Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.erlebt, mitgemacht und als denkender Mensch beobachtet hat, seine Lebenserinnerungen Sind auch die Mitteilungen des Prinzen Hohenlohe über die Jahre 1848 Der erste Band schließt mit dem Jahre 1356, wo Prinz Hohenlohe Adjutant Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig erlebt, mitgemacht und als denkender Mensch beobachtet hat, seine Lebenserinnerungen Sind auch die Mitteilungen des Prinzen Hohenlohe über die Jahre 1848 Der erste Band schließt mit dem Jahre 1356, wo Prinz Hohenlohe Adjutant Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227250"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1188" prev="#ID_1187"> erlebt, mitgemacht und als denkender Mensch beobachtet hat, seine Lebenserinnerungen<lb/> herausgegeben, und er behauptet das Gegenteil. Nach seiner Meinung wäre es<lb/> wirklich ein aus der Mitte der Bürgerschaft entsprungner Verzweiflungskampf um<lb/> die Freiheit, eine durch und durch volkstümliche Sache gewesen. Man konnte aus<lb/> diesem Dilemma sehr leicht mit der banalen Redensart, daß die Wahrheit in der<lb/> Mitte liegt, einen Ausweg finden. Aber die schlaffe Haltung der Bürgerwehr nach<lb/> dem leicht errungnen Siege läßt sich doch kaum anders erklären, als durch die That¬<lb/> sache, daß die Masse des arbeitenden Volks, der auf Erwerb angewiesenen Bürger<lb/> wie der Handarbeiter, keineswegs mit ganzem Herzen bei der Bewegung war. Ein<lb/> wenig Festigkeit mehr bei der Regierung — und die Revolution von 1843, die<lb/> immer noch als wichtiges Agitationsmittel ausgebeutet wird, wäre bloß ein jämmer¬<lb/> licher Pulses gewesen. Die Ratlosigkeit und die Verlegenheit, die in jenen Tagen<lb/> im Berliner Schlosse geherrscht haben, müssen allerdings groß gewesen sein. Auch<lb/> darüber verbreiten die Erinnerungen des Prinzen Hohenlohe neues Licht. Friedrich<lb/> Wilhelm war darnach weniger schuld an der unbegreiflichen Schwäche der Regierung<lb/> als seine Umgebung, die, wenn man von dem stets besonnenen, aber in begreif¬<lb/> licher Zurückhaltung verharrenden Prinzen von Preußen absieht, aus lauter unfähigen<lb/> Leuten bestand, die den unglücklichen König von der Außenwelt vollständig ab¬<lb/> geschnitten hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1189"> Sind auch die Mitteilungen des Prinzen Hohenlohe über die Jahre 1848<lb/> und 1849 noch dem Streit der Meinungen unterworfen, so ist die Zuverlässigkeit<lb/> seiner militärischen Berichte, die er während eines Kommandos nach Wien von<lb/> dort aus an mehrere Stellen in Berlin sandte, durch die Ereignisse von 1866<lb/> glänzend bestätigt worden. Militärattachees wie heute gab es damals bei den Ge¬<lb/> sandtschaften noch nicht. Als Prinz Hohenlohe 1354 nach Wien geschickt wurde,<lb/> um über die militärischen Verhältnisse Österreichs zu berichten, fand er zuerst keinen<lb/> Boden vor. Selbst der eignen preußischen Gesandtschaft war er unbequem, weil<lb/> die Diplomaten der Metternichschen Schule von vornherein jedem Soldaten mit<lb/> Mißtrauen begegneten. Hohenlohe sah sich also auf sich selbst augewiesen, und<lb/> seiner Energie, seiner Arbeitskraft, seiner Ausdauer, die sich durch keine Mißerfolge<lb/> zurückschrecken ließ, gelang es auch, völlige Klarheit über deu Zustand der öster¬<lb/> reichischen Armee von 1854—1856 zu verschaffen. Daß die preußische Heeres¬<lb/> leitung rechtzeitig davon unterrichtet wurde, freilich ohne eine Ahnung von der<lb/> Wichtigkeit der Mitteilungen Hoheulohes zu bekommen, ist das Verdienst des ersten<lb/> preußischen Militärattachees, der durch seine Persönlichkeit, durch sein freimütiges<lb/> Wesen und — seine Nüchternheit die Notwendigkeit eines solchen Amts bewiesen<lb/> hat. Er hat mit seinem scharfen Blick der Schwäche des österreichischen Heer¬<lb/> wesens bis auf den Grund gesehen. Er hat aber auch seine einzige Tugend, die<lb/> Überlegenheit der österreichischen Artillerie über die preußische erkannt, und wenn<lb/> dieser Erkenntnis auch nicht der Sieg von Königgrätz zu verdanken war, wo Prinz<lb/> Hohenlohe selbst eine Batterie gegen die Österreicher geführt hat, so doch der<lb/> größere Sieg von Sedan.</p><lb/> <p xml:id="ID_1190"> Der erste Band schließt mit dem Jahre 1356, wo Prinz Hohenlohe Adjutant<lb/> Friedrich Wilhelms IV. wurde. Aus deu folgenden Bänden haben wir wohl<lb/> noch wichtigere Mitteilungen zur Geschichte der fünfziger und sechziger Fahre zu<lb/> erwarten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
erlebt, mitgemacht und als denkender Mensch beobachtet hat, seine Lebenserinnerungen
herausgegeben, und er behauptet das Gegenteil. Nach seiner Meinung wäre es
wirklich ein aus der Mitte der Bürgerschaft entsprungner Verzweiflungskampf um
die Freiheit, eine durch und durch volkstümliche Sache gewesen. Man konnte aus
diesem Dilemma sehr leicht mit der banalen Redensart, daß die Wahrheit in der
Mitte liegt, einen Ausweg finden. Aber die schlaffe Haltung der Bürgerwehr nach
dem leicht errungnen Siege läßt sich doch kaum anders erklären, als durch die That¬
sache, daß die Masse des arbeitenden Volks, der auf Erwerb angewiesenen Bürger
wie der Handarbeiter, keineswegs mit ganzem Herzen bei der Bewegung war. Ein
wenig Festigkeit mehr bei der Regierung — und die Revolution von 1843, die
immer noch als wichtiges Agitationsmittel ausgebeutet wird, wäre bloß ein jämmer¬
licher Pulses gewesen. Die Ratlosigkeit und die Verlegenheit, die in jenen Tagen
im Berliner Schlosse geherrscht haben, müssen allerdings groß gewesen sein. Auch
darüber verbreiten die Erinnerungen des Prinzen Hohenlohe neues Licht. Friedrich
Wilhelm war darnach weniger schuld an der unbegreiflichen Schwäche der Regierung
als seine Umgebung, die, wenn man von dem stets besonnenen, aber in begreif¬
licher Zurückhaltung verharrenden Prinzen von Preußen absieht, aus lauter unfähigen
Leuten bestand, die den unglücklichen König von der Außenwelt vollständig ab¬
geschnitten hatten.
Sind auch die Mitteilungen des Prinzen Hohenlohe über die Jahre 1848
und 1849 noch dem Streit der Meinungen unterworfen, so ist die Zuverlässigkeit
seiner militärischen Berichte, die er während eines Kommandos nach Wien von
dort aus an mehrere Stellen in Berlin sandte, durch die Ereignisse von 1866
glänzend bestätigt worden. Militärattachees wie heute gab es damals bei den Ge¬
sandtschaften noch nicht. Als Prinz Hohenlohe 1354 nach Wien geschickt wurde,
um über die militärischen Verhältnisse Österreichs zu berichten, fand er zuerst keinen
Boden vor. Selbst der eignen preußischen Gesandtschaft war er unbequem, weil
die Diplomaten der Metternichschen Schule von vornherein jedem Soldaten mit
Mißtrauen begegneten. Hohenlohe sah sich also auf sich selbst augewiesen, und
seiner Energie, seiner Arbeitskraft, seiner Ausdauer, die sich durch keine Mißerfolge
zurückschrecken ließ, gelang es auch, völlige Klarheit über deu Zustand der öster¬
reichischen Armee von 1854—1856 zu verschaffen. Daß die preußische Heeres¬
leitung rechtzeitig davon unterrichtet wurde, freilich ohne eine Ahnung von der
Wichtigkeit der Mitteilungen Hoheulohes zu bekommen, ist das Verdienst des ersten
preußischen Militärattachees, der durch seine Persönlichkeit, durch sein freimütiges
Wesen und — seine Nüchternheit die Notwendigkeit eines solchen Amts bewiesen
hat. Er hat mit seinem scharfen Blick der Schwäche des österreichischen Heer¬
wesens bis auf den Grund gesehen. Er hat aber auch seine einzige Tugend, die
Überlegenheit der österreichischen Artillerie über die preußische erkannt, und wenn
dieser Erkenntnis auch nicht der Sieg von Königgrätz zu verdanken war, wo Prinz
Hohenlohe selbst eine Batterie gegen die Österreicher geführt hat, so doch der
größere Sieg von Sedan.
Der erste Band schließt mit dem Jahre 1356, wo Prinz Hohenlohe Adjutant
Friedrich Wilhelms IV. wurde. Aus deu folgenden Bänden haben wir wohl
noch wichtigere Mitteilungen zur Geschichte der fünfziger und sechziger Fahre zu
erwarten.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
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