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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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I^uns ^user^e?

in 28. November d. I. ist Graf Badeni plötzlich entlassen worden,
fast noch eher, als erwartet wurde. Er ist der unüberwindlichen
Obstruktion der Deutschen im Abgeordnetenhause, den stürmischen
Straßendemoustmtionen der Deutschen in Wien und Graz und
offenbar auch der stillen Einwirkung der Ungarn erlegen, ein
Verderber Österreichs, wie die Geschichte keinen zweiten kennt. Mit einem
sittlichen Stumpfsinn sondergleichen und mit kaltblütiger Brutalität hat dies
slawische Regiment im Abgeordnetenhause Recht und Gesetz mit Füßen ge¬
treten und damit die Grundlagen aller parlamentarischen Ordnung vernichtet
-- Napoleon Bonaparte that nichts Schlimmeres, als er 1799 die französischen
Abgeordneten von seinen Grenadieren auseinanderjagen ließ --, es hat zugleich
gegen die Deutschen in Eger tschechische Gendarmen, in Wien ungarische
Husaren, in Graz Bosninken und wiudische Dragoner losgelassen, nach der
schlechten altösterreichischen Art, immer ein Volk gegen das andre zu brauchen,
um durch Teilung über alle zu herrschen. Und kaum ist diese Junkerherr¬
schaft zusammengebrochen unter der Wucht ihrer eignen Sünden, da stürzt
sich der tschechische Pöbel in Prag und Pilsen mit hussitischer Wut auf das
Eigentum und das Leben der Deutschen; in den Gassen der alten Moldaustadt,
die schon soviel Blut getrunken haben, haust wieder einmal die entfesselte
Bestialität eines Barbarcnvolkes, das sich im Herzen von Europa zwar einige
Flitter abendländischer Bildung angeeignet hat, aber im Immer" unverändert
geblieben ist, und die Salven krachen gegen die Meuterer. Der roheste Bürger¬
und Rassenkrieg ist da, wenige Eisenbahnstnnden von der deutschen Grenze.

"Ihr salee Blut, und steht bestürzt, daß Blut ist aufgegangen," dies
Wort Vullers kaun man heute den klugen österreichischen Staatsmännern aller
Parteien zurufen. Seit dreißig Jahren haben politischer Unverstand und politische
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Grenzboten IV 1897 'l!


I^uns ^user^e?

in 28. November d. I. ist Graf Badeni plötzlich entlassen worden,
fast noch eher, als erwartet wurde. Er ist der unüberwindlichen
Obstruktion der Deutschen im Abgeordnetenhause, den stürmischen
Straßendemoustmtionen der Deutschen in Wien und Graz und
offenbar auch der stillen Einwirkung der Ungarn erlegen, ein
Verderber Österreichs, wie die Geschichte keinen zweiten kennt. Mit einem
sittlichen Stumpfsinn sondergleichen und mit kaltblütiger Brutalität hat dies
slawische Regiment im Abgeordnetenhause Recht und Gesetz mit Füßen ge¬
treten und damit die Grundlagen aller parlamentarischen Ordnung vernichtet
— Napoleon Bonaparte that nichts Schlimmeres, als er 1799 die französischen
Abgeordneten von seinen Grenadieren auseinanderjagen ließ —, es hat zugleich
gegen die Deutschen in Eger tschechische Gendarmen, in Wien ungarische
Husaren, in Graz Bosninken und wiudische Dragoner losgelassen, nach der
schlechten altösterreichischen Art, immer ein Volk gegen das andre zu brauchen,
um durch Teilung über alle zu herrschen. Und kaum ist diese Junkerherr¬
schaft zusammengebrochen unter der Wucht ihrer eignen Sünden, da stürzt
sich der tschechische Pöbel in Prag und Pilsen mit hussitischer Wut auf das
Eigentum und das Leben der Deutschen; in den Gassen der alten Moldaustadt,
die schon soviel Blut getrunken haben, haust wieder einmal die entfesselte
Bestialität eines Barbarcnvolkes, das sich im Herzen von Europa zwar einige
Flitter abendländischer Bildung angeeignet hat, aber im Immer» unverändert
geblieben ist, und die Salven krachen gegen die Meuterer. Der roheste Bürger¬
und Rassenkrieg ist da, wenige Eisenbahnstnnden von der deutschen Grenze.

„Ihr salee Blut, und steht bestürzt, daß Blut ist aufgegangen," dies
Wort Vullers kaun man heute den klugen österreichischen Staatsmännern aller
Parteien zurufen. Seit dreißig Jahren haben politischer Unverstand und politische
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[0451] [Abbildung] I^uns ^user^e? in 28. November d. I. ist Graf Badeni plötzlich entlassen worden, fast noch eher, als erwartet wurde. Er ist der unüberwindlichen Obstruktion der Deutschen im Abgeordnetenhause, den stürmischen Straßendemoustmtionen der Deutschen in Wien und Graz und offenbar auch der stillen Einwirkung der Ungarn erlegen, ein Verderber Österreichs, wie die Geschichte keinen zweiten kennt. Mit einem sittlichen Stumpfsinn sondergleichen und mit kaltblütiger Brutalität hat dies slawische Regiment im Abgeordnetenhause Recht und Gesetz mit Füßen ge¬ treten und damit die Grundlagen aller parlamentarischen Ordnung vernichtet — Napoleon Bonaparte that nichts Schlimmeres, als er 1799 die französischen Abgeordneten von seinen Grenadieren auseinanderjagen ließ —, es hat zugleich gegen die Deutschen in Eger tschechische Gendarmen, in Wien ungarische Husaren, in Graz Bosninken und wiudische Dragoner losgelassen, nach der schlechten altösterreichischen Art, immer ein Volk gegen das andre zu brauchen, um durch Teilung über alle zu herrschen. Und kaum ist diese Junkerherr¬ schaft zusammengebrochen unter der Wucht ihrer eignen Sünden, da stürzt sich der tschechische Pöbel in Prag und Pilsen mit hussitischer Wut auf das Eigentum und das Leben der Deutschen; in den Gassen der alten Moldaustadt, die schon soviel Blut getrunken haben, haust wieder einmal die entfesselte Bestialität eines Barbarcnvolkes, das sich im Herzen von Europa zwar einige Flitter abendländischer Bildung angeeignet hat, aber im Immer» unverändert geblieben ist, und die Salven krachen gegen die Meuterer. Der roheste Bürger¬ und Rassenkrieg ist da, wenige Eisenbahnstnnden von der deutschen Grenze. „Ihr salee Blut, und steht bestürzt, daß Blut ist aufgegangen," dies Wort Vullers kaun man heute den klugen österreichischen Staatsmännern aller Parteien zurufen. Seit dreißig Jahren haben politischer Unverstand und politische ' Grenzboten IV 1897 'l!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/451>, abgerufen am 26.06.2024.