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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Goethe als Kriegsminister

die Tauben gelesen hätten. Freilich ist es des Zeugs zu viel von allen
Seiten und der Gehilfen wenige." Und erst am 15. August 1781 durfte er
triumphirend sagen: "Kriegs-Commission. Nckapitulirte in der Stille, was ich
bei diesem Departement geschafft. Nun wäre mirs nicht bange, ein weit
größeres, ja mehrere in Ordnung zu bringen, wozu Gott Gelegenheit und
Mut verleihe." Er wußte recht gut, wie sehr er bei diese" Bemühungen auf
sich allein stand; als er von der Schweizerreise des Winters 1779 zu 1780
im Januar heinikehrte und auf der Kriegskommission gute Ordnung sand, meinte
er: "Wenn sie (die Subalternbeamten) wüßten, daß mich Staub und Moder
erfreute, sie schafften ihn auch." Daß zur Ordnung mehr gehörte als die
Rekrutirung und Auslese der Repvsitur, braucht gar nicht erst gesagt zu
werdeu. In der That fallen in die beiden ersten Jahre der "Kriegsminister¬
schaft" Goethes die Kämpfe mit seinem wichtigsten lind einflußreichsten Unter¬
gebnen, dem früher erwähnten Kriegsrat von Volgstedt, der Sieg des Dichters
über diesen zähen Widersacher und die von Goethe vom ersten Tage an er¬
sehnte, befürwortete und betrievne Reduktion des weimarischen Militärwesens.

Goethe spricht einmal bitter von "Volgstedtischen Principien," doch scheint
aus dem ganzen Zusammenhange seiner Aufzeichnungen und Bemerkungen
hervorzugehen, daß der dicke Kriegsrat eben nur der Vertreter und Bewahrer
des herkömmlich Mißbräuchlichen war und gar nicht einsehen konnte, wie er,
der Soldat und Edelmann, dazu käme, sich den Weisungen des bürgerlichen
Geheimen Legationsrath bequemen zu sollen. Die Notizen Goethes im Tage¬
buch lassen erkennen, daß er umsonst seine Beredsamkeit und Vorstellungskraft
aufgeboten hatte, den widerwilligen Volgstedt auf andre Pfade zu weisen.
,.25.März1780 Kriegscommission. Große Explikation mitVolgstedt"; ,.28.März.
früh zu Schuauß über Volgstedt und Batty"; "31. März. Angesagt Conseil.
Momentanen Bewegung widerstanden und überwunden. Es scheint das Glück
mich zu begünstigen, daß ich in wenig Tagen viel garstige mit geschleppte
Verhältnisse abschütteln soll. Ueuro oorormtur nisi ^ni "ertavsrit arts; 1. April.
Kriegscommission. Volgstedten haranguirt; December. Viel Arbeit und Be¬
arbeitung. Volgstedt abgeschüttelt. Diesen Monat hab ich mirs sauer werden
lassen; 1781. Januar d. 1. bis 3. Viel Geschäft auf der Kriegscommission,
um alle Fäden an mich zu knüpfen." (Goethes Tagebücher.) An Frau
von Stein schreibt er am 31. Dezember 1780: "Der Abschied des Dicken ist
freilich nicht ohne unangenehmes für mich gewesen und giebt mir auf die erste
Zeit viel mehr zu thun. Doch ists immer besser, mit solchen Menschen auf
keine Art verwandt zu sein." In diesen Worten klingt die Wirkung dieser
unerquicklichen, wenn auch nicht tiefgehenden Zwistigkeiten gewissermaßen aus.

Von ganz andrer Bedeutung für Goethe und recht eigentlich der Triumph
seiner Thätigkeit an der Spitze der Kriegskommissivn war die endlich be¬
schlossene und entschieden durchgeführte Reduktion der weimarischen Truppen.
Zu viel für das Bedürfnis nach innen, zu wenig für irgend welches Eingreifen


Goethe als Kriegsminister

die Tauben gelesen hätten. Freilich ist es des Zeugs zu viel von allen
Seiten und der Gehilfen wenige." Und erst am 15. August 1781 durfte er
triumphirend sagen: „Kriegs-Commission. Nckapitulirte in der Stille, was ich
bei diesem Departement geschafft. Nun wäre mirs nicht bange, ein weit
größeres, ja mehrere in Ordnung zu bringen, wozu Gott Gelegenheit und
Mut verleihe." Er wußte recht gut, wie sehr er bei diese« Bemühungen auf
sich allein stand; als er von der Schweizerreise des Winters 1779 zu 1780
im Januar heinikehrte und auf der Kriegskommission gute Ordnung sand, meinte
er: „Wenn sie (die Subalternbeamten) wüßten, daß mich Staub und Moder
erfreute, sie schafften ihn auch." Daß zur Ordnung mehr gehörte als die
Rekrutirung und Auslese der Repvsitur, braucht gar nicht erst gesagt zu
werdeu. In der That fallen in die beiden ersten Jahre der „Kriegsminister¬
schaft" Goethes die Kämpfe mit seinem wichtigsten lind einflußreichsten Unter¬
gebnen, dem früher erwähnten Kriegsrat von Volgstedt, der Sieg des Dichters
über diesen zähen Widersacher und die von Goethe vom ersten Tage an er¬
sehnte, befürwortete und betrievne Reduktion des weimarischen Militärwesens.

Goethe spricht einmal bitter von „Volgstedtischen Principien," doch scheint
aus dem ganzen Zusammenhange seiner Aufzeichnungen und Bemerkungen
hervorzugehen, daß der dicke Kriegsrat eben nur der Vertreter und Bewahrer
des herkömmlich Mißbräuchlichen war und gar nicht einsehen konnte, wie er,
der Soldat und Edelmann, dazu käme, sich den Weisungen des bürgerlichen
Geheimen Legationsrath bequemen zu sollen. Die Notizen Goethes im Tage¬
buch lassen erkennen, daß er umsonst seine Beredsamkeit und Vorstellungskraft
aufgeboten hatte, den widerwilligen Volgstedt auf andre Pfade zu weisen.
,.25.März1780 Kriegscommission. Große Explikation mitVolgstedt"; ,.28.März.
früh zu Schuauß über Volgstedt und Batty"; „31. März. Angesagt Conseil.
Momentanen Bewegung widerstanden und überwunden. Es scheint das Glück
mich zu begünstigen, daß ich in wenig Tagen viel garstige mit geschleppte
Verhältnisse abschütteln soll. Ueuro oorormtur nisi ^ni «ertavsrit arts; 1. April.
Kriegscommission. Volgstedten haranguirt; December. Viel Arbeit und Be¬
arbeitung. Volgstedt abgeschüttelt. Diesen Monat hab ich mirs sauer werden
lassen; 1781. Januar d. 1. bis 3. Viel Geschäft auf der Kriegscommission,
um alle Fäden an mich zu knüpfen." (Goethes Tagebücher.) An Frau
von Stein schreibt er am 31. Dezember 1780: „Der Abschied des Dicken ist
freilich nicht ohne unangenehmes für mich gewesen und giebt mir auf die erste
Zeit viel mehr zu thun. Doch ists immer besser, mit solchen Menschen auf
keine Art verwandt zu sein." In diesen Worten klingt die Wirkung dieser
unerquicklichen, wenn auch nicht tiefgehenden Zwistigkeiten gewissermaßen aus.

Von ganz andrer Bedeutung für Goethe und recht eigentlich der Triumph
seiner Thätigkeit an der Spitze der Kriegskommissivn war die endlich be¬
schlossene und entschieden durchgeführte Reduktion der weimarischen Truppen.
Zu viel für das Bedürfnis nach innen, zu wenig für irgend welches Eingreifen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/390>, abgerufen am 23.07.2024.