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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Budgetrecht und Llottengesetz

stößt jede Vorbcwilliguug auf eine bestimmte Zeit gegen unser Budgetrecht und
gegen die ausdrückliche Bestimmung der Verfassung. Dagegen verweise ich ans den
Artikel 71 der Verfassung, wonach die gemeinschaftlichen Ausgaben zwar in der
Regel für ein Jahr bewilligt werden, jedoch in besondern Fällen auch sür eine
längere Dauer bewilligt werden können. In der Diskussion der Verfassung sind,
wenn ich uicht irre, gerade für die Marine Anleihen und die Vorbewillignng für
mehrere Jahre ins Auge gefaßt worden. Ich glaube also, daß wir heute nur das
ausführen, woran wir bei der Beratung über die Verfassung bereits gedacht
haben. -- Später sagte er: Wenn dem aber so ist, und wenn wir alle überein¬
stimmen, daß unsre Marine notwendigerweise einer gesicherten Grundlage und einer
erheblichen Förderung bedarf, einer solchen Förderung, wie sie möglicherweise über
die Kräfte der einzelnen Staaten hinausgeht, dann handeln wir nicht nur nach
unsrer verfassungsmäßigen Befugnis, sondern auch nach unsrer verfassungsmäßigen
Verpflichtung, daß wir den Norddeutschen Bund mit den notwendigen Bedürfnissen
im Wege der Anleihe versehen.

Es wurde hierauf die Diskussion über K 1 geschlossen, und der Paragraph
wurde mit großer Majorität angenommen. Nachdem der Bundeskommissar
erklärt hatte, die Negierung würde dem Amendement von Unruh zustimmen,
wurde der den Antrügen entsprechende Zusatzparagraph mit fast einstimmiger
Majorität des Hauses angenommen. Hierauf erfolgte die Ablehnung eines
auf Abkürzung der zehnjährigen Bauperiode gerichteten Antrags des Abgeord¬
neten Meier (Bremen). Diese Ablehnung motivirte der Abgeordnete Graf
Schwerin-Putzar dahin, daß der Reichstag hinsichtlich des Tempos wohl der
Negierung vertrauen könne.

In der dritten Lesung erneuerte der Abgeordnete von Kirchmann den
Versuch, die Anleihe zu Fall zu bringen. Er wollte allerdings uicht, wie jetzt
die Gegner des Flottengesetzes, die Zukunft der Marine ausschließlich von
der jährlichen Etatsbewilligung abhängig machen, er erklärte vielmehr am
Schluß seiner Rede: "Wir wollen ebenso eine Flotte wie Sie (auf die rechte
Seite deutend), wir wollen die Regierung auch in der ersten Periode unter¬
stützen, wie es in dem Berichte angedeutet worden ist. Wir wollen aber für
diesen Zweck nicht Mittel anwenden, die jede gesunde Staats- und Haus¬
wirtschaft verurteilt."

Er war also uur gegen das Mittel der Anleihe. Gleichwohl wurde das
Anleihegesetz mit großer Majorität angenommen.

Da nach den stenographischen Berichten die Abstimmungen nicht namentlich
waren, so ist es nicht möglich, mit Bestimmtheit zu sagen, ob die Fortschritts¬
partei geschlossen oder nur teilweise gegen das Gesetz gestimmt hat. Hierauf
kommt es aber auch gar nicht an, vielmehr darauf, wie die Frage des Budget¬
rechts damals von der überwiegenden Majorität des Norddeutschen Reichs¬
tags beantwortet worden ist. Aus dem Vorstehenden kann es keinem Zweifel
unterliegen, daß er durch seine am 24. Oktober 1867 erfolgte verfassungsmüßige
Zustimmung zu dem am 9. November 1867 publizirten Auleihegesetz sich selbst


Budgetrecht und Llottengesetz

stößt jede Vorbcwilliguug auf eine bestimmte Zeit gegen unser Budgetrecht und
gegen die ausdrückliche Bestimmung der Verfassung. Dagegen verweise ich ans den
Artikel 71 der Verfassung, wonach die gemeinschaftlichen Ausgaben zwar in der
Regel für ein Jahr bewilligt werden, jedoch in besondern Fällen auch sür eine
längere Dauer bewilligt werden können. In der Diskussion der Verfassung sind,
wenn ich uicht irre, gerade für die Marine Anleihen und die Vorbewillignng für
mehrere Jahre ins Auge gefaßt worden. Ich glaube also, daß wir heute nur das
ausführen, woran wir bei der Beratung über die Verfassung bereits gedacht
haben. — Später sagte er: Wenn dem aber so ist, und wenn wir alle überein¬
stimmen, daß unsre Marine notwendigerweise einer gesicherten Grundlage und einer
erheblichen Förderung bedarf, einer solchen Förderung, wie sie möglicherweise über
die Kräfte der einzelnen Staaten hinausgeht, dann handeln wir nicht nur nach
unsrer verfassungsmäßigen Befugnis, sondern auch nach unsrer verfassungsmäßigen
Verpflichtung, daß wir den Norddeutschen Bund mit den notwendigen Bedürfnissen
im Wege der Anleihe versehen.

Es wurde hierauf die Diskussion über K 1 geschlossen, und der Paragraph
wurde mit großer Majorität angenommen. Nachdem der Bundeskommissar
erklärt hatte, die Negierung würde dem Amendement von Unruh zustimmen,
wurde der den Antrügen entsprechende Zusatzparagraph mit fast einstimmiger
Majorität des Hauses angenommen. Hierauf erfolgte die Ablehnung eines
auf Abkürzung der zehnjährigen Bauperiode gerichteten Antrags des Abgeord¬
neten Meier (Bremen). Diese Ablehnung motivirte der Abgeordnete Graf
Schwerin-Putzar dahin, daß der Reichstag hinsichtlich des Tempos wohl der
Negierung vertrauen könne.

In der dritten Lesung erneuerte der Abgeordnete von Kirchmann den
Versuch, die Anleihe zu Fall zu bringen. Er wollte allerdings uicht, wie jetzt
die Gegner des Flottengesetzes, die Zukunft der Marine ausschließlich von
der jährlichen Etatsbewilligung abhängig machen, er erklärte vielmehr am
Schluß seiner Rede: „Wir wollen ebenso eine Flotte wie Sie (auf die rechte
Seite deutend), wir wollen die Regierung auch in der ersten Periode unter¬
stützen, wie es in dem Berichte angedeutet worden ist. Wir wollen aber für
diesen Zweck nicht Mittel anwenden, die jede gesunde Staats- und Haus¬
wirtschaft verurteilt."

Er war also uur gegen das Mittel der Anleihe. Gleichwohl wurde das
Anleihegesetz mit großer Majorität angenommen.

Da nach den stenographischen Berichten die Abstimmungen nicht namentlich
waren, so ist es nicht möglich, mit Bestimmtheit zu sagen, ob die Fortschritts¬
partei geschlossen oder nur teilweise gegen das Gesetz gestimmt hat. Hierauf
kommt es aber auch gar nicht an, vielmehr darauf, wie die Frage des Budget¬
rechts damals von der überwiegenden Majorität des Norddeutschen Reichs¬
tags beantwortet worden ist. Aus dem Vorstehenden kann es keinem Zweifel
unterliegen, daß er durch seine am 24. Oktober 1867 erfolgte verfassungsmüßige
Zustimmung zu dem am 9. November 1867 publizirten Auleihegesetz sich selbst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/378>, abgerufen am 09.01.2025.