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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Keo Taxil und der Kongreß von Trient im )ahre ^et<)b

Sie mich nur gewähren! Das wird schon gehe". Und es ging in der That.
Mir fiel im allgemeinen die Aufgabe zu, die Geschichte zuzurichten. Leo Taxil
oder ein andrer gab mir irgend eine" Stoff, der im Grunde auf Wahrheit
beruhen mochte. Ich übernahm es, die Sache nach dem Muster Jules
Verres aufzuputzen."

Hacks war Arzt und hatte weite Reisen gemacht. Das kam ihm bei den
Fabeleien zu statten, die er aus allen Weltteilen auftischte. Er hatte in
Charleston den Hohenpriester des Palladismus oder Satansknlts, Albert Pike,
kennen gelernt; er hatte alle berühmten Freimaurer der Welt kennen gelernt
und war in die höchsten Ämter des Palladismus eingeweiht worden; er hatte
in den englischen Kolonien die Engländer als verkappte Lueiferianer kennen
gelernt: ihre Weiber und Mädchen sind "Ausbünde der Gottlosigkeit und des
Lasters, absolut infernal und Teufelinneu." In einer Kirche in Singapore
hat er Embleme und Zubehör des Satankults gesehn. Zu Gibraltar hat
er Höhlen gefunden, wo die Teufel Stoffe für Epidemien bereiten unter
Leitung des Direktors Tubaltmn. Der Satanspapst Pike steht durch ein
teuflisches Telephon von Washington aus mit den großen Direktoren des
Kultus in Europa und in Amerika in Verbindung- Pike kann mit Hilfe eines
magischen Armbandes den Lucifer jederzeit zitiren. Er macht mit Lucifer
große Reisen durch die Luft. Sophie Wälder legt sich eine Schlange um den
Hals und küßt sie, worauf der Schwanz der Schlange auf ihren Rücken die
Antwort auf Fragen schreibt, die vorher mit einem Zauberring auf die Brust
der Wälder gezeichnet worden. Auch in London wird durch Teufelei ein
Tisch zur Zimmerdecke gehoben und in ein Krokodil verwandelt, das sich ans
Klavier setzt, fremdartige Melodien spielt und die Hausfrau durch ausdrucks¬
volle Blicke in Verlegenheit setzt. So geht es weiter. Das alles sind ja nur
harmlose Schnurren; aber sie wurden geglaubt und dadurch ernsthaft. Chor¬
herr Muskel von Avranches trat in der Revue vecklioliaus als eoutMoe im
Jahre 1893 für ihre Wahrheit in die Schranken: "Was durch sichere Doku¬
mente, durch authentische Urkunden, durch unwiderlegliche Geständnisse bereits
bewiesen war, läßt Dr. Bataille im I)indi6 an unsern Augen in einer Reihe
lebendiger Bilder vorüberziehn. Die Zahl der Überzeugten nimmt mit jedem
Tage zu." "Sicher ist -- heißt es in einem andern französischen Blatte --,
daß der Davis von hervorragenden Geistlichen gutgeheißen und empfohlen
wird." Viele andre katholische Organe waren derselben Meinung, und der
Chorherr Muskel konnte schreiben: "Seine (des Dr. Bataille) Enthüllungen
über den Satanskult und die Werke Satans unsrer Zeit in den verschiednen
Teilen der Welt sind zwar furchtbar, aber durchaus wahr."

Da das Tcixil-Hackssche Geschüft blühte, warb Taxil eine" neuen Mit¬
arbeiter in der Person des Jtalieners Margiotta an. Als dessen Hauptwerk
erschien t894 unter Taxils Leitung: "Atrio.no Lemmi, Oberhaupt der Frei¬
maurer," das auch ius Deutsche übersetzt wurde. Darnach war Pike, der Papst


Keo Taxil und der Kongreß von Trient im )ahre ^et<)b

Sie mich nur gewähren! Das wird schon gehe». Und es ging in der That.
Mir fiel im allgemeinen die Aufgabe zu, die Geschichte zuzurichten. Leo Taxil
oder ein andrer gab mir irgend eine» Stoff, der im Grunde auf Wahrheit
beruhen mochte. Ich übernahm es, die Sache nach dem Muster Jules
Verres aufzuputzen."

Hacks war Arzt und hatte weite Reisen gemacht. Das kam ihm bei den
Fabeleien zu statten, die er aus allen Weltteilen auftischte. Er hatte in
Charleston den Hohenpriester des Palladismus oder Satansknlts, Albert Pike,
kennen gelernt; er hatte alle berühmten Freimaurer der Welt kennen gelernt
und war in die höchsten Ämter des Palladismus eingeweiht worden; er hatte
in den englischen Kolonien die Engländer als verkappte Lueiferianer kennen
gelernt: ihre Weiber und Mädchen sind „Ausbünde der Gottlosigkeit und des
Lasters, absolut infernal und Teufelinneu." In einer Kirche in Singapore
hat er Embleme und Zubehör des Satankults gesehn. Zu Gibraltar hat
er Höhlen gefunden, wo die Teufel Stoffe für Epidemien bereiten unter
Leitung des Direktors Tubaltmn. Der Satanspapst Pike steht durch ein
teuflisches Telephon von Washington aus mit den großen Direktoren des
Kultus in Europa und in Amerika in Verbindung- Pike kann mit Hilfe eines
magischen Armbandes den Lucifer jederzeit zitiren. Er macht mit Lucifer
große Reisen durch die Luft. Sophie Wälder legt sich eine Schlange um den
Hals und küßt sie, worauf der Schwanz der Schlange auf ihren Rücken die
Antwort auf Fragen schreibt, die vorher mit einem Zauberring auf die Brust
der Wälder gezeichnet worden. Auch in London wird durch Teufelei ein
Tisch zur Zimmerdecke gehoben und in ein Krokodil verwandelt, das sich ans
Klavier setzt, fremdartige Melodien spielt und die Hausfrau durch ausdrucks¬
volle Blicke in Verlegenheit setzt. So geht es weiter. Das alles sind ja nur
harmlose Schnurren; aber sie wurden geglaubt und dadurch ernsthaft. Chor¬
herr Muskel von Avranches trat in der Revue vecklioliaus als eoutMoe im
Jahre 1893 für ihre Wahrheit in die Schranken: „Was durch sichere Doku¬
mente, durch authentische Urkunden, durch unwiderlegliche Geständnisse bereits
bewiesen war, läßt Dr. Bataille im I)indi6 an unsern Augen in einer Reihe
lebendiger Bilder vorüberziehn. Die Zahl der Überzeugten nimmt mit jedem
Tage zu." „Sicher ist — heißt es in einem andern französischen Blatte —,
daß der Davis von hervorragenden Geistlichen gutgeheißen und empfohlen
wird." Viele andre katholische Organe waren derselben Meinung, und der
Chorherr Muskel konnte schreiben: „Seine (des Dr. Bataille) Enthüllungen
über den Satanskult und die Werke Satans unsrer Zeit in den verschiednen
Teilen der Welt sind zwar furchtbar, aber durchaus wahr."

Da das Tcixil-Hackssche Geschüft blühte, warb Taxil eine» neuen Mit¬
arbeiter in der Person des Jtalieners Margiotta an. Als dessen Hauptwerk
erschien t894 unter Taxils Leitung: „Atrio.no Lemmi, Oberhaupt der Frei¬
maurer," das auch ius Deutsche übersetzt wurde. Darnach war Pike, der Papst


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[0596] Keo Taxil und der Kongreß von Trient im )ahre ^et<)b Sie mich nur gewähren! Das wird schon gehe». Und es ging in der That. Mir fiel im allgemeinen die Aufgabe zu, die Geschichte zuzurichten. Leo Taxil oder ein andrer gab mir irgend eine» Stoff, der im Grunde auf Wahrheit beruhen mochte. Ich übernahm es, die Sache nach dem Muster Jules Verres aufzuputzen." Hacks war Arzt und hatte weite Reisen gemacht. Das kam ihm bei den Fabeleien zu statten, die er aus allen Weltteilen auftischte. Er hatte in Charleston den Hohenpriester des Palladismus oder Satansknlts, Albert Pike, kennen gelernt; er hatte alle berühmten Freimaurer der Welt kennen gelernt und war in die höchsten Ämter des Palladismus eingeweiht worden; er hatte in den englischen Kolonien die Engländer als verkappte Lueiferianer kennen gelernt: ihre Weiber und Mädchen sind „Ausbünde der Gottlosigkeit und des Lasters, absolut infernal und Teufelinneu." In einer Kirche in Singapore hat er Embleme und Zubehör des Satankults gesehn. Zu Gibraltar hat er Höhlen gefunden, wo die Teufel Stoffe für Epidemien bereiten unter Leitung des Direktors Tubaltmn. Der Satanspapst Pike steht durch ein teuflisches Telephon von Washington aus mit den großen Direktoren des Kultus in Europa und in Amerika in Verbindung- Pike kann mit Hilfe eines magischen Armbandes den Lucifer jederzeit zitiren. Er macht mit Lucifer große Reisen durch die Luft. Sophie Wälder legt sich eine Schlange um den Hals und küßt sie, worauf der Schwanz der Schlange auf ihren Rücken die Antwort auf Fragen schreibt, die vorher mit einem Zauberring auf die Brust der Wälder gezeichnet worden. Auch in London wird durch Teufelei ein Tisch zur Zimmerdecke gehoben und in ein Krokodil verwandelt, das sich ans Klavier setzt, fremdartige Melodien spielt und die Hausfrau durch ausdrucks¬ volle Blicke in Verlegenheit setzt. So geht es weiter. Das alles sind ja nur harmlose Schnurren; aber sie wurden geglaubt und dadurch ernsthaft. Chor¬ herr Muskel von Avranches trat in der Revue vecklioliaus als eoutMoe im Jahre 1893 für ihre Wahrheit in die Schranken: „Was durch sichere Doku¬ mente, durch authentische Urkunden, durch unwiderlegliche Geständnisse bereits bewiesen war, läßt Dr. Bataille im I)indi6 an unsern Augen in einer Reihe lebendiger Bilder vorüberziehn. Die Zahl der Überzeugten nimmt mit jedem Tage zu." „Sicher ist — heißt es in einem andern französischen Blatte —, daß der Davis von hervorragenden Geistlichen gutgeheißen und empfohlen wird." Viele andre katholische Organe waren derselben Meinung, und der Chorherr Muskel konnte schreiben: „Seine (des Dr. Bataille) Enthüllungen über den Satanskult und die Werke Satans unsrer Zeit in den verschiednen Teilen der Welt sind zwar furchtbar, aber durchaus wahr." Da das Tcixil-Hackssche Geschüft blühte, warb Taxil eine» neuen Mit¬ arbeiter in der Person des Jtalieners Margiotta an. Als dessen Hauptwerk erschien t894 unter Taxils Leitung: „Atrio.no Lemmi, Oberhaupt der Frei¬ maurer," das auch ius Deutsche übersetzt wurde. Darnach war Pike, der Papst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/596>, abgerufen am 09.01.2025.