Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches jür Neubau und Materialergänzuug vou Eisenbahnen im Extraordinarium 113 Mil¬ Diese Dinge können nicht übersehen werden trotz des Triumphes, mit dem Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunom in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Maßgebliches und Unmaßgebliches jür Neubau und Materialergänzuug vou Eisenbahnen im Extraordinarium 113 Mil¬ Diese Dinge können nicht übersehen werden trotz des Triumphes, mit dem Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunom in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227900"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_712" prev="#ID_711"> jür Neubau und Materialergänzuug vou Eisenbahnen im Extraordinarium 113 Mil¬<lb/> lionen stehen, denen der stets wiederkehrende Einnahmeposten: „aus dem freien<lb/> Barbestande der Reichsrentei" diesmal mit 106 Millionen gegenübersteht. Die<lb/> Gctränkcaecise ist gegen die Einnahme von 1896 um 34 Millionen geringer ver¬<lb/> anschlagt, die Zolle um 13 Millionen geringer; der Dienst der Staatsschuld fordert<lb/> 272 Millionen, fast 4 Millionen mehr als 1896. Jene Miuusziffern sind eher<lb/> erfreulich als betrübend, besonders neben den Plusziffern in den wesentlichen Ein¬<lb/> nahmeposten, namentlich den Eisenbahnen, die die Ausfälle decken. Bedenken er¬<lb/> wecken die erhöhten Einnahmeposten aus Steuern und Zahlungen, die vom Land-<lb/> bnu aufgebracht werden sollen, während der Minister selbst in dem Bericht an den<lb/> Kaiser sagt, daß die letzte Ernte nur eben zur Ernährung des Volkes, nicht zur<lb/> Ausfuhr genüge. Bedenklich ist auch der schon erwähnte Posten der Einnahme<lb/> „ans dem freien Barbestande der Neichsreutei." Dieser Barbestaud hat am<lb/> 1. Januar 1897 sogar 246 ^ Millionen betragen; aus deu Erlnuteruugen des<lb/> Ministers muß man annehmen, daß der Bestand als besondre Kasse fortgeführt<lb/> werde, und daß er am 1. Januar 1898 noch weit über' die geforderten 106 Mil¬<lb/> lionen betragen habe. Wo kommen denn solche gewaltigen „freien Barbestände"<lb/> her, und wo gehen sie hin? In der Form, wie sie im russische» Budget jährlich<lb/> auftreten, scheinen sie den Charakter eines Dispositionsfonds des Ministers zu<lb/> haben, aber dieser Fonds ist denn doch etwas gar zu groß bemessen, um nicht dem<lb/> ganzen Budget zu schaden. Ferner fagt der Minister, die schwebende Schuld habe<lb/> im verflossenen Jahre um 122 Millionen Kreditbillcte abgenommen; andrerseits<lb/> weist die „Russ.-Orient. Hand.-Korr." ein Anwachsen der russischen Papierschuld vom<lb/> 1. Januar 1897 bis 1. Januar 1398 etwa um 43 Millionen auf. Der Quell<lb/> dieser Differenz von 165 Millionen ist nicht ohne neue Papieremissioneu ersichtlich.<lb/> Die oben genannte Korrespondenz berechnet weiter die gesamte Staatsschuld Ru߬<lb/> lands zum 1. Januar 1898 auf rund 6 Milliarden Goldrubel, und den Dienst für<lb/> Zins und Tilgung für 1898 auf rund 372 Millionen. Das wären 100 Millionen<lb/> mehr, als das Budget angiebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_713"> Diese Dinge können nicht übersehen werden trotz des Triumphes, mit dem<lb/> der Minister auf die — wohl oder übel — durchgeführte Goldwährung hinweist.<lb/> Der Staatsschatz wies am Schluß von 1897 allerdings 1470 Rubel Gold in<lb/> Barre» und Münze anf, eine imposante Menge. Aber der russische Halbimperial<lb/> wird erst den Beweis zu führen haben, ob er die Kraft hat, zu Hause zu bleiben.<lb/> Er läuft gegenwärtig bereits überall als gleichwertig mit dem Zwanzigfrankstück<lb/> der lateinischen Münzuuivu um. Ob er aber wieder heimkehrt, wird davon ab¬<lb/> hängen, ob das volkswirtschaftliche Gedeihen sich in Wirklichkeit als so gut erweist,<lb/> wie der Minister angiebt, und ob die Handelsbilanz das Gold vom Auslande<lb/> wieder zurückbringt. Die so außerordentlich erfolgreiche äußere Politik unterstützt<lb/> zwar in hohem Maße den Kredit des Staates, vermag aber nicht, die Stenertrast<lb/> des Volkes direkt zu heben. Sie forderte vielmehr noch eben wieder 200 Millionen<lb/> Mark (90 Millionen Rubel) für die Marine, die man nicht, wie etwa die ge¬<lb/> waltigen Kosten der Sibirischen Bahn, zu den produktiven Anlagen rechnen kann.<lb/> Und mögen die Staatsfinanzen noch so glänzend sein, so vermag man ihnen doch<lb/> kein glänzendes Prognostikon zu stelle», solange 90 Prozent des Volkes, wie noch<lb/> jüngst wieder in der russischen Zeitschrift „Leben und Kunst" dargelegt wurde auf<lb/><note type="byline"> ,<lb/> «x. v. d. Br.</note> dem Wege der Verarmung immer weiter schreiten. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Wilh. Grunom in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
jür Neubau und Materialergänzuug vou Eisenbahnen im Extraordinarium 113 Mil¬
lionen stehen, denen der stets wiederkehrende Einnahmeposten: „aus dem freien
Barbestande der Reichsrentei" diesmal mit 106 Millionen gegenübersteht. Die
Gctränkcaecise ist gegen die Einnahme von 1896 um 34 Millionen geringer ver¬
anschlagt, die Zolle um 13 Millionen geringer; der Dienst der Staatsschuld fordert
272 Millionen, fast 4 Millionen mehr als 1896. Jene Miuusziffern sind eher
erfreulich als betrübend, besonders neben den Plusziffern in den wesentlichen Ein¬
nahmeposten, namentlich den Eisenbahnen, die die Ausfälle decken. Bedenken er¬
wecken die erhöhten Einnahmeposten aus Steuern und Zahlungen, die vom Land-
bnu aufgebracht werden sollen, während der Minister selbst in dem Bericht an den
Kaiser sagt, daß die letzte Ernte nur eben zur Ernährung des Volkes, nicht zur
Ausfuhr genüge. Bedenklich ist auch der schon erwähnte Posten der Einnahme
„ans dem freien Barbestande der Neichsreutei." Dieser Barbestaud hat am
1. Januar 1897 sogar 246 ^ Millionen betragen; aus deu Erlnuteruugen des
Ministers muß man annehmen, daß der Bestand als besondre Kasse fortgeführt
werde, und daß er am 1. Januar 1898 noch weit über' die geforderten 106 Mil¬
lionen betragen habe. Wo kommen denn solche gewaltigen „freien Barbestände"
her, und wo gehen sie hin? In der Form, wie sie im russische» Budget jährlich
auftreten, scheinen sie den Charakter eines Dispositionsfonds des Ministers zu
haben, aber dieser Fonds ist denn doch etwas gar zu groß bemessen, um nicht dem
ganzen Budget zu schaden. Ferner fagt der Minister, die schwebende Schuld habe
im verflossenen Jahre um 122 Millionen Kreditbillcte abgenommen; andrerseits
weist die „Russ.-Orient. Hand.-Korr." ein Anwachsen der russischen Papierschuld vom
1. Januar 1897 bis 1. Januar 1398 etwa um 43 Millionen auf. Der Quell
dieser Differenz von 165 Millionen ist nicht ohne neue Papieremissioneu ersichtlich.
Die oben genannte Korrespondenz berechnet weiter die gesamte Staatsschuld Ru߬
lands zum 1. Januar 1898 auf rund 6 Milliarden Goldrubel, und den Dienst für
Zins und Tilgung für 1898 auf rund 372 Millionen. Das wären 100 Millionen
mehr, als das Budget angiebt.
Diese Dinge können nicht übersehen werden trotz des Triumphes, mit dem
der Minister auf die — wohl oder übel — durchgeführte Goldwährung hinweist.
Der Staatsschatz wies am Schluß von 1897 allerdings 1470 Rubel Gold in
Barre» und Münze anf, eine imposante Menge. Aber der russische Halbimperial
wird erst den Beweis zu führen haben, ob er die Kraft hat, zu Hause zu bleiben.
Er läuft gegenwärtig bereits überall als gleichwertig mit dem Zwanzigfrankstück
der lateinischen Münzuuivu um. Ob er aber wieder heimkehrt, wird davon ab¬
hängen, ob das volkswirtschaftliche Gedeihen sich in Wirklichkeit als so gut erweist,
wie der Minister angiebt, und ob die Handelsbilanz das Gold vom Auslande
wieder zurückbringt. Die so außerordentlich erfolgreiche äußere Politik unterstützt
zwar in hohem Maße den Kredit des Staates, vermag aber nicht, die Stenertrast
des Volkes direkt zu heben. Sie forderte vielmehr noch eben wieder 200 Millionen
Mark (90 Millionen Rubel) für die Marine, die man nicht, wie etwa die ge¬
waltigen Kosten der Sibirischen Bahn, zu den produktiven Anlagen rechnen kann.
Und mögen die Staatsfinanzen noch so glänzend sein, so vermag man ihnen doch
kein glänzendes Prognostikon zu stelle», solange 90 Prozent des Volkes, wie noch
jüngst wieder in der russischen Zeitschrift „Leben und Kunst" dargelegt wurde auf
,
«x. v. d. Br. dem Wege der Verarmung immer weiter schreiten.
Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
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