Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.Joseph "Lhamberlain einmal zwar versuchte er eine Ausfüllung der Kluft; doch die Mühe war ver¬ Die Whigs empfanden die Trennung weniger als der radikale Chamberlain. Die Neuwahlen, die auf den Fall der Homerulevorlage folgten, hatten Joseph «Lhamberlain einmal zwar versuchte er eine Ausfüllung der Kluft; doch die Mühe war ver¬ Die Whigs empfanden die Trennung weniger als der radikale Chamberlain. Die Neuwahlen, die auf den Fall der Homerulevorlage folgten, hatten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227807"/> <fw type="header" place="top"> Joseph «Lhamberlain</fw><lb/> <p xml:id="ID_457" prev="#ID_456"> einmal zwar versuchte er eine Ausfüllung der Kluft; doch die Mühe war ver¬<lb/> geblich, und er hätte den Versuch nicht unternommen, wenn er staatsmännischen<lb/> Blick gehabt hatte. Wohl hätte Gladstone mit Freuden ein fettes Kalb, eine<lb/> ganze Herde fetter Kälber geschlachtet, um die Rückkehr des Verlornen Sohnes<lb/> zu feiern — von seinem Homernleprogramm konnte, durfte er nicht ablassen,<lb/> aus Furcht vor dem irischen Shylock.</p><lb/> <p xml:id="ID_458"> Die Whigs empfanden die Trennung weniger als der radikale Chamberlain.<lb/> Ihnen war die Neigung Gladstones zu den Radikalen schon längst unheimlich<lb/> gewesen, und sie hatten im Grunde mehr mit den gemäßigten Tories gemein<lb/> als mit den himmelstürmenden Titanen des Alten von Hawarden. Für Cham¬<lb/> berlain lag die Sache anders. Ihm war schon ein Mann wie Hartington zu<lb/> konservativ, und keiner von beiden hatte für den andern viel Liebe übrig.<lb/> Wenn also Chamberlain sich auch Hartingtons Anhängern, den liberalen<lb/> Unionisten zugesellte, in Wahrheit war er ein Wilder, bis er sich mit seiner<lb/> Thatkraft und Zähigkeit eine herrschende Stellung in dem neuen Feldlager<lb/> erzwungen hatte. Für eine Natur wie die seiue ist eben Herrschaft ein Lebens¬<lb/> bedürfnis. Lieber steht er allein als untergeordnet. Als er zuerst ins Par¬<lb/> lament trat, war sein Ziel, die Radikalen zu führen. Er setzte es durch.<lb/> Darm wollte er die Liberalen leiten, und er unterwarf Gladstone seinem Willen.<lb/> Jetzt verwies ihn das Schicksal auf die sezessionistischen Whigs; nach wenigen<lb/> Jahren, als Hartington Herzog von Devonshire wurde, wählten sie ihn zu<lb/> ihrem Haupte, und jetzt — nun, es sollte uns nicht wundern, wenn er von<lb/> den Konservativen zum Nationalheiligen erklärt und seine Bildsäule mit<lb/> einem mächtigen Heiligenschein in der Westminsterabtei aufgestellt würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_459" next="#ID_460"> Die Neuwahlen, die auf den Fall der Homerulevorlage folgten, hatten<lb/> ein ebenso sonderbares Ergebnis wie die von 1885. Gladstones Anhang<lb/> schmolz zusammen, und Salisburys Mannen erschienen in verstärkter Zahl;<lb/> aber so wenig wie früher die Liberalen eine absolute Mehrheit erhalten hatten,<lb/> so wenig jetzt die Konservativen. Nur lag der Ausschlag diesmal nicht in<lb/> den Händen Parnells, sondern bei den liberalen Unionisten, deren fünfundsiebzig<lb/> Stimmen die Lage beherrschten. Eine arbeitfähige Regierung war daher nur<lb/> möglich durch ihre Unterstützung. Nachdem Salisburys Anerbieten, zu Gunsten<lb/> Hartingtons zurückzustehen, abgelehnt worden war, kam eine Einigung zustande<lb/> auf der Grundlage, daß die Konservativen das Kabinett bildeten, während die<lb/> liberalen Unionisten sich mit der Stellung nichtamtlicher, aber darum nicht<lb/> weniger einflußreicher Berater begnügten. Nur Goschen trat später in die<lb/> Stelle Nandolph Churchills im Kabinett. Wie die Dinge lagen, war dieser<lb/> Ausgleich sicher der beste. Das Ministerium würde, was es an Talenten<lb/> gewann — und die besten Köpfe der Liberalen hatten Gladstone verlassen —,<lb/> an Einheitlichkeit eingebüßt haben, und innere Kämpfe hätten nicht ausbleiben<lb/> können in einer Verwaltung, die aus Konservativen, Liberalen und Radikalen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0171]
Joseph «Lhamberlain
einmal zwar versuchte er eine Ausfüllung der Kluft; doch die Mühe war ver¬
geblich, und er hätte den Versuch nicht unternommen, wenn er staatsmännischen
Blick gehabt hatte. Wohl hätte Gladstone mit Freuden ein fettes Kalb, eine
ganze Herde fetter Kälber geschlachtet, um die Rückkehr des Verlornen Sohnes
zu feiern — von seinem Homernleprogramm konnte, durfte er nicht ablassen,
aus Furcht vor dem irischen Shylock.
Die Whigs empfanden die Trennung weniger als der radikale Chamberlain.
Ihnen war die Neigung Gladstones zu den Radikalen schon längst unheimlich
gewesen, und sie hatten im Grunde mehr mit den gemäßigten Tories gemein
als mit den himmelstürmenden Titanen des Alten von Hawarden. Für Cham¬
berlain lag die Sache anders. Ihm war schon ein Mann wie Hartington zu
konservativ, und keiner von beiden hatte für den andern viel Liebe übrig.
Wenn also Chamberlain sich auch Hartingtons Anhängern, den liberalen
Unionisten zugesellte, in Wahrheit war er ein Wilder, bis er sich mit seiner
Thatkraft und Zähigkeit eine herrschende Stellung in dem neuen Feldlager
erzwungen hatte. Für eine Natur wie die seiue ist eben Herrschaft ein Lebens¬
bedürfnis. Lieber steht er allein als untergeordnet. Als er zuerst ins Par¬
lament trat, war sein Ziel, die Radikalen zu führen. Er setzte es durch.
Darm wollte er die Liberalen leiten, und er unterwarf Gladstone seinem Willen.
Jetzt verwies ihn das Schicksal auf die sezessionistischen Whigs; nach wenigen
Jahren, als Hartington Herzog von Devonshire wurde, wählten sie ihn zu
ihrem Haupte, und jetzt — nun, es sollte uns nicht wundern, wenn er von
den Konservativen zum Nationalheiligen erklärt und seine Bildsäule mit
einem mächtigen Heiligenschein in der Westminsterabtei aufgestellt würde.
Die Neuwahlen, die auf den Fall der Homerulevorlage folgten, hatten
ein ebenso sonderbares Ergebnis wie die von 1885. Gladstones Anhang
schmolz zusammen, und Salisburys Mannen erschienen in verstärkter Zahl;
aber so wenig wie früher die Liberalen eine absolute Mehrheit erhalten hatten,
so wenig jetzt die Konservativen. Nur lag der Ausschlag diesmal nicht in
den Händen Parnells, sondern bei den liberalen Unionisten, deren fünfundsiebzig
Stimmen die Lage beherrschten. Eine arbeitfähige Regierung war daher nur
möglich durch ihre Unterstützung. Nachdem Salisburys Anerbieten, zu Gunsten
Hartingtons zurückzustehen, abgelehnt worden war, kam eine Einigung zustande
auf der Grundlage, daß die Konservativen das Kabinett bildeten, während die
liberalen Unionisten sich mit der Stellung nichtamtlicher, aber darum nicht
weniger einflußreicher Berater begnügten. Nur Goschen trat später in die
Stelle Nandolph Churchills im Kabinett. Wie die Dinge lagen, war dieser
Ausgleich sicher der beste. Das Ministerium würde, was es an Talenten
gewann — und die besten Köpfe der Liberalen hatten Gladstone verlassen —,
an Einheitlichkeit eingebüßt haben, und innere Kämpfe hätten nicht ausbleiben
können in einer Verwaltung, die aus Konservativen, Liberalen und Radikalen
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