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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

Mannes. -- § 1396: Verfügt die Frau durch Vertrag ohne Einwilligung des
Mannes über eingebrachtes Gut, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von
der Genehmigung des Mannes ab. -- 1398: Ein einseitiges Rechtsgeschäft,-
durch das die Frau ohne Einwilligung des Mannes über eingebrachtes Gut
verfügt, ist unwirksam.

Wer weiter nichts als diese Sätze liest, wird wenig Bedenken tragen, sich
dem "Frauenlandsturm" anzuschließen, jener berühmt gewordnen Flugschrift
an den Reichstag: "Wie ein dunkler Schatten aus den dunkelsten Tagen des
Mittelalters ragt der Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs in die Gegenwart
hinein"; und in der That kann man dabei an der Weisheit des Rechts irre
werden; wozu überhaupt ein gesetzliches Ehegüterrecht, wenn es solche "Knecht¬
schaft" zeitigt? Neuerdings hat ein juristischer Schriftsteller, der in einem
allgemeinverständlichen Werkchen*) die Kenntnis des Frauenrechts verbreiten
und auf diese Weise den maßlosen Angriffen auf das künftige Recht ein Ziel
setzen will, der Frauenwelt den Gedanken des gesetzlichen Güterrechts damit
mundgerecht zu machen versucht, daß die Verwaltungsgemeinschaft dem Durch¬
schnitt der meisten Ehen ("dem Normalmaß der Alltagsfrau im Rechtsleben")
entspreche, daß das Gesetz zur Sicherung der Ehefrau der Verwaltung des
Mannes viele Schranken gesetzt und dadurch "diejenigen Frauen, welche" ihr
Vermögen ohnehin dem Manne anvertrauen würden, besser schütze, als die
völlige Gütertrennung es thun würde; wem das nicht passe, der könne durch
Ehevertrag die Sache anders regeln. "Der Kaufmann, der mit fertigen Roben
handelt, wird sie nach den Normalmaßen der Alltagsfrauen einrichten. Weder
die Zwergin noch die Humm wird eine Robe vorrätig finden. Aber der Kauf¬
mann wird bereit sein, ihr eine nach Maß anzufertigen." Damit ist aber
herzlich wenig bewiesen, da der Kampf der Frauenbewegung ja gerade davon
ausgeht, daß die Frauen über das "Normalmaß der Alltagsfrau" hinaus¬
gewachsen zu sein glauben und die Aufstellung eines neuen Normalmaßes ver¬
langen; auch das gewählte Beispiel ist nicht nur etwas geschmacklos, sondern
geradezu schief; denn aller Erfahrung nach werden die Frauen unter der Herrschaft
des bürgerlichen Gesetzbuchs genau ebenso wenig wie unter dem jetzt geltenden
Rechte vor der Hochzeit daran zweifeln, daß das Kleid des gesetzlichen Ehe¬
rechts ihnen vorzüglich passe; wenn sie es nach bösen Eheerfahrungen erst als
mangelhaft und drückend empfinden, ist es zu spät, und es kann nichts mehr
geändert oder umgetauscht werden, und sie müssen es bis an ihr Lebensende
tragen. Überhaupt ist es ein schwacher Trost und eine schlechte Rechtfertigung
eines Gesetzes, daß man seine Anwendung auch ausschließen könne. Man wird
der Sache tiefer auf den Grund gehen müssen.



") Amtsgerichtsmt Jastrow in Berlin, Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetz¬
buch. Verlag von Liebmnnn, Berlin, ZU>7>
Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

Mannes. — § 1396: Verfügt die Frau durch Vertrag ohne Einwilligung des
Mannes über eingebrachtes Gut, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von
der Genehmigung des Mannes ab. — 1398: Ein einseitiges Rechtsgeschäft,-
durch das die Frau ohne Einwilligung des Mannes über eingebrachtes Gut
verfügt, ist unwirksam.

Wer weiter nichts als diese Sätze liest, wird wenig Bedenken tragen, sich
dem „Frauenlandsturm" anzuschließen, jener berühmt gewordnen Flugschrift
an den Reichstag: „Wie ein dunkler Schatten aus den dunkelsten Tagen des
Mittelalters ragt der Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs in die Gegenwart
hinein"; und in der That kann man dabei an der Weisheit des Rechts irre
werden; wozu überhaupt ein gesetzliches Ehegüterrecht, wenn es solche „Knecht¬
schaft" zeitigt? Neuerdings hat ein juristischer Schriftsteller, der in einem
allgemeinverständlichen Werkchen*) die Kenntnis des Frauenrechts verbreiten
und auf diese Weise den maßlosen Angriffen auf das künftige Recht ein Ziel
setzen will, der Frauenwelt den Gedanken des gesetzlichen Güterrechts damit
mundgerecht zu machen versucht, daß die Verwaltungsgemeinschaft dem Durch¬
schnitt der meisten Ehen („dem Normalmaß der Alltagsfrau im Rechtsleben")
entspreche, daß das Gesetz zur Sicherung der Ehefrau der Verwaltung des
Mannes viele Schranken gesetzt und dadurch „diejenigen Frauen, welche" ihr
Vermögen ohnehin dem Manne anvertrauen würden, besser schütze, als die
völlige Gütertrennung es thun würde; wem das nicht passe, der könne durch
Ehevertrag die Sache anders regeln. „Der Kaufmann, der mit fertigen Roben
handelt, wird sie nach den Normalmaßen der Alltagsfrauen einrichten. Weder
die Zwergin noch die Humm wird eine Robe vorrätig finden. Aber der Kauf¬
mann wird bereit sein, ihr eine nach Maß anzufertigen." Damit ist aber
herzlich wenig bewiesen, da der Kampf der Frauenbewegung ja gerade davon
ausgeht, daß die Frauen über das „Normalmaß der Alltagsfrau" hinaus¬
gewachsen zu sein glauben und die Aufstellung eines neuen Normalmaßes ver¬
langen; auch das gewählte Beispiel ist nicht nur etwas geschmacklos, sondern
geradezu schief; denn aller Erfahrung nach werden die Frauen unter der Herrschaft
des bürgerlichen Gesetzbuchs genau ebenso wenig wie unter dem jetzt geltenden
Rechte vor der Hochzeit daran zweifeln, daß das Kleid des gesetzlichen Ehe¬
rechts ihnen vorzüglich passe; wenn sie es nach bösen Eheerfahrungen erst als
mangelhaft und drückend empfinden, ist es zu spät, und es kann nichts mehr
geändert oder umgetauscht werden, und sie müssen es bis an ihr Lebensende
tragen. Überhaupt ist es ein schwacher Trost und eine schlechte Rechtfertigung
eines Gesetzes, daß man seine Anwendung auch ausschließen könne. Man wird
der Sache tiefer auf den Grund gehen müssen.



") Amtsgerichtsmt Jastrow in Berlin, Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetz¬
buch. Verlag von Liebmnnn, Berlin, ZU>7>
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/212>, abgerufen am 26.06.2024.