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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die (Offiziere des Beurlaubtenstandes

lediglich den Zweck, das während der einjährigen Dienstzeit Gelernte zu befestigen
und zu vervollständigen, und schließt mit einer praktischen und theoretischen
Prüfung sür die Aspiranten ab, die in ihrer dienstlichen und außerdienstlichen
Haltung befriedigt haben (Reserveoffizierprüfung). Während der Übung L thun
die zu Vizefeldwebeln usw. beförderten Offizieraspiranten Offizierdienste; hier
wird der Hauptwert auf die praktische Ausbildung gelegt. Am Schlüsse dieser
Übung giebt der zuständige Kommandeur sein Einverständnis, daß der Ofsizier-
aspircmt zum Reserveoffizier des Truppenteils oder zum Landwehroffizier vor¬
geschlagen werden kann. Dieses Einverständnis ist neben der Beurteilung der
außerdienstlichen Haltung des Aspiranten noch von einer besondern praktischen
Prüfung abhängig. Im übrigen sind die Truppenbefehlshaber persönlich dafür
verantwortlich, daß in ihrem Befehlsbereich allerseits darnach gestrebt wird, die
für den Mvbilmachungsfall erforderliche Anzahl geeigneter und verwendungs¬
fähiger Reserve- und Landwehroffiziere oder Offizierstellvertreter heranzubilden.
Dies betont auch die Felddienstordnung in Ur. 14 und 15 der Einleitung.
Nach erfolgter Wahl zum Offizier sind während der Zugehörigkeit zur Reserve
drei pflichtmäßige Übungen von je achtwöchiger Dauer zu leisten, wobei auf
eine kriegsgemäße Ausbildung unter Verantwortung der Truppenbefehlshaber
aller Grade Nachdruck gelegt wird. Eine besondre Ausbildung erhalten die
ältern Offiziere bei den sogenanten Beförderungsübungen. Die bestündige
Wiederholung des früher Erlernten ist dabei von großer Wichtigkeit.

Die Verhältnisse, unter denen die Freiwilligen ihr Jahr addieren, sind
natürlich oft recht verschieden. Ein Teil will damit das Studium an einer
Hochschule verbinden, um -- wie man oft hört -- das Jahr nicht zu ver¬
lieren. In Wirklichkeit ist das Jahr aber doch verloren. Einmal kann infolge
der Anstrengungen des Dienstes von ernsten berufswissenschaftlichen Studien
keine Rede sein, dann raubt an einer Universitätsstadt das nicht zu vermeidende
Kneipenleben so viel Körperfrische, daß darunter der militärische Dienst wesentlich
leidet. Es wird also auf keiner Seite etwas richtiges geleistet, weil eben
niemand zwei Herren dienen kann. Diese Beobachtungen kann man gerade in
Universitätsstädten vielfach bei den Prüfungen machen, bei denen durchschnittlich
fünfzig Prozent durchfallen, sodaß man sich sagen muß, es ist schade um die
Zeit und um so viel Intelligenz, die auf diese Weise verloren geht. Auch
muß man oft staunen, wie wenig militärische Kenntnisse gerade sonst einsichtige
Leute haben, wie ungewandt und lückenhaft die schriftliche Ausdrucksweise selbst
bei den einfachsten Aufgaben ist. Ein andrer Teil der Einjährigen vollendet
erst seine Studien und dient nach bestandnen Berufscxamen. Ich kann mich
auch dafür nicht erwärmen. Diese jungen Leute sind oft in einer Zwangslage.
Sie sind allerdings in gewisser Weise fertig, gereifter an Lebensalter und An¬
schauungen, aber sie haben oft nicht mehr die körperliche und geistige Bieg¬
samkeit, die beim Beginn des Dienstjahres erforderlich ist, um mit einer ge-


Die (Offiziere des Beurlaubtenstandes

lediglich den Zweck, das während der einjährigen Dienstzeit Gelernte zu befestigen
und zu vervollständigen, und schließt mit einer praktischen und theoretischen
Prüfung sür die Aspiranten ab, die in ihrer dienstlichen und außerdienstlichen
Haltung befriedigt haben (Reserveoffizierprüfung). Während der Übung L thun
die zu Vizefeldwebeln usw. beförderten Offizieraspiranten Offizierdienste; hier
wird der Hauptwert auf die praktische Ausbildung gelegt. Am Schlüsse dieser
Übung giebt der zuständige Kommandeur sein Einverständnis, daß der Ofsizier-
aspircmt zum Reserveoffizier des Truppenteils oder zum Landwehroffizier vor¬
geschlagen werden kann. Dieses Einverständnis ist neben der Beurteilung der
außerdienstlichen Haltung des Aspiranten noch von einer besondern praktischen
Prüfung abhängig. Im übrigen sind die Truppenbefehlshaber persönlich dafür
verantwortlich, daß in ihrem Befehlsbereich allerseits darnach gestrebt wird, die
für den Mvbilmachungsfall erforderliche Anzahl geeigneter und verwendungs¬
fähiger Reserve- und Landwehroffiziere oder Offizierstellvertreter heranzubilden.
Dies betont auch die Felddienstordnung in Ur. 14 und 15 der Einleitung.
Nach erfolgter Wahl zum Offizier sind während der Zugehörigkeit zur Reserve
drei pflichtmäßige Übungen von je achtwöchiger Dauer zu leisten, wobei auf
eine kriegsgemäße Ausbildung unter Verantwortung der Truppenbefehlshaber
aller Grade Nachdruck gelegt wird. Eine besondre Ausbildung erhalten die
ältern Offiziere bei den sogenanten Beförderungsübungen. Die bestündige
Wiederholung des früher Erlernten ist dabei von großer Wichtigkeit.

Die Verhältnisse, unter denen die Freiwilligen ihr Jahr addieren, sind
natürlich oft recht verschieden. Ein Teil will damit das Studium an einer
Hochschule verbinden, um — wie man oft hört — das Jahr nicht zu ver¬
lieren. In Wirklichkeit ist das Jahr aber doch verloren. Einmal kann infolge
der Anstrengungen des Dienstes von ernsten berufswissenschaftlichen Studien
keine Rede sein, dann raubt an einer Universitätsstadt das nicht zu vermeidende
Kneipenleben so viel Körperfrische, daß darunter der militärische Dienst wesentlich
leidet. Es wird also auf keiner Seite etwas richtiges geleistet, weil eben
niemand zwei Herren dienen kann. Diese Beobachtungen kann man gerade in
Universitätsstädten vielfach bei den Prüfungen machen, bei denen durchschnittlich
fünfzig Prozent durchfallen, sodaß man sich sagen muß, es ist schade um die
Zeit und um so viel Intelligenz, die auf diese Weise verloren geht. Auch
muß man oft staunen, wie wenig militärische Kenntnisse gerade sonst einsichtige
Leute haben, wie ungewandt und lückenhaft die schriftliche Ausdrucksweise selbst
bei den einfachsten Aufgaben ist. Ein andrer Teil der Einjährigen vollendet
erst seine Studien und dient nach bestandnen Berufscxamen. Ich kann mich
auch dafür nicht erwärmen. Diese jungen Leute sind oft in einer Zwangslage.
Sie sind allerdings in gewisser Weise fertig, gereifter an Lebensalter und An¬
schauungen, aber sie haben oft nicht mehr die körperliche und geistige Bieg¬
samkeit, die beim Beginn des Dienstjahres erforderlich ist, um mit einer ge-


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[0574] Die (Offiziere des Beurlaubtenstandes lediglich den Zweck, das während der einjährigen Dienstzeit Gelernte zu befestigen und zu vervollständigen, und schließt mit einer praktischen und theoretischen Prüfung sür die Aspiranten ab, die in ihrer dienstlichen und außerdienstlichen Haltung befriedigt haben (Reserveoffizierprüfung). Während der Übung L thun die zu Vizefeldwebeln usw. beförderten Offizieraspiranten Offizierdienste; hier wird der Hauptwert auf die praktische Ausbildung gelegt. Am Schlüsse dieser Übung giebt der zuständige Kommandeur sein Einverständnis, daß der Ofsizier- aspircmt zum Reserveoffizier des Truppenteils oder zum Landwehroffizier vor¬ geschlagen werden kann. Dieses Einverständnis ist neben der Beurteilung der außerdienstlichen Haltung des Aspiranten noch von einer besondern praktischen Prüfung abhängig. Im übrigen sind die Truppenbefehlshaber persönlich dafür verantwortlich, daß in ihrem Befehlsbereich allerseits darnach gestrebt wird, die für den Mvbilmachungsfall erforderliche Anzahl geeigneter und verwendungs¬ fähiger Reserve- und Landwehroffiziere oder Offizierstellvertreter heranzubilden. Dies betont auch die Felddienstordnung in Ur. 14 und 15 der Einleitung. Nach erfolgter Wahl zum Offizier sind während der Zugehörigkeit zur Reserve drei pflichtmäßige Übungen von je achtwöchiger Dauer zu leisten, wobei auf eine kriegsgemäße Ausbildung unter Verantwortung der Truppenbefehlshaber aller Grade Nachdruck gelegt wird. Eine besondre Ausbildung erhalten die ältern Offiziere bei den sogenanten Beförderungsübungen. Die bestündige Wiederholung des früher Erlernten ist dabei von großer Wichtigkeit. Die Verhältnisse, unter denen die Freiwilligen ihr Jahr addieren, sind natürlich oft recht verschieden. Ein Teil will damit das Studium an einer Hochschule verbinden, um — wie man oft hört — das Jahr nicht zu ver¬ lieren. In Wirklichkeit ist das Jahr aber doch verloren. Einmal kann infolge der Anstrengungen des Dienstes von ernsten berufswissenschaftlichen Studien keine Rede sein, dann raubt an einer Universitätsstadt das nicht zu vermeidende Kneipenleben so viel Körperfrische, daß darunter der militärische Dienst wesentlich leidet. Es wird also auf keiner Seite etwas richtiges geleistet, weil eben niemand zwei Herren dienen kann. Diese Beobachtungen kann man gerade in Universitätsstädten vielfach bei den Prüfungen machen, bei denen durchschnittlich fünfzig Prozent durchfallen, sodaß man sich sagen muß, es ist schade um die Zeit und um so viel Intelligenz, die auf diese Weise verloren geht. Auch muß man oft staunen, wie wenig militärische Kenntnisse gerade sonst einsichtige Leute haben, wie ungewandt und lückenhaft die schriftliche Ausdrucksweise selbst bei den einfachsten Aufgaben ist. Ein andrer Teil der Einjährigen vollendet erst seine Studien und dient nach bestandnen Berufscxamen. Ich kann mich auch dafür nicht erwärmen. Diese jungen Leute sind oft in einer Zwangslage. Sie sind allerdings in gewisser Weise fertig, gereifter an Lebensalter und An¬ schauungen, aber sie haben oft nicht mehr die körperliche und geistige Bieg¬ samkeit, die beim Beginn des Dienstjahres erforderlich ist, um mit einer ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/574>, abgerufen am 23.07.2024.