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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Schäden der preußischen Verwaltung

heilige habe und also auch in dieser Beziehung einen Abschnitt in unsrer Ge¬
schichte bedeute. Da aber in Preußen, so wie es historisch geworden ist, jeder
Impuls vom Königtum ausgeht, so revidiren auch die Oberpräsidenten nicht
mehr die Regierungen, obgleich sie dazu nach der Instruktion vom 31. De¬
zember 1825 ausdrücklich verpflichtet sind, und die Regierungspräsidenten revi¬
diren nicht mehr die ihnen unterstellten Landratsämter und Gemeinden. Die
Aufsicht fehlt, der Ansporn zu energischer Thätigkeit, und damit ist es still
geworden in der Verwaltung. Das muß unbedingt anders werden, aber die
Reform kann nur von oben kommen. Nur die Hohenzollern, die unsre Ver¬
waltung groß gemacht haben, können sie zu neuem Leben erwecken, und darum
muß zunächst der komplizirte Verwaltungsapparat unter die unmittelbare
Aufsicht des Königs gestellt werden. Die Zeiten Friedrich Wilhelms I. und
Friedrichs des Großen werden freilich nicht wiederkehren, aber das ist auch
nicht nötig, es wäre vielleicht nicht einmal ein Glück. Aber jeder Verwaltungs¬
beamte muß wieder wissen, daß seine Verdienste sowohl wie seine Fehler an
Allerhöchster Stelle bekannt sind, daß seine Wirksamkeit nicht nur von wechselnden
Ministern kontrollirt wird. Unser alter Kaiser hat die Armee reorganisirt,
der Enkel, dem es ja an Energie nicht fehlt, würde sich ein sehr großes
Verdienst erwerben, wenn er seine Aufmerksamkeit einmal der Reform der Ver¬
waltung zuwenden wollte.

Die erste und bedeutsamste Aufgabe jeder Verwaltung ist es, die Tüchtigen
von den Untüchtigen zu sondern und auf jeden Platz den richtigen Mann zu
stellen. Warum werden denn nun die Personalien der Offiziere im Militär¬
kabinett unter unmittelbarer Aufsicht des Monarchen bearbeitet, die der Be¬
amten aber in den Ministerien? Allerdings erfolgt ja die Anstellung aller
höhern Beamten durch den König, aber in den weitaus meisten Fällen handelt
es sich dabei doch nur um die Form, die Auswahl trifft thatsächlich der
Minister. Nun haben wir seit dem Sommer 1888 den vierten Minister des
Suram, die durchschnittliche Lebensdauer betrug also noch nicht zweieinhalb
^Jahre, und es kann nicht anders sein, als daß durch einen so häufigen Wechsel
-die Verhältnisse der Verwaltung empfindlich beeinflußt werden. Entweder werden
idie Personalien im Ministerium von einem Beamten bearbeitet, der hierfür
-nicht hoch genug steht, oder die Minister bearbeiten sie selbst, dann ändert sich
-der.Gesichtspunkt, unter dem das geschieht, so oft wie die Minister wechseln.
Von einer Stetigkeit wie in der Armee kann keine Rede sein. Damit hängt
es auch zusammen, daß in den Zivilverwaltungen, wie jeder Eingeweihte weiß,
persönliche Beziehungen eine sehr große Rolle spielen.

Bei diesem Punkte müßte also eine verstündige Reform einsetzen. Die
-Aussicht über die Dienstführung der Beamten und die Vorschläge sür ihre An¬
stellung und Beförderung müßten den wechselnden Ministern entzogen und dem
Zivilkabinett übertragen werden, die Wirkung würde sich sehr bald zeigen.


Schäden der preußischen Verwaltung

heilige habe und also auch in dieser Beziehung einen Abschnitt in unsrer Ge¬
schichte bedeute. Da aber in Preußen, so wie es historisch geworden ist, jeder
Impuls vom Königtum ausgeht, so revidiren auch die Oberpräsidenten nicht
mehr die Regierungen, obgleich sie dazu nach der Instruktion vom 31. De¬
zember 1825 ausdrücklich verpflichtet sind, und die Regierungspräsidenten revi¬
diren nicht mehr die ihnen unterstellten Landratsämter und Gemeinden. Die
Aufsicht fehlt, der Ansporn zu energischer Thätigkeit, und damit ist es still
geworden in der Verwaltung. Das muß unbedingt anders werden, aber die
Reform kann nur von oben kommen. Nur die Hohenzollern, die unsre Ver¬
waltung groß gemacht haben, können sie zu neuem Leben erwecken, und darum
muß zunächst der komplizirte Verwaltungsapparat unter die unmittelbare
Aufsicht des Königs gestellt werden. Die Zeiten Friedrich Wilhelms I. und
Friedrichs des Großen werden freilich nicht wiederkehren, aber das ist auch
nicht nötig, es wäre vielleicht nicht einmal ein Glück. Aber jeder Verwaltungs¬
beamte muß wieder wissen, daß seine Verdienste sowohl wie seine Fehler an
Allerhöchster Stelle bekannt sind, daß seine Wirksamkeit nicht nur von wechselnden
Ministern kontrollirt wird. Unser alter Kaiser hat die Armee reorganisirt,
der Enkel, dem es ja an Energie nicht fehlt, würde sich ein sehr großes
Verdienst erwerben, wenn er seine Aufmerksamkeit einmal der Reform der Ver¬
waltung zuwenden wollte.

Die erste und bedeutsamste Aufgabe jeder Verwaltung ist es, die Tüchtigen
von den Untüchtigen zu sondern und auf jeden Platz den richtigen Mann zu
stellen. Warum werden denn nun die Personalien der Offiziere im Militär¬
kabinett unter unmittelbarer Aufsicht des Monarchen bearbeitet, die der Be¬
amten aber in den Ministerien? Allerdings erfolgt ja die Anstellung aller
höhern Beamten durch den König, aber in den weitaus meisten Fällen handelt
es sich dabei doch nur um die Form, die Auswahl trifft thatsächlich der
Minister. Nun haben wir seit dem Sommer 1888 den vierten Minister des
Suram, die durchschnittliche Lebensdauer betrug also noch nicht zweieinhalb
^Jahre, und es kann nicht anders sein, als daß durch einen so häufigen Wechsel
-die Verhältnisse der Verwaltung empfindlich beeinflußt werden. Entweder werden
idie Personalien im Ministerium von einem Beamten bearbeitet, der hierfür
-nicht hoch genug steht, oder die Minister bearbeiten sie selbst, dann ändert sich
-der.Gesichtspunkt, unter dem das geschieht, so oft wie die Minister wechseln.
Von einer Stetigkeit wie in der Armee kann keine Rede sein. Damit hängt
es auch zusammen, daß in den Zivilverwaltungen, wie jeder Eingeweihte weiß,
persönliche Beziehungen eine sehr große Rolle spielen.

Bei diesem Punkte müßte also eine verstündige Reform einsetzen. Die
-Aussicht über die Dienstführung der Beamten und die Vorschläge sür ihre An¬
stellung und Beförderung müßten den wechselnden Ministern entzogen und dem
Zivilkabinett übertragen werden, die Wirkung würde sich sehr bald zeigen.


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[0174] Schäden der preußischen Verwaltung heilige habe und also auch in dieser Beziehung einen Abschnitt in unsrer Ge¬ schichte bedeute. Da aber in Preußen, so wie es historisch geworden ist, jeder Impuls vom Königtum ausgeht, so revidiren auch die Oberpräsidenten nicht mehr die Regierungen, obgleich sie dazu nach der Instruktion vom 31. De¬ zember 1825 ausdrücklich verpflichtet sind, und die Regierungspräsidenten revi¬ diren nicht mehr die ihnen unterstellten Landratsämter und Gemeinden. Die Aufsicht fehlt, der Ansporn zu energischer Thätigkeit, und damit ist es still geworden in der Verwaltung. Das muß unbedingt anders werden, aber die Reform kann nur von oben kommen. Nur die Hohenzollern, die unsre Ver¬ waltung groß gemacht haben, können sie zu neuem Leben erwecken, und darum muß zunächst der komplizirte Verwaltungsapparat unter die unmittelbare Aufsicht des Königs gestellt werden. Die Zeiten Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs des Großen werden freilich nicht wiederkehren, aber das ist auch nicht nötig, es wäre vielleicht nicht einmal ein Glück. Aber jeder Verwaltungs¬ beamte muß wieder wissen, daß seine Verdienste sowohl wie seine Fehler an Allerhöchster Stelle bekannt sind, daß seine Wirksamkeit nicht nur von wechselnden Ministern kontrollirt wird. Unser alter Kaiser hat die Armee reorganisirt, der Enkel, dem es ja an Energie nicht fehlt, würde sich ein sehr großes Verdienst erwerben, wenn er seine Aufmerksamkeit einmal der Reform der Ver¬ waltung zuwenden wollte. Die erste und bedeutsamste Aufgabe jeder Verwaltung ist es, die Tüchtigen von den Untüchtigen zu sondern und auf jeden Platz den richtigen Mann zu stellen. Warum werden denn nun die Personalien der Offiziere im Militär¬ kabinett unter unmittelbarer Aufsicht des Monarchen bearbeitet, die der Be¬ amten aber in den Ministerien? Allerdings erfolgt ja die Anstellung aller höhern Beamten durch den König, aber in den weitaus meisten Fällen handelt es sich dabei doch nur um die Form, die Auswahl trifft thatsächlich der Minister. Nun haben wir seit dem Sommer 1888 den vierten Minister des Suram, die durchschnittliche Lebensdauer betrug also noch nicht zweieinhalb ^Jahre, und es kann nicht anders sein, als daß durch einen so häufigen Wechsel -die Verhältnisse der Verwaltung empfindlich beeinflußt werden. Entweder werden idie Personalien im Ministerium von einem Beamten bearbeitet, der hierfür -nicht hoch genug steht, oder die Minister bearbeiten sie selbst, dann ändert sich -der.Gesichtspunkt, unter dem das geschieht, so oft wie die Minister wechseln. Von einer Stetigkeit wie in der Armee kann keine Rede sein. Damit hängt es auch zusammen, daß in den Zivilverwaltungen, wie jeder Eingeweihte weiß, persönliche Beziehungen eine sehr große Rolle spielen. Bei diesem Punkte müßte also eine verstündige Reform einsetzen. Die -Aussicht über die Dienstführung der Beamten und die Vorschläge sür ihre An¬ stellung und Beförderung müßten den wechselnden Ministern entzogen und dem Zivilkabinett übertragen werden, die Wirkung würde sich sehr bald zeigen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/174>, abgerufen am 23.07.2024.