Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.angenommen werden. Wo keine solchen Hindernisse im Wege stehen, scheint Was die bedauerliche Zersplitterung der Stipendienbeträge betrifft, scheint angenommen werden. Wo keine solchen Hindernisse im Wege stehen, scheint Was die bedauerliche Zersplitterung der Stipendienbeträge betrifft, scheint <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228019"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1042" prev="#ID_1041"> angenommen werden. Wo keine solchen Hindernisse im Wege stehen, scheint<lb/> es an unsern Universitäten in der neusten Zeit doch wesentlich besser geworden<lb/> zu sein; im allgemeinen legt man jetzt der Prüfung der Studienerfvlge<lb/> gegenüber der bloßen Bedürftigkeit der Bewerber doch wohl die größere Be¬<lb/> deutung bei. Namentlich hat die Gepflogenheit, den Bewerbern um Stipendien<lb/> die Verpflichtung zur Ablegung einer besondern Stipendienprüfung aufzuerlegen,<lb/> bedeutend um sich gegriffen, was gegenüber den bloßen „Fleißzengnissen"<lb/> immer schon ein großer Fortschritt ist. Und soweit man diese noch gelten läßt,<lb/> werden sie doch immer ernsthafter und weniger formalistisch behandelt. Aber<lb/> anch bei der gewissenhaftesten und völlig individuellen Behandlung wird der<lb/> wesentlich formalistische Charakter nicht verschwinden: der Dozent wird im<lb/> allgemeinen immer nur die Frage prüfen können, ob ein Student an seiner<lb/> Vorlesung regelmüßig teilgenommen oder sie in der Regel „geschwänzt" hat,<lb/> die Frage des wirklichen Studienfleißes (der doch mit bloßer körperlicher Präsenz<lb/> bei der Vorlesung noch lange nicht zusammentrifft) und der Studienerfolge<lb/> kommt uicht weiter in Betracht. Die allgemeine Durchführung des Grund¬<lb/> satzes, ohne Prüfung keine Stipendien zu verleihen, müßte unsers Erachtens<lb/> der nächste Schritt in der ganzen Entwicklung des Stipendienwesens sein; dabei<lb/> würden zwar große, aber nicht unberechtigte und unmögliche Anforderungen an die<lb/> Mitwirkung der Dozenten gestellt. Endlich muß bezüglich der formalistischen<lb/> Behandlung noch etwas immer und immer wieder betont werden: die vielfach<lb/> bestehende und von den Behörden immer mit bureaukratischer Gewissenhaftigkeit,<lb/> ohne besondre Prüfung des einzelnen Falles (die ihnen meistens auch gar uicht<lb/> möglich ist) durchgeführte Bestimmung, daß ein Stipendium bei dein Wechsel<lb/> des Studienfaches im vollen Betrage zurückzuzahlen ist. Diese Bestimmung<lb/> gehört zu den nichtsnutzigsten Einrichtungen, die man sich denken kann. Sie<lb/> Hütte einen Sinn, wenn ein solcher Studienwechsel jederzeit ein Zeichen von<lb/> wirklichem Unfleiß oder von Liederlichkeit wäre — aber gerade in diesen Fällen<lb/> wird man von den betroffnen „verbummelten" Existenzen trotz aller Schreiberei<lb/> doch nichts bekommen, während die aus innerm Trieb aus wahrer Neigung<lb/> in einen andern Beruf übergehenden oft lange Jahre unnötigerweise mit amt¬<lb/> lichen Recherchen und Zahlungsaufforderungen gepeinigt und manchmal direkt<lb/> unglücklich gemacht werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1043" next="#ID_1044"> Was die bedauerliche Zersplitterung der Stipendienbeträge betrifft, scheint<lb/> leider bis auf den heutigen Tag keine Besserung zu verzeichnen zu sein. Sogar<lb/> in Preußen ist offenbar die vor sieben Jahren ergangne Ministerialverfügung,<lb/> wonach die Stipendien fortan im Sommer nicht mehr unter 120 und im<lb/> Winter nicht mehr unter 180 Mark betragen sollten (ohnehin noch zu niedrig<lb/> gegriffne Beträge!), in der Praxis völlig ohne Wirkung geblieben. Nach der<lb/> Verfügung des preußischen Kultusministers sollte bei dieser Neuregelung des<lb/> Stipendienwesens für die ersten drei Jahre in den Ausnahmen, die mit Ge¬<lb/> nehmigung des Kuratoriums möglich sind, mit besondrer Milde Verfahren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0383]
angenommen werden. Wo keine solchen Hindernisse im Wege stehen, scheint
es an unsern Universitäten in der neusten Zeit doch wesentlich besser geworden
zu sein; im allgemeinen legt man jetzt der Prüfung der Studienerfvlge
gegenüber der bloßen Bedürftigkeit der Bewerber doch wohl die größere Be¬
deutung bei. Namentlich hat die Gepflogenheit, den Bewerbern um Stipendien
die Verpflichtung zur Ablegung einer besondern Stipendienprüfung aufzuerlegen,
bedeutend um sich gegriffen, was gegenüber den bloßen „Fleißzengnissen"
immer schon ein großer Fortschritt ist. Und soweit man diese noch gelten läßt,
werden sie doch immer ernsthafter und weniger formalistisch behandelt. Aber
anch bei der gewissenhaftesten und völlig individuellen Behandlung wird der
wesentlich formalistische Charakter nicht verschwinden: der Dozent wird im
allgemeinen immer nur die Frage prüfen können, ob ein Student an seiner
Vorlesung regelmüßig teilgenommen oder sie in der Regel „geschwänzt" hat,
die Frage des wirklichen Studienfleißes (der doch mit bloßer körperlicher Präsenz
bei der Vorlesung noch lange nicht zusammentrifft) und der Studienerfolge
kommt uicht weiter in Betracht. Die allgemeine Durchführung des Grund¬
satzes, ohne Prüfung keine Stipendien zu verleihen, müßte unsers Erachtens
der nächste Schritt in der ganzen Entwicklung des Stipendienwesens sein; dabei
würden zwar große, aber nicht unberechtigte und unmögliche Anforderungen an die
Mitwirkung der Dozenten gestellt. Endlich muß bezüglich der formalistischen
Behandlung noch etwas immer und immer wieder betont werden: die vielfach
bestehende und von den Behörden immer mit bureaukratischer Gewissenhaftigkeit,
ohne besondre Prüfung des einzelnen Falles (die ihnen meistens auch gar uicht
möglich ist) durchgeführte Bestimmung, daß ein Stipendium bei dein Wechsel
des Studienfaches im vollen Betrage zurückzuzahlen ist. Diese Bestimmung
gehört zu den nichtsnutzigsten Einrichtungen, die man sich denken kann. Sie
Hütte einen Sinn, wenn ein solcher Studienwechsel jederzeit ein Zeichen von
wirklichem Unfleiß oder von Liederlichkeit wäre — aber gerade in diesen Fällen
wird man von den betroffnen „verbummelten" Existenzen trotz aller Schreiberei
doch nichts bekommen, während die aus innerm Trieb aus wahrer Neigung
in einen andern Beruf übergehenden oft lange Jahre unnötigerweise mit amt¬
lichen Recherchen und Zahlungsaufforderungen gepeinigt und manchmal direkt
unglücklich gemacht werden.
Was die bedauerliche Zersplitterung der Stipendienbeträge betrifft, scheint
leider bis auf den heutigen Tag keine Besserung zu verzeichnen zu sein. Sogar
in Preußen ist offenbar die vor sieben Jahren ergangne Ministerialverfügung,
wonach die Stipendien fortan im Sommer nicht mehr unter 120 und im
Winter nicht mehr unter 180 Mark betragen sollten (ohnehin noch zu niedrig
gegriffne Beträge!), in der Praxis völlig ohne Wirkung geblieben. Nach der
Verfügung des preußischen Kultusministers sollte bei dieser Neuregelung des
Stipendienwesens für die ersten drei Jahre in den Ausnahmen, die mit Ge¬
nehmigung des Kuratoriums möglich sind, mit besondrer Milde Verfahren
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