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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Zur Lage der Lehrer an den höher" Schulen Preußens

aus Verhältnismäßig jungen Leuten, andre aus ältern bestehen, so hätte es
kommen können, daß an einzelnen Schulen verhältnismäßig junge Leute in den
Genuß der Funktionszulage traten, an andern dagegen viel ältere Leute leer
ausgingen. Darum gewährt die Verwaltung jetzt diese Zulage durch den ganzen
Staat den dienstältesten Oberlehrern, und zwar einer so großen Zahl von ihnen,
wie sie sich ergiebt, wenn man die Hälfte der Oberlehrer an "Vollanstalten"
und das Viertel der Oberlehrer an "Nichtvollanstalten" zusammenzählt. So
Pflegen augenblicklich die staatlichen Oberlehrer ungefähr nach dem vierzehnten
Dienstjahre zu dem Genuß der 900-Markzulage zu gelangen, gleichviel, ob sie
in obern oder nur in mittlern Klassen, an einer "Vollanstalt" oder einer
..Nichtvollanstalt" unterrichten. Es ist das eine gerechte Lösung, die allgemeine
Billigung gefunden hat, denn unter der Bestimmung: "nur einem Viertel der
Oberlehrer an Nichtvollanstalten" leiden nun alle Oberlehrer gleichmäßig.

Die großen Städte, die mehrere Anstalten haben, haben es nun dem
Staate nachgemacht und gewähren ihren Oberlehrern die Funktionszulage in
derselben Weise. Da hat z. B. die Stadt X an ihren drei ..Vollanstalten"
sechsunddreißig Oberlehrer und an der "Nichtvollanstalt" sechs Oberlehrer.
Die Funktionszulage muß also gezahlt werden an 18 ^- 1 ^ 19 Oberlehrer,
und zwar erhalten sie die neunzehn dienstältesten der Stadt, gleichviel an welcher
Anstalt sie unterrichten. So ist es denn gekommen, daß augenblicklich an der
"Nichtvollanstalt" vier die Funktionsznlage beziehen, dagegen an der einen
"Bollanstalt", die jüngere Kräfte hat, nur drei.

So werden bei größern Gemeinden, die mehrere Schulen haben, die
Oberlehrer ziemlich zu derselben Zeit zum Genuß der 900-Markzulage ge¬
langen, wie die an den Stacitscinstaltcn. Daß auch da zeitweise Verschieden¬
heiten eintreten können, zeigt das Beispiel Breslaus, wo augenblicklich die
städtischen Oberlehrer vier Jahre später dazukommen als die königlichen Ober¬
lehrer. Außer der Einbuße von jährlich 900 Mark sind übrigens die Breslauer
Oberlehrer auch noch insofern benachteiligt, als mit dem Empfang der Funktions¬
zulage eine Verminderung der. wöchentlichen Pslichtstunden um zwei Stunden
eintritt. Viel größer ist aber die Verschiedenheit bei den kleinern Städten, die nur
eine Schule unterhalten. Dort hat ein Oberlehrer schon nach drei Dienstjahren,
andre nach fünf, andre nach zehn oder gar erst nach zwanzig Jahren und noch
später die Funktionszulage erhalten. Geradezu traurig aber sind die Ver¬
hältnisse an den "Nichtvollanstalten" der kleinern Städte, wo nur einer von
allen Kollegen die Funktionszulage erhält; denu der vierte Teil von sieben,
sechs oder fünf giebt nach den Rechnungen der Gemeinden immer nur eins!
Unter diesen Verhältnissen sind dort immer mehrere Lehrer, die niemals in
ihrem Leben zum Genuß der Funktiouszulage kommen werden, auch wenn sie
durch Zeugnis und Lehrbefähigung dazu berechtigt siud. Durch diese Be¬
stimmung der Unterrichtsverwaltung sind sie geradezu zu Lehrern zweiter


Zur Lage der Lehrer an den höher» Schulen Preußens

aus Verhältnismäßig jungen Leuten, andre aus ältern bestehen, so hätte es
kommen können, daß an einzelnen Schulen verhältnismäßig junge Leute in den
Genuß der Funktionszulage traten, an andern dagegen viel ältere Leute leer
ausgingen. Darum gewährt die Verwaltung jetzt diese Zulage durch den ganzen
Staat den dienstältesten Oberlehrern, und zwar einer so großen Zahl von ihnen,
wie sie sich ergiebt, wenn man die Hälfte der Oberlehrer an „Vollanstalten"
und das Viertel der Oberlehrer an „Nichtvollanstalten" zusammenzählt. So
Pflegen augenblicklich die staatlichen Oberlehrer ungefähr nach dem vierzehnten
Dienstjahre zu dem Genuß der 900-Markzulage zu gelangen, gleichviel, ob sie
in obern oder nur in mittlern Klassen, an einer „Vollanstalt" oder einer
..Nichtvollanstalt" unterrichten. Es ist das eine gerechte Lösung, die allgemeine
Billigung gefunden hat, denn unter der Bestimmung: „nur einem Viertel der
Oberlehrer an Nichtvollanstalten" leiden nun alle Oberlehrer gleichmäßig.

Die großen Städte, die mehrere Anstalten haben, haben es nun dem
Staate nachgemacht und gewähren ihren Oberlehrern die Funktionszulage in
derselben Weise. Da hat z. B. die Stadt X an ihren drei ..Vollanstalten"
sechsunddreißig Oberlehrer und an der „Nichtvollanstalt" sechs Oberlehrer.
Die Funktionszulage muß also gezahlt werden an 18 ^- 1 ^ 19 Oberlehrer,
und zwar erhalten sie die neunzehn dienstältesten der Stadt, gleichviel an welcher
Anstalt sie unterrichten. So ist es denn gekommen, daß augenblicklich an der
„Nichtvollanstalt" vier die Funktionsznlage beziehen, dagegen an der einen
„Bollanstalt", die jüngere Kräfte hat, nur drei.

So werden bei größern Gemeinden, die mehrere Schulen haben, die
Oberlehrer ziemlich zu derselben Zeit zum Genuß der 900-Markzulage ge¬
langen, wie die an den Stacitscinstaltcn. Daß auch da zeitweise Verschieden¬
heiten eintreten können, zeigt das Beispiel Breslaus, wo augenblicklich die
städtischen Oberlehrer vier Jahre später dazukommen als die königlichen Ober¬
lehrer. Außer der Einbuße von jährlich 900 Mark sind übrigens die Breslauer
Oberlehrer auch noch insofern benachteiligt, als mit dem Empfang der Funktions¬
zulage eine Verminderung der. wöchentlichen Pslichtstunden um zwei Stunden
eintritt. Viel größer ist aber die Verschiedenheit bei den kleinern Städten, die nur
eine Schule unterhalten. Dort hat ein Oberlehrer schon nach drei Dienstjahren,
andre nach fünf, andre nach zehn oder gar erst nach zwanzig Jahren und noch
später die Funktionszulage erhalten. Geradezu traurig aber sind die Ver¬
hältnisse an den „Nichtvollanstalten" der kleinern Städte, wo nur einer von
allen Kollegen die Funktionszulage erhält; denu der vierte Teil von sieben,
sechs oder fünf giebt nach den Rechnungen der Gemeinden immer nur eins!
Unter diesen Verhältnissen sind dort immer mehrere Lehrer, die niemals in
ihrem Leben zum Genuß der Funktiouszulage kommen werden, auch wenn sie
durch Zeugnis und Lehrbefähigung dazu berechtigt siud. Durch diese Be¬
stimmung der Unterrichtsverwaltung sind sie geradezu zu Lehrern zweiter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/23>, abgerufen am 26.06.2024.