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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Madlene

undarstellbar wie sie. -- Zwei Herzen, die je schon in wahrhaftiger Liebe
aneinander geschlagen haben, können nicht von einander lassein unbehelligt von der
Welt fliegen sie zusammen, und die Lippen besiegeln die Richtigkeit.

Und wenn wirklich das ewige Leben anbräche: der zweite Kuchenschuß muß
in den Ofen. Der Frieder setzt sich geduldig auf die Ofenbank, und Madlene
eilt mit einem Kuchen hinaus. Wie sie hereinkommt, einen zweiten zu holen, sieht
der Frieder zwischen seinen Knieen hindurch nach dem Fußboden, und das eggertse
Ange streift ihn kaum.

Ist dir was in die Augen gefallen, Frieder, daß du nicht aufschaust? Alter
Knabe du! Wärst du in Wien gewesen, wärs anders. Du hättest aber immerhin
ausschauen und die Madlene ein wenig anlächelt können; Hemdschleife, Busentüchleiu,
Mieder: alles ist in Ordnung jetzt.

Der zweite Knchenschnß ist dem Ofen anvertraut, Madlene setzt sich zum
Frieder auf die Ofenbank.

Hast recht notwendig, Madlene.

Aber ich thus gern.

So eine Kirmes macht einen ordentlichen Aufruhr im Dorf.
Freilich. Aber unser Kleiner hat immer so brav zu mir gehalten, daß ich
ihm sei Freud göuu.

Euer Großer ist wohl recht obstinat?

Ach, er is beergut; er war halt in Schlcsinga.

Ich meint, Madlene, draußen wärs schlimmer als daheim?

Dents auch.

Ein Hausstand in der Fremd ist a Aufstand.

Sein'n Hausstand muß man zu Hans habn.

Was ich sagen wollt, Madlene: Mei Mutter will absolut habn, ich soll mir
einen Hausstand gründen. Weißt ja anch, was dazu gehört.

Courage, Frieder!

Die hätt ich alleweil. Aber die Hauptsach!

Da -- -- stille wars. Er und sie sprachen kein Wort mehr. Und die
Kuchen mußten heraus und mit lauterer Butter gepinselt werden.

Der Frieder saß wieder allein auf der Ofenbank und dachte über seine
Courage nach. Am End hätt er doch eigentlich keine! Da war er angekommen,
als sich Madlene, nun fix und fertig für heute, wieder zu ihm setzte. Und in
dem Frieder wallte es auf und nieder, und zuletzt schoß es ihm in den Kopf:
"Conrnge!"

Er drückt seinen Ellenbogen an das liebe Mädchen: Madlene! Ich bin des¬
wegen kommn. Meine Mutter hat gesagt, du wärst ihr schon recht.

So, deiner Mutter? Wozu denn? Dn bist nichts?

Ich bin was. Und wenn dus noch immer nit weißt, so will ich nnr
wieder gehn.

So geh.

Madlene? -- Madleue? -- Ich dacht, wir zwei beide warn fertig mit
einander, sonst hätt ich dir nit von meiner Mutter geredt. Aber weil ich sie
doch erst fragen mußt, so wollt ich dir nur sagn, wie sie meint.

Nun kam in der Madlene ein Sturm zum Ausbruch, der den Frieder er¬
schreckte. Wieder hatte ihr der alte Mutwille im Glück einen Streich gespielt. Und
angesichts dieses Streichs sank sie uuter dem Übermaß ihres Glückes um schluchzend>
zusammen wie eine reuige Sünderin.


Madlene

undarstellbar wie sie. — Zwei Herzen, die je schon in wahrhaftiger Liebe
aneinander geschlagen haben, können nicht von einander lassein unbehelligt von der
Welt fliegen sie zusammen, und die Lippen besiegeln die Richtigkeit.

Und wenn wirklich das ewige Leben anbräche: der zweite Kuchenschuß muß
in den Ofen. Der Frieder setzt sich geduldig auf die Ofenbank, und Madlene
eilt mit einem Kuchen hinaus. Wie sie hereinkommt, einen zweiten zu holen, sieht
der Frieder zwischen seinen Knieen hindurch nach dem Fußboden, und das eggertse
Ange streift ihn kaum.

Ist dir was in die Augen gefallen, Frieder, daß du nicht aufschaust? Alter
Knabe du! Wärst du in Wien gewesen, wärs anders. Du hättest aber immerhin
ausschauen und die Madlene ein wenig anlächelt können; Hemdschleife, Busentüchleiu,
Mieder: alles ist in Ordnung jetzt.

Der zweite Knchenschnß ist dem Ofen anvertraut, Madlene setzt sich zum
Frieder auf die Ofenbank.

Hast recht notwendig, Madlene.

Aber ich thus gern.

So eine Kirmes macht einen ordentlichen Aufruhr im Dorf.
Freilich. Aber unser Kleiner hat immer so brav zu mir gehalten, daß ich
ihm sei Freud göuu.

Euer Großer ist wohl recht obstinat?

Ach, er is beergut; er war halt in Schlcsinga.

Ich meint, Madlene, draußen wärs schlimmer als daheim?

Dents auch.

Ein Hausstand in der Fremd ist a Aufstand.

Sein'n Hausstand muß man zu Hans habn.

Was ich sagen wollt, Madlene: Mei Mutter will absolut habn, ich soll mir
einen Hausstand gründen. Weißt ja anch, was dazu gehört.

Courage, Frieder!

Die hätt ich alleweil. Aber die Hauptsach!

Da — — stille wars. Er und sie sprachen kein Wort mehr. Und die
Kuchen mußten heraus und mit lauterer Butter gepinselt werden.

Der Frieder saß wieder allein auf der Ofenbank und dachte über seine
Courage nach. Am End hätt er doch eigentlich keine! Da war er angekommen,
als sich Madlene, nun fix und fertig für heute, wieder zu ihm setzte. Und in
dem Frieder wallte es auf und nieder, und zuletzt schoß es ihm in den Kopf:
„Conrnge!"

Er drückt seinen Ellenbogen an das liebe Mädchen: Madlene! Ich bin des¬
wegen kommn. Meine Mutter hat gesagt, du wärst ihr schon recht.

So, deiner Mutter? Wozu denn? Dn bist nichts?

Ich bin was. Und wenn dus noch immer nit weißt, so will ich nnr
wieder gehn.

So geh.

Madlene? — Madleue? — Ich dacht, wir zwei beide warn fertig mit
einander, sonst hätt ich dir nit von meiner Mutter geredt. Aber weil ich sie
doch erst fragen mußt, so wollt ich dir nur sagn, wie sie meint.

Nun kam in der Madlene ein Sturm zum Ausbruch, der den Frieder er¬
schreckte. Wieder hatte ihr der alte Mutwille im Glück einen Streich gespielt. Und
angesichts dieses Streichs sank sie uuter dem Übermaß ihres Glückes um schluchzend>
zusammen wie eine reuige Sünderin.


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[0506] Madlene undarstellbar wie sie. — Zwei Herzen, die je schon in wahrhaftiger Liebe aneinander geschlagen haben, können nicht von einander lassein unbehelligt von der Welt fliegen sie zusammen, und die Lippen besiegeln die Richtigkeit. Und wenn wirklich das ewige Leben anbräche: der zweite Kuchenschuß muß in den Ofen. Der Frieder setzt sich geduldig auf die Ofenbank, und Madlene eilt mit einem Kuchen hinaus. Wie sie hereinkommt, einen zweiten zu holen, sieht der Frieder zwischen seinen Knieen hindurch nach dem Fußboden, und das eggertse Ange streift ihn kaum. Ist dir was in die Augen gefallen, Frieder, daß du nicht aufschaust? Alter Knabe du! Wärst du in Wien gewesen, wärs anders. Du hättest aber immerhin ausschauen und die Madlene ein wenig anlächelt können; Hemdschleife, Busentüchleiu, Mieder: alles ist in Ordnung jetzt. Der zweite Knchenschnß ist dem Ofen anvertraut, Madlene setzt sich zum Frieder auf die Ofenbank. Hast recht notwendig, Madlene. Aber ich thus gern. So eine Kirmes macht einen ordentlichen Aufruhr im Dorf. Freilich. Aber unser Kleiner hat immer so brav zu mir gehalten, daß ich ihm sei Freud göuu. Euer Großer ist wohl recht obstinat? Ach, er is beergut; er war halt in Schlcsinga. Ich meint, Madlene, draußen wärs schlimmer als daheim? Dents auch. Ein Hausstand in der Fremd ist a Aufstand. Sein'n Hausstand muß man zu Hans habn. Was ich sagen wollt, Madlene: Mei Mutter will absolut habn, ich soll mir einen Hausstand gründen. Weißt ja anch, was dazu gehört. Courage, Frieder! Die hätt ich alleweil. Aber die Hauptsach! Da — — stille wars. Er und sie sprachen kein Wort mehr. Und die Kuchen mußten heraus und mit lauterer Butter gepinselt werden. Der Frieder saß wieder allein auf der Ofenbank und dachte über seine Courage nach. Am End hätt er doch eigentlich keine! Da war er angekommen, als sich Madlene, nun fix und fertig für heute, wieder zu ihm setzte. Und in dem Frieder wallte es auf und nieder, und zuletzt schoß es ihm in den Kopf: „Conrnge!" Er drückt seinen Ellenbogen an das liebe Mädchen: Madlene! Ich bin des¬ wegen kommn. Meine Mutter hat gesagt, du wärst ihr schon recht. So, deiner Mutter? Wozu denn? Dn bist nichts? Ich bin was. Und wenn dus noch immer nit weißt, so will ich nnr wieder gehn. So geh. Madlene? — Madleue? — Ich dacht, wir zwei beide warn fertig mit einander, sonst hätt ich dir nit von meiner Mutter geredt. Aber weil ich sie doch erst fragen mußt, so wollt ich dir nur sagn, wie sie meint. Nun kam in der Madlene ein Sturm zum Ausbruch, der den Frieder er¬ schreckte. Wieder hatte ihr der alte Mutwille im Glück einen Streich gespielt. Und angesichts dieses Streichs sank sie uuter dem Übermaß ihres Glückes um schluchzend> zusammen wie eine reuige Sünderin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/506>, abgerufen am 07.01.2025.