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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Joseph "Lhamberlain

aus dem Gladstone nicht wieder herausgekonnt Hütte; aber die Mordthat hatte
eine mächtige Barrikade englischen Zornes über den Weg geworfen, deren
Hinwegräumung jahrelange Arbeit erforderte.

Auch für Chamberlain bedeutete die heimtückische That eine schwere Nieder¬
lage. Die Thatsachen hatten wieder dem Nebenbuhler recht gegeben, der
meinte, Gewalt müsse mit Gewalt bekämpft werden. Der Staatsmann Cham¬
berlain hatte sich kurzsichtig erwiesen, doch den Politiker rührte das nicht.
Politiker sind dickhäutig. Der feinfühlige Forster mochte aus dem Kabinett
ausscheiden, weil er seine Pläne hinter seinem Rücken von einem Amtsgenossen
durchkreuzt sah, Chamberlain blieb, trotzdem daß das Kabinett sich zu verschärften
Ausnahmegesetzen genötigt sah und sie bis zum Ende aufrecht erhielt. Für den
Nest von Gladstones Amtszeit hielt Chamberlain seine Finger von dem heißen
irischen Schmortopf und begnügte sich mit der bescheidnern, aber nützlichem
Thätigkeit im Handelsamte, wo er seine Befähigung und Erfahrung, wie an¬
erkannt werden muß, zu mehreren praktischen Gesetzen verwertete.

Im Juni 1885 wurde Gladstone auf kurze Zeit von Scilisbury abgelöst.
Die allgemeinen Wahlen, die nötig waren, gaben den Konservativen nur 249
Sitze, und die Liberalen kehrten als eine Schar von 335 zurück, genau die
Hälfte des Hauses. Das Zünglein der Wage lag also ausschließlich in der
Hand der 86 Parnelliten. Zahlen beweisen nicht nur, sie bekehren auch, und
da die Konservativen es ablehnten, vor Parnell zu Kreuze zu kriechen, so
beugte Gladstone sein Haupt vor dem ungekrönten König von Irland, den er
einst hinter Schloß und Riegel gesetzt hatte, der aber jetzt den Schlüssel zur
Macht in seiner Tasche führte. Als das neue Parlament zusammentrat, wußte
alle Welt, daß Gladstone den Iren weitgehende Zugestündnisse machen würde,
und bei der Abstimmung, die Scilisbury aus dem Amte trieb, stimmten die
Iren an der Seite Gladstones; aber eine Anzahl der Liberalen enthielt sich
der Abstimmung, und achtzehn warfen ihre Stimmen sogar gegen ihren alten
Führer. Die Warnung war deutlich genug. Morleys Befürchtung, daß die
Gewährung von Homerule eine große Partei zerstören würde, begann schon
wahr zu werden. Doch <zuöin clcmZ vult xeräers xrius et<zahlte>g,t,

Chamberlain trägt einen großen Teil der Verantwortung für die ver¬
hängnisvolle Schwenkung Gladstones. Der Staatsmann Chamberlain geriet
wieder in die Brüche. Er hatte sich seit langem bereit erklärt, den Iren
Homerule zu gewähren, soweit es sich mit der Einheit des Reichs vereinigen
ließ. Nach seinem Dafürhalten wäre alle Sehnsucht der Iren damit befriedigt,
die irische Frage aus der Welt geschafft und Raum für soziale Arbeit ge¬
schaffen worden. Nur das eine übersah er dabei, daß seit 1882 mehrere Jahre
verflossen waren, und daß Parnell durch die Thaten der Fenier gewitzigt war.
Parnell durfte nur Zugeständnisse annehmen, die auch den Unversöhnlichen
wenigstens als eine zur Zeit genügende Abschlagzahlung gelten konnten.


Grenzboten II 1898 21
Joseph «Lhamberlain

aus dem Gladstone nicht wieder herausgekonnt Hütte; aber die Mordthat hatte
eine mächtige Barrikade englischen Zornes über den Weg geworfen, deren
Hinwegräumung jahrelange Arbeit erforderte.

Auch für Chamberlain bedeutete die heimtückische That eine schwere Nieder¬
lage. Die Thatsachen hatten wieder dem Nebenbuhler recht gegeben, der
meinte, Gewalt müsse mit Gewalt bekämpft werden. Der Staatsmann Cham¬
berlain hatte sich kurzsichtig erwiesen, doch den Politiker rührte das nicht.
Politiker sind dickhäutig. Der feinfühlige Forster mochte aus dem Kabinett
ausscheiden, weil er seine Pläne hinter seinem Rücken von einem Amtsgenossen
durchkreuzt sah, Chamberlain blieb, trotzdem daß das Kabinett sich zu verschärften
Ausnahmegesetzen genötigt sah und sie bis zum Ende aufrecht erhielt. Für den
Nest von Gladstones Amtszeit hielt Chamberlain seine Finger von dem heißen
irischen Schmortopf und begnügte sich mit der bescheidnern, aber nützlichem
Thätigkeit im Handelsamte, wo er seine Befähigung und Erfahrung, wie an¬
erkannt werden muß, zu mehreren praktischen Gesetzen verwertete.

Im Juni 1885 wurde Gladstone auf kurze Zeit von Scilisbury abgelöst.
Die allgemeinen Wahlen, die nötig waren, gaben den Konservativen nur 249
Sitze, und die Liberalen kehrten als eine Schar von 335 zurück, genau die
Hälfte des Hauses. Das Zünglein der Wage lag also ausschließlich in der
Hand der 86 Parnelliten. Zahlen beweisen nicht nur, sie bekehren auch, und
da die Konservativen es ablehnten, vor Parnell zu Kreuze zu kriechen, so
beugte Gladstone sein Haupt vor dem ungekrönten König von Irland, den er
einst hinter Schloß und Riegel gesetzt hatte, der aber jetzt den Schlüssel zur
Macht in seiner Tasche führte. Als das neue Parlament zusammentrat, wußte
alle Welt, daß Gladstone den Iren weitgehende Zugestündnisse machen würde,
und bei der Abstimmung, die Scilisbury aus dem Amte trieb, stimmten die
Iren an der Seite Gladstones; aber eine Anzahl der Liberalen enthielt sich
der Abstimmung, und achtzehn warfen ihre Stimmen sogar gegen ihren alten
Führer. Die Warnung war deutlich genug. Morleys Befürchtung, daß die
Gewährung von Homerule eine große Partei zerstören würde, begann schon
wahr zu werden. Doch <zuöin clcmZ vult xeräers xrius et<zahlte>g,t,

Chamberlain trägt einen großen Teil der Verantwortung für die ver¬
hängnisvolle Schwenkung Gladstones. Der Staatsmann Chamberlain geriet
wieder in die Brüche. Er hatte sich seit langem bereit erklärt, den Iren
Homerule zu gewähren, soweit es sich mit der Einheit des Reichs vereinigen
ließ. Nach seinem Dafürhalten wäre alle Sehnsucht der Iren damit befriedigt,
die irische Frage aus der Welt geschafft und Raum für soziale Arbeit ge¬
schaffen worden. Nur das eine übersah er dabei, daß seit 1882 mehrere Jahre
verflossen waren, und daß Parnell durch die Thaten der Fenier gewitzigt war.
Parnell durfte nur Zugeständnisse annehmen, die auch den Unversöhnlichen
wenigstens als eine zur Zeit genügende Abschlagzahlung gelten konnten.


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[0169] Joseph «Lhamberlain aus dem Gladstone nicht wieder herausgekonnt Hütte; aber die Mordthat hatte eine mächtige Barrikade englischen Zornes über den Weg geworfen, deren Hinwegräumung jahrelange Arbeit erforderte. Auch für Chamberlain bedeutete die heimtückische That eine schwere Nieder¬ lage. Die Thatsachen hatten wieder dem Nebenbuhler recht gegeben, der meinte, Gewalt müsse mit Gewalt bekämpft werden. Der Staatsmann Cham¬ berlain hatte sich kurzsichtig erwiesen, doch den Politiker rührte das nicht. Politiker sind dickhäutig. Der feinfühlige Forster mochte aus dem Kabinett ausscheiden, weil er seine Pläne hinter seinem Rücken von einem Amtsgenossen durchkreuzt sah, Chamberlain blieb, trotzdem daß das Kabinett sich zu verschärften Ausnahmegesetzen genötigt sah und sie bis zum Ende aufrecht erhielt. Für den Nest von Gladstones Amtszeit hielt Chamberlain seine Finger von dem heißen irischen Schmortopf und begnügte sich mit der bescheidnern, aber nützlichem Thätigkeit im Handelsamte, wo er seine Befähigung und Erfahrung, wie an¬ erkannt werden muß, zu mehreren praktischen Gesetzen verwertete. Im Juni 1885 wurde Gladstone auf kurze Zeit von Scilisbury abgelöst. Die allgemeinen Wahlen, die nötig waren, gaben den Konservativen nur 249 Sitze, und die Liberalen kehrten als eine Schar von 335 zurück, genau die Hälfte des Hauses. Das Zünglein der Wage lag also ausschließlich in der Hand der 86 Parnelliten. Zahlen beweisen nicht nur, sie bekehren auch, und da die Konservativen es ablehnten, vor Parnell zu Kreuze zu kriechen, so beugte Gladstone sein Haupt vor dem ungekrönten König von Irland, den er einst hinter Schloß und Riegel gesetzt hatte, der aber jetzt den Schlüssel zur Macht in seiner Tasche führte. Als das neue Parlament zusammentrat, wußte alle Welt, daß Gladstone den Iren weitgehende Zugestündnisse machen würde, und bei der Abstimmung, die Scilisbury aus dem Amte trieb, stimmten die Iren an der Seite Gladstones; aber eine Anzahl der Liberalen enthielt sich der Abstimmung, und achtzehn warfen ihre Stimmen sogar gegen ihren alten Führer. Die Warnung war deutlich genug. Morleys Befürchtung, daß die Gewährung von Homerule eine große Partei zerstören würde, begann schon wahr zu werden. Doch <zuöin clcmZ vult xeräers xrius et<zahlte>g,t, Chamberlain trägt einen großen Teil der Verantwortung für die ver¬ hängnisvolle Schwenkung Gladstones. Der Staatsmann Chamberlain geriet wieder in die Brüche. Er hatte sich seit langem bereit erklärt, den Iren Homerule zu gewähren, soweit es sich mit der Einheit des Reichs vereinigen ließ. Nach seinem Dafürhalten wäre alle Sehnsucht der Iren damit befriedigt, die irische Frage aus der Welt geschafft und Raum für soziale Arbeit ge¬ schaffen worden. Nur das eine übersah er dabei, daß seit 1882 mehrere Jahre verflossen waren, und daß Parnell durch die Thaten der Fenier gewitzigt war. Parnell durfte nur Zugeständnisse annehmen, die auch den Unversöhnlichen wenigstens als eine zur Zeit genügende Abschlagzahlung gelten konnten. Grenzboten II 1898 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/169>, abgerufen am 23.07.2024.