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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396

von dem Teufel Bitru, der die Gestalt einer Amme angenommen habe, gesäugt
worden. Sie wird in satanischem Geist von ihrem Pflegevater, dem pro¬
testantischen Pfarrer Phileas Wälder (ihr wahrer Vater war ein Dämon) er¬
zogen und entwickelt sich zu einer großen und fanatischen Verbreiterin des
Satansreiches, von dem nun wieder die sonderbarsten Einzelheiten erzählt
werden. Weiter erscheint Bitru als der eigentliche Vater der Sophie und
dann auch als ihr Gatte, der in einer Logensitzung in Rom auftritt, worüber
Diana Vaughan durch einen Teilnehmer an der Sitzung das Protokoll über¬
reicht wird. Nach dem Protokoll hat Bitru in der Sitzung die Sophie Wälder
als Urgroßmutter des menschgewordnen Antichrists mit Angabe weiterer Einzel¬
heiten anerkannt. Die Richtigkeit des Protokolls und der Unterschrift des
Teufels Bitru wurde von katholischen Geistlichen mit größtem Eifer verteidigt.

Neben diesen Abenteuern betrieb Taxil in Prosa und Versen die Ver¬
herrlichung der Jungfrau von Orleans, die feine und der Miß Vaughan Be¬
kehrung herbeigeführt habe. Er hatte sich vorgenommen, ihre Heiligsprechung
durch den Papst durchzusetzen, obwohl Johanna bekanntlich von einem katho¬
lischen Bischof wegen Verkehrs mit dem Teufel zum Feuertode verurteilt worden
ist. Miß Vaughan beschenkt die katholische Welt mit einer Menge von Schriften,
darunter ihren 763 Seiten starken Memoiren, die alle jenen nicht bloß anti¬
katholischen, sondern antichristlichen Geist atmen und trotzdem in der katho¬
lischen Welt Glauben und Verehrung bis hinauf zum Stuhle Petri fanden. Die
fingirte Verfasserin stand in fortdauernder Korrespondenz mit zahlreichen katho¬
lischen Geistlichen und Bischöfen und erhielt von Leuten wie dem Kardinalvikar
Pcirochi in Rom unterm 16. Dezember 1895 ermutigende und ehrende Schreiben,
ja vom Papste Leo XIII. selbst den Dank für ihr Thun und den päpstlichen
besondern Segen. Parvadi erklärt, ihre Memoiren seien von brennendem
Interesse. Der Generalsekretär des Papstes, Verrochi, versichert ihr im Auf¬
trage des Papstes in einem Schreiben vom 27. Mai 1396, daß Se. Heiligkeit
mit großem Vergnügen die "Eucharistische" Novene gelesen habe -- eine der
persistirenden Schriften der angeblichen Miß. Am 11. Juli 1896 fordert
Signore Sarti, Privatsekretür Leos, die Miß in warmen Worten schriftlich zu
weiter" Enthüllungen über die gottlose Sekte der Freimaurer auf. empfiehlt
sich ihren Gebeten und versichert sie seiner Hochachtung. Bald darauf ergoß
sich die LiviltÄ "üg-ttolio", das Hauptorgan der Jesuiten, in Lobpreisungen der
Enthüllungen Taxils und seiner Genossen: sie hätten "Ströme von Licht über
die luciferische Freimaurerei verbreitet, seien unerschöpflich in ihren kostbaren
Veröffentlichungen, die hinsichtlich der Genauigkeit und Nützlichkeit nicht ihres¬
gleichen haben."

Nachdem der Feldzug gegen die Freimaurer mit diesen Führern und
Waffen zwölf Jahre lang gedauert hatte, glaubte man in Rom offen gegen
den verhaßten Orden vorgehen und ihn mit einem Keulenschläge niederwerfen


Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396

von dem Teufel Bitru, der die Gestalt einer Amme angenommen habe, gesäugt
worden. Sie wird in satanischem Geist von ihrem Pflegevater, dem pro¬
testantischen Pfarrer Phileas Wälder (ihr wahrer Vater war ein Dämon) er¬
zogen und entwickelt sich zu einer großen und fanatischen Verbreiterin des
Satansreiches, von dem nun wieder die sonderbarsten Einzelheiten erzählt
werden. Weiter erscheint Bitru als der eigentliche Vater der Sophie und
dann auch als ihr Gatte, der in einer Logensitzung in Rom auftritt, worüber
Diana Vaughan durch einen Teilnehmer an der Sitzung das Protokoll über¬
reicht wird. Nach dem Protokoll hat Bitru in der Sitzung die Sophie Wälder
als Urgroßmutter des menschgewordnen Antichrists mit Angabe weiterer Einzel¬
heiten anerkannt. Die Richtigkeit des Protokolls und der Unterschrift des
Teufels Bitru wurde von katholischen Geistlichen mit größtem Eifer verteidigt.

Neben diesen Abenteuern betrieb Taxil in Prosa und Versen die Ver¬
herrlichung der Jungfrau von Orleans, die feine und der Miß Vaughan Be¬
kehrung herbeigeführt habe. Er hatte sich vorgenommen, ihre Heiligsprechung
durch den Papst durchzusetzen, obwohl Johanna bekanntlich von einem katho¬
lischen Bischof wegen Verkehrs mit dem Teufel zum Feuertode verurteilt worden
ist. Miß Vaughan beschenkt die katholische Welt mit einer Menge von Schriften,
darunter ihren 763 Seiten starken Memoiren, die alle jenen nicht bloß anti¬
katholischen, sondern antichristlichen Geist atmen und trotzdem in der katho¬
lischen Welt Glauben und Verehrung bis hinauf zum Stuhle Petri fanden. Die
fingirte Verfasserin stand in fortdauernder Korrespondenz mit zahlreichen katho¬
lischen Geistlichen und Bischöfen und erhielt von Leuten wie dem Kardinalvikar
Pcirochi in Rom unterm 16. Dezember 1895 ermutigende und ehrende Schreiben,
ja vom Papste Leo XIII. selbst den Dank für ihr Thun und den päpstlichen
besondern Segen. Parvadi erklärt, ihre Memoiren seien von brennendem
Interesse. Der Generalsekretär des Papstes, Verrochi, versichert ihr im Auf¬
trage des Papstes in einem Schreiben vom 27. Mai 1396, daß Se. Heiligkeit
mit großem Vergnügen die „Eucharistische" Novene gelesen habe — eine der
persistirenden Schriften der angeblichen Miß. Am 11. Juli 1896 fordert
Signore Sarti, Privatsekretür Leos, die Miß in warmen Worten schriftlich zu
weiter« Enthüllungen über die gottlose Sekte der Freimaurer auf. empfiehlt
sich ihren Gebeten und versichert sie seiner Hochachtung. Bald darauf ergoß
sich die LiviltÄ «üg-ttolio», das Hauptorgan der Jesuiten, in Lobpreisungen der
Enthüllungen Taxils und seiner Genossen: sie hätten „Ströme von Licht über
die luciferische Freimaurerei verbreitet, seien unerschöpflich in ihren kostbaren
Veröffentlichungen, die hinsichtlich der Genauigkeit und Nützlichkeit nicht ihres¬
gleichen haben."

Nachdem der Feldzug gegen die Freimaurer mit diesen Führern und
Waffen zwölf Jahre lang gedauert hatte, glaubte man in Rom offen gegen
den verhaßten Orden vorgehen und ihn mit einem Keulenschläge niederwerfen


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[0598] Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Jahre ^396 von dem Teufel Bitru, der die Gestalt einer Amme angenommen habe, gesäugt worden. Sie wird in satanischem Geist von ihrem Pflegevater, dem pro¬ testantischen Pfarrer Phileas Wälder (ihr wahrer Vater war ein Dämon) er¬ zogen und entwickelt sich zu einer großen und fanatischen Verbreiterin des Satansreiches, von dem nun wieder die sonderbarsten Einzelheiten erzählt werden. Weiter erscheint Bitru als der eigentliche Vater der Sophie und dann auch als ihr Gatte, der in einer Logensitzung in Rom auftritt, worüber Diana Vaughan durch einen Teilnehmer an der Sitzung das Protokoll über¬ reicht wird. Nach dem Protokoll hat Bitru in der Sitzung die Sophie Wälder als Urgroßmutter des menschgewordnen Antichrists mit Angabe weiterer Einzel¬ heiten anerkannt. Die Richtigkeit des Protokolls und der Unterschrift des Teufels Bitru wurde von katholischen Geistlichen mit größtem Eifer verteidigt. Neben diesen Abenteuern betrieb Taxil in Prosa und Versen die Ver¬ herrlichung der Jungfrau von Orleans, die feine und der Miß Vaughan Be¬ kehrung herbeigeführt habe. Er hatte sich vorgenommen, ihre Heiligsprechung durch den Papst durchzusetzen, obwohl Johanna bekanntlich von einem katho¬ lischen Bischof wegen Verkehrs mit dem Teufel zum Feuertode verurteilt worden ist. Miß Vaughan beschenkt die katholische Welt mit einer Menge von Schriften, darunter ihren 763 Seiten starken Memoiren, die alle jenen nicht bloß anti¬ katholischen, sondern antichristlichen Geist atmen und trotzdem in der katho¬ lischen Welt Glauben und Verehrung bis hinauf zum Stuhle Petri fanden. Die fingirte Verfasserin stand in fortdauernder Korrespondenz mit zahlreichen katho¬ lischen Geistlichen und Bischöfen und erhielt von Leuten wie dem Kardinalvikar Pcirochi in Rom unterm 16. Dezember 1895 ermutigende und ehrende Schreiben, ja vom Papste Leo XIII. selbst den Dank für ihr Thun und den päpstlichen besondern Segen. Parvadi erklärt, ihre Memoiren seien von brennendem Interesse. Der Generalsekretär des Papstes, Verrochi, versichert ihr im Auf¬ trage des Papstes in einem Schreiben vom 27. Mai 1396, daß Se. Heiligkeit mit großem Vergnügen die „Eucharistische" Novene gelesen habe — eine der persistirenden Schriften der angeblichen Miß. Am 11. Juli 1896 fordert Signore Sarti, Privatsekretür Leos, die Miß in warmen Worten schriftlich zu weiter« Enthüllungen über die gottlose Sekte der Freimaurer auf. empfiehlt sich ihren Gebeten und versichert sie seiner Hochachtung. Bald darauf ergoß sich die LiviltÄ «üg-ttolio», das Hauptorgan der Jesuiten, in Lobpreisungen der Enthüllungen Taxils und seiner Genossen: sie hätten „Ströme von Licht über die luciferische Freimaurerei verbreitet, seien unerschöpflich in ihren kostbaren Veröffentlichungen, die hinsichtlich der Genauigkeit und Nützlichkeit nicht ihres¬ gleichen haben." Nachdem der Feldzug gegen die Freimaurer mit diesen Führern und Waffen zwölf Jahre lang gedauert hatte, glaubte man in Rom offen gegen den verhaßten Orden vorgehen und ihn mit einem Keulenschläge niederwerfen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/598>, abgerufen am 09.01.2025.