Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.John Brinckman hat und augenblicklich stark in der Klemme sitzt, ein guter Gedanke: er will, Wie man sieht, ist die Geschichte nicht semitenfeindlich; versichert doch Interessant ist es, daß Reuter dieselbe Anekdote im zweiten Bande seiner John Brinckman hat und augenblicklich stark in der Klemme sitzt, ein guter Gedanke: er will, Wie man sieht, ist die Geschichte nicht semitenfeindlich; versichert doch Interessant ist es, daß Reuter dieselbe Anekdote im zweiten Bande seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226371"/> <fw type="header" place="top"> John Brinckman</fw><lb/> <p xml:id="ID_332" prev="#ID_331"> hat und augenblicklich stark in der Klemme sitzt, ein guter Gedanke: er will,<lb/> wenn „die Wolle staigt und er geht aus schadenfrei und noch darüber," dem<lb/> Vater einen Pelz kaufen und ihm diesen „anstellen zu Schleuderpreis, zu<lb/> Nampspreis." Simon, der mit den Österreichern, den Metalliks, in ähnlicher<lb/> Weise festsitzt, hat die gleiche Absicht, wenn seine Papiere in die Höhe gehen.<lb/> Und wirklich, Wolle und Papiere steigen, aber nun wartet natürlich Helmann<lb/> auf Simon und Simon auf Helmann, bis sich dann endlich Helmann ohne<lb/> Vorwissen seines Bruders entschließt und einen Pelz für sechzig Thaler ersteht,<lb/> den er seinem Vater für zehn Thaler verkauft. Jetzt erwacht in dem alten<lb/> Spinkus (spinknliren spekuliren) der alte, längst begrabne Handelsgeist, und<lb/> er verschachert den Pelz für fünfzehn Thaler an den Halsabschneider Jakob<lb/> Knotenheimer. Ebenso macht er es mit dem Pelz, den ihm am andern Tage<lb/> schließlich auch Simon bringt. Die Brüder haben dann die zweifelhafte<lb/> Freude, beim Lauberhüttenfest ihren Vater in seinem alten, schauderhaften<lb/> Mantel, ihre beiden persönlichen Feinde aber, Joel Herz und den graußen<lb/> Kommissionsrat Lazarus, die über den schäbigen Aufzug des alten Spinkus<lb/> stets gespottet haben, in den von Jakob Knotenheimer billig erstandnen neuen<lb/> Pelzen zu sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_333"> Wie man sieht, ist die Geschichte nicht semitenfeindlich; versichert doch<lb/> Brinckman ohnehin gleich zu Anfang, daß er die Juden und ihren Ritus<lb/> nicht schlecht zu machen beabsichtige, und spielt doch gerade der ungläubige<lb/> und allein im Tempel fehlende Jakob Knotenheimer die schlimmste Rolle, er.<lb/> der den Grundsatz hat: Allens for das Geschäft! Krieg ich es nich von die<lb/> Dodigen. nehm ich es von die Lebendigen, Gott soll mer strofen! Aber wer<lb/> will es Brinckman verübeln, daß er die komischen Seiten des Judentums für<lb/> seine Zwecke verwertet, und daß er im besondern die missingsche Judensprache<lb/> mit großer Kleinkunst humoristisch wiedergegeben hat? Auch sonst finden sich<lb/> manche komischen Einzelheiten, wenn z. B. der Doktor Ascher, „was ist ge¬<lb/> kommen aigens dazu her," in seiner Predigt am Purimfeste mit dem zweiten<lb/> Drachen den ihm unsympathischen Oberkirchenrat meinen und treffen möchte,<lb/> sich aber so vorsichtig dabei ausdrückt, daß ihn (abgesehen von dem schlauen<lb/> Kommissivnsrat) keiner versteht. Jedenfalls liest sich diese Erzählung gut und<lb/> wirkt mit ihren vielen humoristischen Lichtern komischer als der ernste und<lb/> gemessene Voß.</p><lb/> <p xml:id="ID_334" next="#ID_335"> Interessant ist es, daß Reuter dieselbe Anekdote im zweiten Bande seiner<lb/> Lauschen und niueis (En Schaub, S. 176 ff.) bearbeitet hat, und zwar mit<lb/> recht bezeichnenden Unterschieden. Der alte Moses ist zwar ein großer Geiz¬<lb/> hals, aber im ganzen doch eine ehrliche Haut. Anders seine vier Söhne, die<lb/> sich mit größer« Spekulationen beschäftigen und außerdem in höherer Bildung<lb/> machen. Da sie nun auch Gesellschaften geben, so kann es ihnen nicht angenehm<lb/> sein, daß sich ihr Vater dabei in seiner alten, schmutzigen Jacke den Gästen darstellt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0139]
John Brinckman
hat und augenblicklich stark in der Klemme sitzt, ein guter Gedanke: er will,
wenn „die Wolle staigt und er geht aus schadenfrei und noch darüber," dem
Vater einen Pelz kaufen und ihm diesen „anstellen zu Schleuderpreis, zu
Nampspreis." Simon, der mit den Österreichern, den Metalliks, in ähnlicher
Weise festsitzt, hat die gleiche Absicht, wenn seine Papiere in die Höhe gehen.
Und wirklich, Wolle und Papiere steigen, aber nun wartet natürlich Helmann
auf Simon und Simon auf Helmann, bis sich dann endlich Helmann ohne
Vorwissen seines Bruders entschließt und einen Pelz für sechzig Thaler ersteht,
den er seinem Vater für zehn Thaler verkauft. Jetzt erwacht in dem alten
Spinkus (spinknliren spekuliren) der alte, längst begrabne Handelsgeist, und
er verschachert den Pelz für fünfzehn Thaler an den Halsabschneider Jakob
Knotenheimer. Ebenso macht er es mit dem Pelz, den ihm am andern Tage
schließlich auch Simon bringt. Die Brüder haben dann die zweifelhafte
Freude, beim Lauberhüttenfest ihren Vater in seinem alten, schauderhaften
Mantel, ihre beiden persönlichen Feinde aber, Joel Herz und den graußen
Kommissionsrat Lazarus, die über den schäbigen Aufzug des alten Spinkus
stets gespottet haben, in den von Jakob Knotenheimer billig erstandnen neuen
Pelzen zu sehen.
Wie man sieht, ist die Geschichte nicht semitenfeindlich; versichert doch
Brinckman ohnehin gleich zu Anfang, daß er die Juden und ihren Ritus
nicht schlecht zu machen beabsichtige, und spielt doch gerade der ungläubige
und allein im Tempel fehlende Jakob Knotenheimer die schlimmste Rolle, er.
der den Grundsatz hat: Allens for das Geschäft! Krieg ich es nich von die
Dodigen. nehm ich es von die Lebendigen, Gott soll mer strofen! Aber wer
will es Brinckman verübeln, daß er die komischen Seiten des Judentums für
seine Zwecke verwertet, und daß er im besondern die missingsche Judensprache
mit großer Kleinkunst humoristisch wiedergegeben hat? Auch sonst finden sich
manche komischen Einzelheiten, wenn z. B. der Doktor Ascher, „was ist ge¬
kommen aigens dazu her," in seiner Predigt am Purimfeste mit dem zweiten
Drachen den ihm unsympathischen Oberkirchenrat meinen und treffen möchte,
sich aber so vorsichtig dabei ausdrückt, daß ihn (abgesehen von dem schlauen
Kommissivnsrat) keiner versteht. Jedenfalls liest sich diese Erzählung gut und
wirkt mit ihren vielen humoristischen Lichtern komischer als der ernste und
gemessene Voß.
Interessant ist es, daß Reuter dieselbe Anekdote im zweiten Bande seiner
Lauschen und niueis (En Schaub, S. 176 ff.) bearbeitet hat, und zwar mit
recht bezeichnenden Unterschieden. Der alte Moses ist zwar ein großer Geiz¬
hals, aber im ganzen doch eine ehrliche Haut. Anders seine vier Söhne, die
sich mit größer« Spekulationen beschäftigen und außerdem in höherer Bildung
machen. Da sie nun auch Gesellschaften geben, so kann es ihnen nicht angenehm
sein, daß sich ihr Vater dabei in seiner alten, schmutzigen Jacke den Gästen darstellt.
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