Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

fall, so ist mit ihm die ganze Familie zu Grunde gerichtet, und das Vermögen,
das zur Erhaltung der Familie in die Hand des Mannes gegeben war, geht
durch ihn der Familie verloren. Es ist klar, daß dies eine ungewollte Folge
des familienrechtlichen Zusammenschlusses beider Vermögen und eine einseitige
Begünstigung der Gläubiger des Mannes ist, vor allem da, wo die Schulden
des Ehemannes nicht zur Erhaltung der Familie gemacht sind, sondern viel¬
leicht sehr unfamilienhaftem Verhalten, der Verschwendung oder der Spekulativ"
entstammen. Dem Gläubiger freilich wird man es nicht verargen können,
wenn er, wie man es so häufig hört, laut darüber klagt, daß sein Schuldner
ihn unbefriedigt läßt und gleichwohl, mit dem Gelde seiner Frau, in Wohl¬
leben und standesmäßigem Auftreten verharrt; von dein Standpunkte der All¬
gemeinheit wird man diese Folge in Kauf nehmen müssen.

Sozial steht eben die Erhaltung der Familie höher als der Vorteil des
Gläubigers, der durch unvorsichtiges und gewagtes Borgen sich selber ge¬
schädigt hat. Ein sozial denkendes Eherecht, das nnr mit Rücksicht auf die
Familie das Vermögen beider Ehegatten der Verwaltung des Mannes unter¬
wirft, wird also die Haftung des Frauenguts für die einseitigen Schulden des
Mannes ablehnen und dadurch der Mehrzahl der Familien, nämlich überall da,
wo der Sitte gemäß die eigentliche Ausstattung von der Frau in die Ehe ein¬
gebracht worden ist, auch an den beweglichen Sachen des Haushalts ein wirkliches
vor Zwangsvollstreckungen geschütztes Heimstättenrecht sichern. Der Fortschritt
ist kaum abzusehen, den damit das bürgerliche Gesetzbuch im Sinne eines ge¬
sunden Sozialrechts gemacht hat; er erstreckt sich nicht allein auf die bisherigen
Gebiete der Gütergemeinschaft, sondern auch da, wo schon jetzt der Schutz der
Frau gegen die Gläubiger des Ehemanns als Regel anerkannt war, ist ihre
Rechtsstellung durch reinere Durchführung des Gedankens und Beseitigung der
Ausnahmen ganz wesentlich verbessert. So ist entgegen dem Allgemeinen
Landrechte das Zurückbehaltungsrecht des Hauswirth an den eingebrachten und
sogar an den durch Ehevertrag vorbehaltnen Sachen der Ehefrau beseitigt. Noch
wichtiger ist, daß der Nießbrauch des Ehemanns fortan weder übertragbar noch
pfändbar ist; letzteres ist neu; es ergiebt sich daraus, daß im Konkurse des
Ehemanns die Früchte und Einkünfte des Frauenguts nicht mehr wie bisher
zur Masse gehören. Darüber hinaus ist vorsorglich bestimmt, daß mit der
Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehemanns die Verwaltung
und die Nutznießung des eingebrachten Gutes aufhören.

Hiernach gewinnt das Eherecht des bürgerlichen Gesetzbuchs bereits ein
ganz andres Gesicht. Den Ausgangspunkt bilden die §§ 1389 und 1360:
"Der Mann hat den ehelichen Aufwand zu tragen" und "der Frau nach Ma߬
gabe seiner Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit
Unterhalt zu gewähren." Z 1363, der mit der Eheschließung das Vermögen
der Frau der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterwirft, findet


Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

fall, so ist mit ihm die ganze Familie zu Grunde gerichtet, und das Vermögen,
das zur Erhaltung der Familie in die Hand des Mannes gegeben war, geht
durch ihn der Familie verloren. Es ist klar, daß dies eine ungewollte Folge
des familienrechtlichen Zusammenschlusses beider Vermögen und eine einseitige
Begünstigung der Gläubiger des Mannes ist, vor allem da, wo die Schulden
des Ehemannes nicht zur Erhaltung der Familie gemacht sind, sondern viel¬
leicht sehr unfamilienhaftem Verhalten, der Verschwendung oder der Spekulativ»
entstammen. Dem Gläubiger freilich wird man es nicht verargen können,
wenn er, wie man es so häufig hört, laut darüber klagt, daß sein Schuldner
ihn unbefriedigt läßt und gleichwohl, mit dem Gelde seiner Frau, in Wohl¬
leben und standesmäßigem Auftreten verharrt; von dein Standpunkte der All¬
gemeinheit wird man diese Folge in Kauf nehmen müssen.

Sozial steht eben die Erhaltung der Familie höher als der Vorteil des
Gläubigers, der durch unvorsichtiges und gewagtes Borgen sich selber ge¬
schädigt hat. Ein sozial denkendes Eherecht, das nnr mit Rücksicht auf die
Familie das Vermögen beider Ehegatten der Verwaltung des Mannes unter¬
wirft, wird also die Haftung des Frauenguts für die einseitigen Schulden des
Mannes ablehnen und dadurch der Mehrzahl der Familien, nämlich überall da,
wo der Sitte gemäß die eigentliche Ausstattung von der Frau in die Ehe ein¬
gebracht worden ist, auch an den beweglichen Sachen des Haushalts ein wirkliches
vor Zwangsvollstreckungen geschütztes Heimstättenrecht sichern. Der Fortschritt
ist kaum abzusehen, den damit das bürgerliche Gesetzbuch im Sinne eines ge¬
sunden Sozialrechts gemacht hat; er erstreckt sich nicht allein auf die bisherigen
Gebiete der Gütergemeinschaft, sondern auch da, wo schon jetzt der Schutz der
Frau gegen die Gläubiger des Ehemanns als Regel anerkannt war, ist ihre
Rechtsstellung durch reinere Durchführung des Gedankens und Beseitigung der
Ausnahmen ganz wesentlich verbessert. So ist entgegen dem Allgemeinen
Landrechte das Zurückbehaltungsrecht des Hauswirth an den eingebrachten und
sogar an den durch Ehevertrag vorbehaltnen Sachen der Ehefrau beseitigt. Noch
wichtiger ist, daß der Nießbrauch des Ehemanns fortan weder übertragbar noch
pfändbar ist; letzteres ist neu; es ergiebt sich daraus, daß im Konkurse des
Ehemanns die Früchte und Einkünfte des Frauenguts nicht mehr wie bisher
zur Masse gehören. Darüber hinaus ist vorsorglich bestimmt, daß mit der
Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehemanns die Verwaltung
und die Nutznießung des eingebrachten Gutes aufhören.

Hiernach gewinnt das Eherecht des bürgerlichen Gesetzbuchs bereits ein
ganz andres Gesicht. Den Ausgangspunkt bilden die §§ 1389 und 1360:
„Der Mann hat den ehelichen Aufwand zu tragen" und „der Frau nach Ma߬
gabe seiner Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit
Unterhalt zu gewähren." Z 1363, der mit der Eheschließung das Vermögen
der Frau der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterwirft, findet


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227912"/>
            <fw type="header" place="top"> Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_744" prev="#ID_743"> fall, so ist mit ihm die ganze Familie zu Grunde gerichtet, und das Vermögen,<lb/>
das zur Erhaltung der Familie in die Hand des Mannes gegeben war, geht<lb/>
durch ihn der Familie verloren. Es ist klar, daß dies eine ungewollte Folge<lb/>
des familienrechtlichen Zusammenschlusses beider Vermögen und eine einseitige<lb/>
Begünstigung der Gläubiger des Mannes ist, vor allem da, wo die Schulden<lb/>
des Ehemannes nicht zur Erhaltung der Familie gemacht sind, sondern viel¬<lb/>
leicht sehr unfamilienhaftem Verhalten, der Verschwendung oder der Spekulativ»<lb/>
entstammen. Dem Gläubiger freilich wird man es nicht verargen können,<lb/>
wenn er, wie man es so häufig hört, laut darüber klagt, daß sein Schuldner<lb/>
ihn unbefriedigt läßt und gleichwohl, mit dem Gelde seiner Frau, in Wohl¬<lb/>
leben und standesmäßigem Auftreten verharrt; von dein Standpunkte der All¬<lb/>
gemeinheit wird man diese Folge in Kauf nehmen müssen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_745"> Sozial steht eben die Erhaltung der Familie höher als der Vorteil des<lb/>
Gläubigers, der durch unvorsichtiges und gewagtes Borgen sich selber ge¬<lb/>
schädigt hat. Ein sozial denkendes Eherecht, das nnr mit Rücksicht auf die<lb/>
Familie das Vermögen beider Ehegatten der Verwaltung des Mannes unter¬<lb/>
wirft, wird also die Haftung des Frauenguts für die einseitigen Schulden des<lb/>
Mannes ablehnen und dadurch der Mehrzahl der Familien, nämlich überall da,<lb/>
wo der Sitte gemäß die eigentliche Ausstattung von der Frau in die Ehe ein¬<lb/>
gebracht worden ist, auch an den beweglichen Sachen des Haushalts ein wirkliches<lb/>
vor Zwangsvollstreckungen geschütztes Heimstättenrecht sichern. Der Fortschritt<lb/>
ist kaum abzusehen, den damit das bürgerliche Gesetzbuch im Sinne eines ge¬<lb/>
sunden Sozialrechts gemacht hat; er erstreckt sich nicht allein auf die bisherigen<lb/>
Gebiete der Gütergemeinschaft, sondern auch da, wo schon jetzt der Schutz der<lb/>
Frau gegen die Gläubiger des Ehemanns als Regel anerkannt war, ist ihre<lb/>
Rechtsstellung durch reinere Durchführung des Gedankens und Beseitigung der<lb/>
Ausnahmen ganz wesentlich verbessert. So ist entgegen dem Allgemeinen<lb/>
Landrechte das Zurückbehaltungsrecht des Hauswirth an den eingebrachten und<lb/>
sogar an den durch Ehevertrag vorbehaltnen Sachen der Ehefrau beseitigt. Noch<lb/>
wichtiger ist, daß der Nießbrauch des Ehemanns fortan weder übertragbar noch<lb/>
pfändbar ist; letzteres ist neu; es ergiebt sich daraus, daß im Konkurse des<lb/>
Ehemanns die Früchte und Einkünfte des Frauenguts nicht mehr wie bisher<lb/>
zur Masse gehören. Darüber hinaus ist vorsorglich bestimmt, daß mit der<lb/>
Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehemanns die Verwaltung<lb/>
und die Nutznießung des eingebrachten Gutes aufhören.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_746" next="#ID_747"> Hiernach gewinnt das Eherecht des bürgerlichen Gesetzbuchs bereits ein<lb/>
ganz andres Gesicht. Den Ausgangspunkt bilden die §§ 1389 und 1360:<lb/>
&#x201E;Der Mann hat den ehelichen Aufwand zu tragen" und &#x201E;der Frau nach Ma߬<lb/>
gabe seiner Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit<lb/>
Unterhalt zu gewähren." Z 1363, der mit der Eheschließung das Vermögen<lb/>
der Frau der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterwirft, findet</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0276] Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch fall, so ist mit ihm die ganze Familie zu Grunde gerichtet, und das Vermögen, das zur Erhaltung der Familie in die Hand des Mannes gegeben war, geht durch ihn der Familie verloren. Es ist klar, daß dies eine ungewollte Folge des familienrechtlichen Zusammenschlusses beider Vermögen und eine einseitige Begünstigung der Gläubiger des Mannes ist, vor allem da, wo die Schulden des Ehemannes nicht zur Erhaltung der Familie gemacht sind, sondern viel¬ leicht sehr unfamilienhaftem Verhalten, der Verschwendung oder der Spekulativ» entstammen. Dem Gläubiger freilich wird man es nicht verargen können, wenn er, wie man es so häufig hört, laut darüber klagt, daß sein Schuldner ihn unbefriedigt läßt und gleichwohl, mit dem Gelde seiner Frau, in Wohl¬ leben und standesmäßigem Auftreten verharrt; von dein Standpunkte der All¬ gemeinheit wird man diese Folge in Kauf nehmen müssen. Sozial steht eben die Erhaltung der Familie höher als der Vorteil des Gläubigers, der durch unvorsichtiges und gewagtes Borgen sich selber ge¬ schädigt hat. Ein sozial denkendes Eherecht, das nnr mit Rücksicht auf die Familie das Vermögen beider Ehegatten der Verwaltung des Mannes unter¬ wirft, wird also die Haftung des Frauenguts für die einseitigen Schulden des Mannes ablehnen und dadurch der Mehrzahl der Familien, nämlich überall da, wo der Sitte gemäß die eigentliche Ausstattung von der Frau in die Ehe ein¬ gebracht worden ist, auch an den beweglichen Sachen des Haushalts ein wirkliches vor Zwangsvollstreckungen geschütztes Heimstättenrecht sichern. Der Fortschritt ist kaum abzusehen, den damit das bürgerliche Gesetzbuch im Sinne eines ge¬ sunden Sozialrechts gemacht hat; er erstreckt sich nicht allein auf die bisherigen Gebiete der Gütergemeinschaft, sondern auch da, wo schon jetzt der Schutz der Frau gegen die Gläubiger des Ehemanns als Regel anerkannt war, ist ihre Rechtsstellung durch reinere Durchführung des Gedankens und Beseitigung der Ausnahmen ganz wesentlich verbessert. So ist entgegen dem Allgemeinen Landrechte das Zurückbehaltungsrecht des Hauswirth an den eingebrachten und sogar an den durch Ehevertrag vorbehaltnen Sachen der Ehefrau beseitigt. Noch wichtiger ist, daß der Nießbrauch des Ehemanns fortan weder übertragbar noch pfändbar ist; letzteres ist neu; es ergiebt sich daraus, daß im Konkurse des Ehemanns die Früchte und Einkünfte des Frauenguts nicht mehr wie bisher zur Masse gehören. Darüber hinaus ist vorsorglich bestimmt, daß mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehemanns die Verwaltung und die Nutznießung des eingebrachten Gutes aufhören. Hiernach gewinnt das Eherecht des bürgerlichen Gesetzbuchs bereits ein ganz andres Gesicht. Den Ausgangspunkt bilden die §§ 1389 und 1360: „Der Mann hat den ehelichen Aufwand zu tragen" und „der Frau nach Ma߬ gabe seiner Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu gewähren." Z 1363, der mit der Eheschließung das Vermögen der Frau der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterwirft, findet

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/276
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/276>, abgerufen am 23.07.2024.