffende wieder eingezogen ist, sondern
schon vorher gewissermaßen als Vorbereitung, dann werden wir auch brauch¬
bare Offiziere haben und im Kriege keinen Mangel an Führern.

Wie in den Feldzügen von 1864, 1866 und 1870/71, so werden auch
in einem künftigen Kriege die Offiziere des Veurlcmbtenstands unter Einsetzung
ihres Lebens für Kaiser und Reich zu kämpfen wissen und damit zeigen, daß
sie die Haupteigenschaft des Offiziers haben, die sie treibt, ihren Unter¬
gebnen auf dem Pfade der Ehre und Pflicht mit persönlichem Beispiele voran¬
zugehen. Aber damit ist die Sache für uns noch nicht erledigt. Der Offizier
ist auch verantwortlicher Führer und muß als solcher ein gutes Teil Urteils¬
kraft und Entschlußfähigkeit haben. Er muß über das Was und Wie unter¬
richtet sein, um die Verantwortung eines Truppenführers tragen zu können.
Dazu ist erforderlich, daß, wenn die Zeit einer Dienstleistung naht, die Regle¬
ments und Vorschriften hervorgeholt werden, damit er nicht bei jeder neuen
Übungsperiode unter dem Mangel der nötigsten Dienstkenntnisse leide. Wo
das Verständnis für die Ausführung höherer Anordnungen, das sich auf die
Kenntnisse der Elemente des militärischen Wissens aufbaut, fehlt, da bringt
der Betreffende „keine drei Mann über den Rinnstein." Es liegt in diesem
drastischen Ausspruch eine tiefe und praktische Bedeutung; er will mit andern
Worten sagen, der Mann hat nicht die Fähigkeit, Truppen dahin zu bringen,
wohin man sie haben will. Wo dagegen das Bewußtsein des Wissens und
Könnens vorhanden ist, wo sich ein berechtigtes Selbstvertrauen als die wahre
Quelle selbständigen Handelns findet, wo sich eine schneidige Persönlichkeit über
einen unsichern Augenblick hinweghelfen kann, da wird auch der Erfolg nicht
ausbleiben.

Wenn vorstehende Gedanken hier und da auch anfechtbar erscheinen, so
kann ich doch versichern, daß sie aus dem Leben genommen sind; ich habe mich
dabei lediglich von dem Wunsche leiten lassen, meinen Kameraden vom Beur¬
laubtenstande nützlich zu sein. Im übrigen führen viele Wege nach Rom,
auch erhebe ich keinen Anspruch darauf, in meinen Betrachtungen die allein
s. M. richtigen oder neue Wege gezeigt zu haben.




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[0576] Die Offiziere des Beurlaubtenstandes sein. Der junge Mann muß von der Notwendigkeit eines ernsten Strebens durchdrungen sein und ringen und arbeiten, um ein schneidiges und brauch¬ bares Rüstzeug in der Hand seines obersten Kriegsherrn zu werden. Unsre gesetzlichen Bestimmungen reichen hierzu vollkommen aus. Also: volle Aus¬ nutzung des Dienstjahres. Die spätern Übungen verlangen Wiederholung des Erlernten, aber nicht erst, wenn der Betreffende wieder eingezogen ist, sondern schon vorher gewissermaßen als Vorbereitung, dann werden wir auch brauch¬ bare Offiziere haben und im Kriege keinen Mangel an Führern. Wie in den Feldzügen von 1864, 1866 und 1870/71, so werden auch in einem künftigen Kriege die Offiziere des Veurlcmbtenstands unter Einsetzung ihres Lebens für Kaiser und Reich zu kämpfen wissen und damit zeigen, daß sie die Haupteigenschaft des Offiziers haben, die sie treibt, ihren Unter¬ gebnen auf dem Pfade der Ehre und Pflicht mit persönlichem Beispiele voran¬ zugehen. Aber damit ist die Sache für uns noch nicht erledigt. Der Offizier ist auch verantwortlicher Führer und muß als solcher ein gutes Teil Urteils¬ kraft und Entschlußfähigkeit haben. Er muß über das Was und Wie unter¬ richtet sein, um die Verantwortung eines Truppenführers tragen zu können. Dazu ist erforderlich, daß, wenn die Zeit einer Dienstleistung naht, die Regle¬ ments und Vorschriften hervorgeholt werden, damit er nicht bei jeder neuen Übungsperiode unter dem Mangel der nötigsten Dienstkenntnisse leide. Wo das Verständnis für die Ausführung höherer Anordnungen, das sich auf die Kenntnisse der Elemente des militärischen Wissens aufbaut, fehlt, da bringt der Betreffende „keine drei Mann über den Rinnstein." Es liegt in diesem drastischen Ausspruch eine tiefe und praktische Bedeutung; er will mit andern Worten sagen, der Mann hat nicht die Fähigkeit, Truppen dahin zu bringen, wohin man sie haben will. Wo dagegen das Bewußtsein des Wissens und Könnens vorhanden ist, wo sich ein berechtigtes Selbstvertrauen als die wahre Quelle selbständigen Handelns findet, wo sich eine schneidige Persönlichkeit über einen unsichern Augenblick hinweghelfen kann, da wird auch der Erfolg nicht ausbleiben. Wenn vorstehende Gedanken hier und da auch anfechtbar erscheinen, so kann ich doch versichern, daß sie aus dem Leben genommen sind; ich habe mich dabei lediglich von dem Wunsche leiten lassen, meinen Kameraden vom Beur¬ laubtenstande nützlich zu sein. Im übrigen führen viele Wege nach Rom, auch erhebe ich keinen Anspruch darauf, in meinen Betrachtungen die allein s. M. richtigen oder neue Wege gezeigt zu haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/576>, abgerufen am 23.07.2024.