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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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mehr schaden als nützen, denn anstatt ihn im Verständnis des Textes zu unter¬
stützen, ziehen sie seine Aufmerksamkeit davon ab und sollen wohl hernach sür die
Mängel entschädigen. Da der Quadratcentimeter Autotypie so und soviel Pfennige
kostet, so besteht das Verdienst dieser auf eine beliebige Zahl von Quadratmetern
zu erstreckenden Kunst schließlich nur in der Anzahl von Zwanzigmarkflücken, die
eine Verlagshandlung zu riskiren für gut hält. So führt das billige Verviel-
fältiguugsverfahren, wenn der Buchhandel diese große Wohlthat nicht zu gebrauchen
versteht, zum Verfall seines Gewerbes, soweit es mit Illustration zu thu" hat,
und was erfunden zu sein scheint, um den Sinn für gute Kunst zu fördern und
zu verbreiten, wird zunächst dazu angewandt, den Geschmack zu verderben.

Vou diesem Anziehungsmittel der Buchillustration, wie sie uicht sein soll,
macht also der Verlag der "Kttnstlermonographieu" nun auch in den "Mono¬
graphien zur Weltgeschichte" eiuen sehr ausgedehnten Gebrauch. In der "Elisabeth"
ist z. B. zu einer ganz allgemeinen Bemerkung des Verfassers über die Architektur
S. 89 ein Verweis auf nicht weniger als zwölf, unmittelbar vorher aber noch in
demselben Satze (zu dem Worte: Hausgeräte) ein solcher auf sechs Abbildungen
eingerückt worden, und diese achtzehn Abbildungen schwirren nun zwischen S. 77
und 95 Vor unsern Augen in einem Texte herum, mit dem sie sachlich gar nichts
zu thun haben. Noch störender ist das Übermaß der Abbildungen in den "Medizeern,"
weil die Illustration hier sogar zahlreiche Fehler begangen hat, woran natürlich
der Verfasser des Textes unschuldig ist. Wenn aber ein Verlag über den Kopf
des Verfassers ein Buch illustriren will, so sollte er damit Personen betrauen, die
genau wissen, was die Bilder bedeuten, mit denen sie umgehen solle". Statt
dessen finden wir z. B. in den "Medizeern" zwei weibliche Porträts der Berliner
Galerie als "Kunstbeilagen" abgebildet; das eine, "herkömmlich" als Lucrezia
Tornabuoni bezeichnet, stellt diese Dame sicherlich nicht dar, und das andre ebenso
wenig die Simonetta. Was sollen die also hier, noch dazu in Rotdruck und auf
gekörntem Papier, anspruchsvoll und irreführend, als ob die Originale Rvtel-
zeichuungen oder monochrome Ölskizzcn wären? Das ist nur ein Beispiel von vielen.

Wir haben hier einen Übelstand zur Sprache gebracht, der einen größern
Umfang anzunehmen droht, und rechnen dabei auf die stille Zustimmung vieler
Verständiger. Vielleicht konnte eine Erinnerung an die Verfasser, sich die Illu¬
stration nicht ganz aus der Hand nehmen zu lassen, wenn sie die geeigneten Per¬
sönlichkeiten erreichte, schon etwas nützen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
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mehr schaden als nützen, denn anstatt ihn im Verständnis des Textes zu unter¬
stützen, ziehen sie seine Aufmerksamkeit davon ab und sollen wohl hernach sür die
Mängel entschädigen. Da der Quadratcentimeter Autotypie so und soviel Pfennige
kostet, so besteht das Verdienst dieser auf eine beliebige Zahl von Quadratmetern
zu erstreckenden Kunst schließlich nur in der Anzahl von Zwanzigmarkflücken, die
eine Verlagshandlung zu riskiren für gut hält. So führt das billige Verviel-
fältiguugsverfahren, wenn der Buchhandel diese große Wohlthat nicht zu gebrauchen
versteht, zum Verfall seines Gewerbes, soweit es mit Illustration zu thu» hat,
und was erfunden zu sein scheint, um den Sinn für gute Kunst zu fördern und
zu verbreiten, wird zunächst dazu angewandt, den Geschmack zu verderben.

Vou diesem Anziehungsmittel der Buchillustration, wie sie uicht sein soll,
macht also der Verlag der „Kttnstlermonographieu" nun auch in den „Mono¬
graphien zur Weltgeschichte" eiuen sehr ausgedehnten Gebrauch. In der „Elisabeth"
ist z. B. zu einer ganz allgemeinen Bemerkung des Verfassers über die Architektur
S. 89 ein Verweis auf nicht weniger als zwölf, unmittelbar vorher aber noch in
demselben Satze (zu dem Worte: Hausgeräte) ein solcher auf sechs Abbildungen
eingerückt worden, und diese achtzehn Abbildungen schwirren nun zwischen S. 77
und 95 Vor unsern Augen in einem Texte herum, mit dem sie sachlich gar nichts
zu thun haben. Noch störender ist das Übermaß der Abbildungen in den „Medizeern,"
weil die Illustration hier sogar zahlreiche Fehler begangen hat, woran natürlich
der Verfasser des Textes unschuldig ist. Wenn aber ein Verlag über den Kopf
des Verfassers ein Buch illustriren will, so sollte er damit Personen betrauen, die
genau wissen, was die Bilder bedeuten, mit denen sie umgehen solle». Statt
dessen finden wir z. B. in den „Medizeern" zwei weibliche Porträts der Berliner
Galerie als „Kunstbeilagen" abgebildet; das eine, „herkömmlich" als Lucrezia
Tornabuoni bezeichnet, stellt diese Dame sicherlich nicht dar, und das andre ebenso
wenig die Simonetta. Was sollen die also hier, noch dazu in Rotdruck und auf
gekörntem Papier, anspruchsvoll und irreführend, als ob die Originale Rvtel-
zeichuungen oder monochrome Ölskizzcn wären? Das ist nur ein Beispiel von vielen.

Wir haben hier einen Übelstand zur Sprache gebracht, der einen größern
Umfang anzunehmen droht, und rechnen dabei auf die stille Zustimmung vieler
Verständiger. Vielleicht konnte eine Erinnerung an die Verfasser, sich die Illu¬
stration nicht ganz aus der Hand nehmen zu lassen, wenn sie die geeigneten Per¬
sönlichkeiten erreichte, schon etwas nützen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0236] Litteratur mehr schaden als nützen, denn anstatt ihn im Verständnis des Textes zu unter¬ stützen, ziehen sie seine Aufmerksamkeit davon ab und sollen wohl hernach sür die Mängel entschädigen. Da der Quadratcentimeter Autotypie so und soviel Pfennige kostet, so besteht das Verdienst dieser auf eine beliebige Zahl von Quadratmetern zu erstreckenden Kunst schließlich nur in der Anzahl von Zwanzigmarkflücken, die eine Verlagshandlung zu riskiren für gut hält. So führt das billige Verviel- fältiguugsverfahren, wenn der Buchhandel diese große Wohlthat nicht zu gebrauchen versteht, zum Verfall seines Gewerbes, soweit es mit Illustration zu thu» hat, und was erfunden zu sein scheint, um den Sinn für gute Kunst zu fördern und zu verbreiten, wird zunächst dazu angewandt, den Geschmack zu verderben. Vou diesem Anziehungsmittel der Buchillustration, wie sie uicht sein soll, macht also der Verlag der „Kttnstlermonographieu" nun auch in den „Mono¬ graphien zur Weltgeschichte" eiuen sehr ausgedehnten Gebrauch. In der „Elisabeth" ist z. B. zu einer ganz allgemeinen Bemerkung des Verfassers über die Architektur S. 89 ein Verweis auf nicht weniger als zwölf, unmittelbar vorher aber noch in demselben Satze (zu dem Worte: Hausgeräte) ein solcher auf sechs Abbildungen eingerückt worden, und diese achtzehn Abbildungen schwirren nun zwischen S. 77 und 95 Vor unsern Augen in einem Texte herum, mit dem sie sachlich gar nichts zu thun haben. Noch störender ist das Übermaß der Abbildungen in den „Medizeern," weil die Illustration hier sogar zahlreiche Fehler begangen hat, woran natürlich der Verfasser des Textes unschuldig ist. Wenn aber ein Verlag über den Kopf des Verfassers ein Buch illustriren will, so sollte er damit Personen betrauen, die genau wissen, was die Bilder bedeuten, mit denen sie umgehen solle». Statt dessen finden wir z. B. in den „Medizeern" zwei weibliche Porträts der Berliner Galerie als „Kunstbeilagen" abgebildet; das eine, „herkömmlich" als Lucrezia Tornabuoni bezeichnet, stellt diese Dame sicherlich nicht dar, und das andre ebenso wenig die Simonetta. Was sollen die also hier, noch dazu in Rotdruck und auf gekörntem Papier, anspruchsvoll und irreführend, als ob die Originale Rvtel- zeichuungen oder monochrome Ölskizzcn wären? Das ist nur ein Beispiel von vielen. Wir haben hier einen Übelstand zur Sprache gebracht, der einen größern Umfang anzunehmen droht, und rechnen dabei auf die stille Zustimmung vieler Verständiger. Vielleicht konnte eine Erinnerung an die Verfasser, sich die Illu¬ stration nicht ganz aus der Hand nehmen zu lassen, wenn sie die geeigneten Per¬ sönlichkeiten erreichte, schon etwas nützen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/236>, abgerufen am 07.01.2025.