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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Das deutsche Lied seit dem Tode Richard Wagners

Parteivertretung zuzulassen, wenn nicht genügend Anwälte für die amtsgcricht-
lichen Prozesse vorhanden oder von den vorhandnen einzelne an der Aus¬
übung der Praxis verhindert sind.

Freilich wird die Neuerung nicht ohne Rückwirkung auf den Anwaltstand
sein, namentlich werden die weniger beschäftigten und mehr auf das Amts¬
gericht angewiesenen Rechtsanwälte eine Einbuße erleiden; auch wird sich der
Zudrang nach den größern Orten noch stärker vermehren als bisher. Auf der
andern Seite wird aber die Konkurrenz unständiger werden und, wenn das
Zulassungsrecht des Amtsrichters fortfällt, auch die Abhängigkeit von seinem
guten Willen aufhören. Wenn die vorliegende Bestimmung der Novelle zu
einer Organisation eines Anwaltstandes zweiter Klasse führen sollte, so ist die
Möglichkeit durchaus nicht ausgeschlossen, daß Referendare, die ohne diese in
die Nechtsanwaltschaft eingetreten wären, sich dem reformirten Rechtskonsulenten-
ftande zuwenden, der ihnen schneller ein genügendes Auskommen gewährt,
sodaß sich auf diese Weise der Andrang zur Nechtsanwaltschaft vermindern
würde. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist der moralische Gewinn,
den die Nechtsanwaltschaft aus der Schaffung dieses neuen Konsulentenstandes
ziehen würde. Es würden verschiedne Geschäfte, die jetzt von Rechtsanwälten
besorgt werden, obwohl sie sich nicht für sie eignen, auf die Konsulenten über¬
gehen, das berufliche Ehrgefühl und damit das Ansehen der Nechtsanwaltschaft
würde sich steigern. In erhöhtem Maße, als es zur Zeit möglich ist, würde
sie imstande sein, die ihr im Rechtsleben der Nation zukommenden Aufgaben
zu erfüllen, nämlich: die Jndividualrechte gegen alle Angriffe, woher sie auch
kommen mögen, zu schützen.




Das deutsche Lied seit dem Tode Richard Wagners')
Hermann Kretzschmar von

d. Schure hat seine Geschichte des deutschen Liedes bekanntlich
Hi8toirs an lisci betitelt und uns damit ein sehr großes Kom¬
pliment gemacht. Andre Ausländer -- man erzählt bestimmte
Aussprüche Ant. Dvornks -- beginnen die deutsche Überlegen¬
heit auch auf diesem Gebiete zu bestreikn. Noch sind sie im
Unrecht; aber wir thun gut, uns durch sie warnen zu lassen und mit der



") Diesen Aufsatz unsers Freundes und Mitarbeiters Hermann Kretzschmar drucken mir
mit der freundlich erteilten Erlaubnis des Verlegers, I)i', Abraham, aus dem "Jahrbuch der
Grenzboten II 1898 l>7
Das deutsche Lied seit dem Tode Richard Wagners

Parteivertretung zuzulassen, wenn nicht genügend Anwälte für die amtsgcricht-
lichen Prozesse vorhanden oder von den vorhandnen einzelne an der Aus¬
übung der Praxis verhindert sind.

Freilich wird die Neuerung nicht ohne Rückwirkung auf den Anwaltstand
sein, namentlich werden die weniger beschäftigten und mehr auf das Amts¬
gericht angewiesenen Rechtsanwälte eine Einbuße erleiden; auch wird sich der
Zudrang nach den größern Orten noch stärker vermehren als bisher. Auf der
andern Seite wird aber die Konkurrenz unständiger werden und, wenn das
Zulassungsrecht des Amtsrichters fortfällt, auch die Abhängigkeit von seinem
guten Willen aufhören. Wenn die vorliegende Bestimmung der Novelle zu
einer Organisation eines Anwaltstandes zweiter Klasse führen sollte, so ist die
Möglichkeit durchaus nicht ausgeschlossen, daß Referendare, die ohne diese in
die Nechtsanwaltschaft eingetreten wären, sich dem reformirten Rechtskonsulenten-
ftande zuwenden, der ihnen schneller ein genügendes Auskommen gewährt,
sodaß sich auf diese Weise der Andrang zur Nechtsanwaltschaft vermindern
würde. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist der moralische Gewinn,
den die Nechtsanwaltschaft aus der Schaffung dieses neuen Konsulentenstandes
ziehen würde. Es würden verschiedne Geschäfte, die jetzt von Rechtsanwälten
besorgt werden, obwohl sie sich nicht für sie eignen, auf die Konsulenten über¬
gehen, das berufliche Ehrgefühl und damit das Ansehen der Nechtsanwaltschaft
würde sich steigern. In erhöhtem Maße, als es zur Zeit möglich ist, würde
sie imstande sein, die ihr im Rechtsleben der Nation zukommenden Aufgaben
zu erfüllen, nämlich: die Jndividualrechte gegen alle Angriffe, woher sie auch
kommen mögen, zu schützen.




Das deutsche Lied seit dem Tode Richard Wagners')
Hermann Kretzschmar von

d. Schure hat seine Geschichte des deutschen Liedes bekanntlich
Hi8toirs an lisci betitelt und uns damit ein sehr großes Kom¬
pliment gemacht. Andre Ausländer — man erzählt bestimmte
Aussprüche Ant. Dvornks — beginnen die deutsche Überlegen¬
heit auch auf diesem Gebiete zu bestreikn. Noch sind sie im
Unrecht; aber wir thun gut, uns durch sie warnen zu lassen und mit der



") Diesen Aufsatz unsers Freundes und Mitarbeiters Hermann Kretzschmar drucken mir
mit der freundlich erteilten Erlaubnis des Verlegers, I)i', Abraham, aus dem „Jahrbuch der
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[0537] Das deutsche Lied seit dem Tode Richard Wagners Parteivertretung zuzulassen, wenn nicht genügend Anwälte für die amtsgcricht- lichen Prozesse vorhanden oder von den vorhandnen einzelne an der Aus¬ übung der Praxis verhindert sind. Freilich wird die Neuerung nicht ohne Rückwirkung auf den Anwaltstand sein, namentlich werden die weniger beschäftigten und mehr auf das Amts¬ gericht angewiesenen Rechtsanwälte eine Einbuße erleiden; auch wird sich der Zudrang nach den größern Orten noch stärker vermehren als bisher. Auf der andern Seite wird aber die Konkurrenz unständiger werden und, wenn das Zulassungsrecht des Amtsrichters fortfällt, auch die Abhängigkeit von seinem guten Willen aufhören. Wenn die vorliegende Bestimmung der Novelle zu einer Organisation eines Anwaltstandes zweiter Klasse führen sollte, so ist die Möglichkeit durchaus nicht ausgeschlossen, daß Referendare, die ohne diese in die Nechtsanwaltschaft eingetreten wären, sich dem reformirten Rechtskonsulenten- ftande zuwenden, der ihnen schneller ein genügendes Auskommen gewährt, sodaß sich auf diese Weise der Andrang zur Nechtsanwaltschaft vermindern würde. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist der moralische Gewinn, den die Nechtsanwaltschaft aus der Schaffung dieses neuen Konsulentenstandes ziehen würde. Es würden verschiedne Geschäfte, die jetzt von Rechtsanwälten besorgt werden, obwohl sie sich nicht für sie eignen, auf die Konsulenten über¬ gehen, das berufliche Ehrgefühl und damit das Ansehen der Nechtsanwaltschaft würde sich steigern. In erhöhtem Maße, als es zur Zeit möglich ist, würde sie imstande sein, die ihr im Rechtsleben der Nation zukommenden Aufgaben zu erfüllen, nämlich: die Jndividualrechte gegen alle Angriffe, woher sie auch kommen mögen, zu schützen. Das deutsche Lied seit dem Tode Richard Wagners') Hermann Kretzschmar von d. Schure hat seine Geschichte des deutschen Liedes bekanntlich Hi8toirs an lisci betitelt und uns damit ein sehr großes Kom¬ pliment gemacht. Andre Ausländer — man erzählt bestimmte Aussprüche Ant. Dvornks — beginnen die deutsche Überlegen¬ heit auch auf diesem Gebiete zu bestreikn. Noch sind sie im Unrecht; aber wir thun gut, uns durch sie warnen zu lassen und mit der ") Diesen Aufsatz unsers Freundes und Mitarbeiters Hermann Kretzschmar drucken mir mit der freundlich erteilten Erlaubnis des Verlegers, I)i', Abraham, aus dem „Jahrbuch der Grenzboten II 1898 l>7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/537>, abgerufen am 27.12.2024.