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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Schäden der preußischen Verwaltung

Würde ein schnelleres Arbeiten derselben für Tausende und Abertausende von
Interessen bedeuten! Es wäre in Geld gar nicht abzuschätzen und würde dabei
verhältnismäßig sehr wenig kosten." So steht es leider, daß mit diesen Dingen
sich niemand ernstlich beschäftigt. Die Minister und ihre Nöte thun es nicht,
und wenn Abgeordnete im Landtage Verbesserungen der Verwaltung anregen,
so geschieht das meist auch mit so wenig Nachdruck, daß damit nicht viel er¬
reicht wird.

Dieser Aufsatz war schou zum größten Teile geschrieben, als im Ab¬
geordnetenhaus? der Abgeordnete von Vockum-Dolffs bei der zweiten Lesung
des Etats eine Vereinfachung der Schreibgeschäfte durch Benutzung des Tele¬
graphen und Telephons empfahl, da sich diese Einrichtung bei viele" Land-
ratsümtern des Westens durchaus bewährt habe. Nach den Zeitungsberichten
erwiderte der Minister Freiherr von der Recke: "Die Frage ist bereits erwogen,
es haben auch schon Landratsämter, besonders im Westen, auf Staatskosten
Telephonauschlüsse erhalten. Zu weit darf man aber nicht gehen, schon aus
finanziellen Gesichtspunkten." Diese Antwort ist für die Behandlung derartiger
Angelegenheiten so recht charakteristisch: man hat Erwägungen angestellt, zum
Abschluß ist man damit noch nicht gelangt, nennenswerte Kosten dürfen durch
die Neuerung jedenfalls nicht entstehen. Die Sache bleibt natürlich genau so,
wie sie war, und der Abgeordnete ist befriedigt. Nun erwäge man einmal,
welche Kosten denn durch den Anschluß von einigen hundert Landratsämtern
an das Telephonnctz entstehen können. Wenn man die Kosten auf einige
Jahre verteilt, können sie gar nicht in Betracht kommen, jeder Geschäftsmann
würde sie als unvermeidliche Geschäftsunkosten betrachten. In Wahrheit
kommen in erster Linie aber auch gar nicht finanzielle Gründe in Betracht,
wir können das wenigstens nicht glauben, sondern bei der Mehrzahl der Be¬
amten die Abneigung gegen alle Neuerungen und die Furcht vor den damit
verbundnen Unbequemlichkeiten. Es läßt sich ja auch gar nicht leugnen, daß
der Aufenthalt auf einem Bureau sehr viel angenehmer ist, wenn man nicht
zu befürchten braucht, durch das Geräusch des Telephons gestört zu werden.

Mit viel Humor hat kürzlich ebenfalls im Abgeordnetenhause dessen
früherer Präsident, der Wirkliche Geheime Rat von Köller, die Vielschreiberei
der preußischen Behörden gegeißelt. Er sucht den Grund des Übelstauds
hauptsächlich in der Vorbildung der Verwaltungsbeamten, die zu nichts anderm
angelernt würden als zum Dekrctiren und so dahin kommen müßten, dies für
die höchste Aufgabe ihres Amts und die höchste Lebenswonne anzusehen. Man
müßte, sagte Herr von Köller, die jungen Leute in das praktische Leben
schicken, damit sie sehen, wie es dort zugeht; man müßte sie hinschicken, sobald
sie von den Gerichten übernommen werden, zu den königlichen Domänenbeamten,
zu den Oberförstern, den Amtsvorstehern, den Bürgermeistern in den kleinen
Städten, damit sie begreifen, daß der Grundsatz: Huon non sse in avei8, non


Schäden der preußischen Verwaltung

Würde ein schnelleres Arbeiten derselben für Tausende und Abertausende von
Interessen bedeuten! Es wäre in Geld gar nicht abzuschätzen und würde dabei
verhältnismäßig sehr wenig kosten." So steht es leider, daß mit diesen Dingen
sich niemand ernstlich beschäftigt. Die Minister und ihre Nöte thun es nicht,
und wenn Abgeordnete im Landtage Verbesserungen der Verwaltung anregen,
so geschieht das meist auch mit so wenig Nachdruck, daß damit nicht viel er¬
reicht wird.

Dieser Aufsatz war schou zum größten Teile geschrieben, als im Ab¬
geordnetenhaus? der Abgeordnete von Vockum-Dolffs bei der zweiten Lesung
des Etats eine Vereinfachung der Schreibgeschäfte durch Benutzung des Tele¬
graphen und Telephons empfahl, da sich diese Einrichtung bei viele» Land-
ratsümtern des Westens durchaus bewährt habe. Nach den Zeitungsberichten
erwiderte der Minister Freiherr von der Recke: „Die Frage ist bereits erwogen,
es haben auch schon Landratsämter, besonders im Westen, auf Staatskosten
Telephonauschlüsse erhalten. Zu weit darf man aber nicht gehen, schon aus
finanziellen Gesichtspunkten." Diese Antwort ist für die Behandlung derartiger
Angelegenheiten so recht charakteristisch: man hat Erwägungen angestellt, zum
Abschluß ist man damit noch nicht gelangt, nennenswerte Kosten dürfen durch
die Neuerung jedenfalls nicht entstehen. Die Sache bleibt natürlich genau so,
wie sie war, und der Abgeordnete ist befriedigt. Nun erwäge man einmal,
welche Kosten denn durch den Anschluß von einigen hundert Landratsämtern
an das Telephonnctz entstehen können. Wenn man die Kosten auf einige
Jahre verteilt, können sie gar nicht in Betracht kommen, jeder Geschäftsmann
würde sie als unvermeidliche Geschäftsunkosten betrachten. In Wahrheit
kommen in erster Linie aber auch gar nicht finanzielle Gründe in Betracht,
wir können das wenigstens nicht glauben, sondern bei der Mehrzahl der Be¬
amten die Abneigung gegen alle Neuerungen und die Furcht vor den damit
verbundnen Unbequemlichkeiten. Es läßt sich ja auch gar nicht leugnen, daß
der Aufenthalt auf einem Bureau sehr viel angenehmer ist, wenn man nicht
zu befürchten braucht, durch das Geräusch des Telephons gestört zu werden.

Mit viel Humor hat kürzlich ebenfalls im Abgeordnetenhause dessen
früherer Präsident, der Wirkliche Geheime Rat von Köller, die Vielschreiberei
der preußischen Behörden gegeißelt. Er sucht den Grund des Übelstauds
hauptsächlich in der Vorbildung der Verwaltungsbeamten, die zu nichts anderm
angelernt würden als zum Dekrctiren und so dahin kommen müßten, dies für
die höchste Aufgabe ihres Amts und die höchste Lebenswonne anzusehen. Man
müßte, sagte Herr von Köller, die jungen Leute in das praktische Leben
schicken, damit sie sehen, wie es dort zugeht; man müßte sie hinschicken, sobald
sie von den Gerichten übernommen werden, zu den königlichen Domänenbeamten,
zu den Oberförstern, den Amtsvorstehern, den Bürgermeistern in den kleinen
Städten, damit sie begreifen, daß der Grundsatz: Huon non sse in avei8, non


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[0182] Schäden der preußischen Verwaltung Würde ein schnelleres Arbeiten derselben für Tausende und Abertausende von Interessen bedeuten! Es wäre in Geld gar nicht abzuschätzen und würde dabei verhältnismäßig sehr wenig kosten." So steht es leider, daß mit diesen Dingen sich niemand ernstlich beschäftigt. Die Minister und ihre Nöte thun es nicht, und wenn Abgeordnete im Landtage Verbesserungen der Verwaltung anregen, so geschieht das meist auch mit so wenig Nachdruck, daß damit nicht viel er¬ reicht wird. Dieser Aufsatz war schou zum größten Teile geschrieben, als im Ab¬ geordnetenhaus? der Abgeordnete von Vockum-Dolffs bei der zweiten Lesung des Etats eine Vereinfachung der Schreibgeschäfte durch Benutzung des Tele¬ graphen und Telephons empfahl, da sich diese Einrichtung bei viele» Land- ratsümtern des Westens durchaus bewährt habe. Nach den Zeitungsberichten erwiderte der Minister Freiherr von der Recke: „Die Frage ist bereits erwogen, es haben auch schon Landratsämter, besonders im Westen, auf Staatskosten Telephonauschlüsse erhalten. Zu weit darf man aber nicht gehen, schon aus finanziellen Gesichtspunkten." Diese Antwort ist für die Behandlung derartiger Angelegenheiten so recht charakteristisch: man hat Erwägungen angestellt, zum Abschluß ist man damit noch nicht gelangt, nennenswerte Kosten dürfen durch die Neuerung jedenfalls nicht entstehen. Die Sache bleibt natürlich genau so, wie sie war, und der Abgeordnete ist befriedigt. Nun erwäge man einmal, welche Kosten denn durch den Anschluß von einigen hundert Landratsämtern an das Telephonnctz entstehen können. Wenn man die Kosten auf einige Jahre verteilt, können sie gar nicht in Betracht kommen, jeder Geschäftsmann würde sie als unvermeidliche Geschäftsunkosten betrachten. In Wahrheit kommen in erster Linie aber auch gar nicht finanzielle Gründe in Betracht, wir können das wenigstens nicht glauben, sondern bei der Mehrzahl der Be¬ amten die Abneigung gegen alle Neuerungen und die Furcht vor den damit verbundnen Unbequemlichkeiten. Es läßt sich ja auch gar nicht leugnen, daß der Aufenthalt auf einem Bureau sehr viel angenehmer ist, wenn man nicht zu befürchten braucht, durch das Geräusch des Telephons gestört zu werden. Mit viel Humor hat kürzlich ebenfalls im Abgeordnetenhause dessen früherer Präsident, der Wirkliche Geheime Rat von Köller, die Vielschreiberei der preußischen Behörden gegeißelt. Er sucht den Grund des Übelstauds hauptsächlich in der Vorbildung der Verwaltungsbeamten, die zu nichts anderm angelernt würden als zum Dekrctiren und so dahin kommen müßten, dies für die höchste Aufgabe ihres Amts und die höchste Lebenswonne anzusehen. Man müßte, sagte Herr von Köller, die jungen Leute in das praktische Leben schicken, damit sie sehen, wie es dort zugeht; man müßte sie hinschicken, sobald sie von den Gerichten übernommen werden, zu den königlichen Domänenbeamten, zu den Oberförstern, den Amtsvorstehern, den Bürgermeistern in den kleinen Städten, damit sie begreifen, daß der Grundsatz: Huon non sse in avei8, non

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/182>, abgerufen am 28.12.2024.