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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Auf der Akademie

treibenden Kraft unter diesen vielen, die sich alle zum Gefolge der Kunst rechneten.
Wenn sich die Gasflammchen an der Würde der Antike gesättigt hatten, so konnten
sie jetzt moderne Würde in zahlreichen Variationen studiren. Es gab Normalaka¬
demiker wie den schwarzen Heyse, den das Gefühl seiner Wichtigkeit auch dann
nicht verlassen hätte, wenn nicht diese Hallen und Treppenhäuser, die seinetwegen
da waren, ihn davon überzeugt hätten. Er wußte, daß er der eigentliche Mensch
sei und einmal Professor werden würde, und machte seine künftige Vorzugsstellung
schon jetzt zur Förderung andrer geltend. Ihn sahen andre über die Achsel an,
die sein gesetztes Wesen für Streberei hielten und ihrerseits stolz darauf waren,
bei jungen Jahren schon mit vielen Wassern gewaschen zu sein. Seltner waren
solche wie der blonde Rainer, der Schlossersohn aus Leipzig, der seine breiten
Arbeiterhände so in die Taschen steckte, als wenn er mit ihnen alle zweihundert
Akademiker und neunzehn Professoren der Akademie einstecken könnte.

Der Alte ist heute spät dran, sagte der schwarze Heyse. Ich wußte es gleich,
als ich um halb sieben Uhr aus dem Salvator ging, daß ich noch zur rechten Zeit
zur Korrektur kommen würde, -- Gemache haben Sie aber doch nichts, bis er kommt,
fagte einer der andern. -- Wetten, daß ich etwas haben werde, und daß er ent¬
zückt sein wird? Kommen Sie, Rainer, ich zeige es nur Ihnen!

Rainer folgte nicht besonders eifrig zu dem steinernen Wasserbecken, auf dessen
gemeißelten Rand Heyse das Reißbrett stemmte und einen gelinden Wasserstrahl
über die Kohlenzeichnung laufen ließ. Dünn schwenkte er die Tropfen ab und
sagte: So, das trocknet in zehn Minuten, und dann werden Sie sehn, es hat
sich da ein Ton zusammengeschwemmt, wie der Alte ihn nicht feiner aufgetragen
bekommt, wenn seine Besten eine Woche lang dran arbeite". Ich setze noch ein
paar pikante Striche hinein, damit er sieht, daß ich die Form verstehe, und dann
ist er begeistert. So, mein Lieber, kommen Sie, die andern brauchen nichts davon
zu wissen.

Es wird ihnen anch nicht viel dran liegen, den Alten zu begeistern.

Oho, Ihnen etwa nicht? -- Nein, wozu deun? -- Damit er Sie protegirt.
Sie haben das Wohl nicht nötig? -- Rainer zuckte die Achseln: Ich will ja nicht
Hoflieferant werden. -- Aber Sie wollen doch wohl gelegentlich ausstellen, und
eine Medaille würden Sie vielleicht zuletzt auch annehmen, was? -- Mit Ver¬
gnügen, aber deswegen kriechen, das ist nicht so mein Geschmack. -- Nun, Sie
haben für einen jungen Menschen von Ihrer Herkunft einen wählerischen Geschmack.
Wir werden ja sehen, wie bald Sie sich an meinen Rat erinnern werden.

Rainer machte eine ungeduldige Bewegung, als ob er die Fäuste in der
Tasche lockerte. Sie waren bei den andern angekommen. Kelety, der lustige Ungar,
legte ihm die Hand ans die Schulter: Aufgepaßt, Rainer, aus dem schwarzen
Heyse spricht Salomo. Er hob die Nase und die Augenbrauen in die Höhe.
Schauen Sie, Heyse hat Witterung. Der weiß, was Stunde geschlagen hat, was
Publikum mag. Gourmand in der Kunst! Wenn der einmal malt, muß seine Fran
dazu auf der Orgel akkompagniren! -- Für das, was der malt, wirds ein Leier¬
kasten auch thun, sagte Rainer, während sie wieder in den Saal gingen. Einen
Augenblick später waren die Antiken wieder mit ihren Schatten allein, und das
feierliche Schweigen so tief, daß die Schritte hallten, als zwei Menschen von der
Treppe her aus dem Schatten hervor- und herankamen. Es war der Hausmeister
und neben ihm der kleine unscheinbare Mensch von der Rampe, der aus lauter Ehr¬
furcht vor der gebietenden Größe dieser Fenster zur Linken und der Gipsmänner
zur Rechten den Hut in der Hand trug.


Auf der Akademie

treibenden Kraft unter diesen vielen, die sich alle zum Gefolge der Kunst rechneten.
Wenn sich die Gasflammchen an der Würde der Antike gesättigt hatten, so konnten
sie jetzt moderne Würde in zahlreichen Variationen studiren. Es gab Normalaka¬
demiker wie den schwarzen Heyse, den das Gefühl seiner Wichtigkeit auch dann
nicht verlassen hätte, wenn nicht diese Hallen und Treppenhäuser, die seinetwegen
da waren, ihn davon überzeugt hätten. Er wußte, daß er der eigentliche Mensch
sei und einmal Professor werden würde, und machte seine künftige Vorzugsstellung
schon jetzt zur Förderung andrer geltend. Ihn sahen andre über die Achsel an,
die sein gesetztes Wesen für Streberei hielten und ihrerseits stolz darauf waren,
bei jungen Jahren schon mit vielen Wassern gewaschen zu sein. Seltner waren
solche wie der blonde Rainer, der Schlossersohn aus Leipzig, der seine breiten
Arbeiterhände so in die Taschen steckte, als wenn er mit ihnen alle zweihundert
Akademiker und neunzehn Professoren der Akademie einstecken könnte.

Der Alte ist heute spät dran, sagte der schwarze Heyse. Ich wußte es gleich,
als ich um halb sieben Uhr aus dem Salvator ging, daß ich noch zur rechten Zeit
zur Korrektur kommen würde, — Gemache haben Sie aber doch nichts, bis er kommt,
fagte einer der andern. — Wetten, daß ich etwas haben werde, und daß er ent¬
zückt sein wird? Kommen Sie, Rainer, ich zeige es nur Ihnen!

Rainer folgte nicht besonders eifrig zu dem steinernen Wasserbecken, auf dessen
gemeißelten Rand Heyse das Reißbrett stemmte und einen gelinden Wasserstrahl
über die Kohlenzeichnung laufen ließ. Dünn schwenkte er die Tropfen ab und
sagte: So, das trocknet in zehn Minuten, und dann werden Sie sehn, es hat
sich da ein Ton zusammengeschwemmt, wie der Alte ihn nicht feiner aufgetragen
bekommt, wenn seine Besten eine Woche lang dran arbeite». Ich setze noch ein
paar pikante Striche hinein, damit er sieht, daß ich die Form verstehe, und dann
ist er begeistert. So, mein Lieber, kommen Sie, die andern brauchen nichts davon
zu wissen.

Es wird ihnen anch nicht viel dran liegen, den Alten zu begeistern.

Oho, Ihnen etwa nicht? — Nein, wozu deun? — Damit er Sie protegirt.
Sie haben das Wohl nicht nötig? — Rainer zuckte die Achseln: Ich will ja nicht
Hoflieferant werden. — Aber Sie wollen doch wohl gelegentlich ausstellen, und
eine Medaille würden Sie vielleicht zuletzt auch annehmen, was? — Mit Ver¬
gnügen, aber deswegen kriechen, das ist nicht so mein Geschmack. — Nun, Sie
haben für einen jungen Menschen von Ihrer Herkunft einen wählerischen Geschmack.
Wir werden ja sehen, wie bald Sie sich an meinen Rat erinnern werden.

Rainer machte eine ungeduldige Bewegung, als ob er die Fäuste in der
Tasche lockerte. Sie waren bei den andern angekommen. Kelety, der lustige Ungar,
legte ihm die Hand ans die Schulter: Aufgepaßt, Rainer, aus dem schwarzen
Heyse spricht Salomo. Er hob die Nase und die Augenbrauen in die Höhe.
Schauen Sie, Heyse hat Witterung. Der weiß, was Stunde geschlagen hat, was
Publikum mag. Gourmand in der Kunst! Wenn der einmal malt, muß seine Fran
dazu auf der Orgel akkompagniren! — Für das, was der malt, wirds ein Leier¬
kasten auch thun, sagte Rainer, während sie wieder in den Saal gingen. Einen
Augenblick später waren die Antiken wieder mit ihren Schatten allein, und das
feierliche Schweigen so tief, daß die Schritte hallten, als zwei Menschen von der
Treppe her aus dem Schatten hervor- und herankamen. Es war der Hausmeister
und neben ihm der kleine unscheinbare Mensch von der Rampe, der aus lauter Ehr¬
furcht vor der gebietenden Größe dieser Fenster zur Linken und der Gipsmänner
zur Rechten den Hut in der Hand trug.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/552>, abgerufen am 27.12.2024.