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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Abermals zum Heimatschutz

ausgeschlossen zu sein, und mau wird in den meisten Fällen am besten schweigen,
weil die Antwort auf die Entgegnung schon in dein ursprünglich Gesagten ge¬
geben ist. Doch die unter dein Titel "Zum Heimatschutz" in Ur. 23 der
Grenzboten enthaltenen Erörterungen über Verkopplung und Gemeinheitsteilnng
rühren von sachverständiger Seite her und verdienen deshalb besondre Be¬
achtung. Außerdem ist gerade dieses Gebiet in seinen Einzelheiten weiten Kreisen
wenig bekannt, und so benutze ich den erwünschten Anlaß, mich auch meiner¬
seits nochmals über die Sache zu äußern.

Vor allem muß ich der Voraussetzung entgegentreten, daß ich als ästhe-
tisirender Städter und gelegentlicher Vergnügungsreisender urteilte. Ich bin
vielmehr auf dem Lande auf ererbten Bauerngut ansässig, habe die Verkopplung
und Gemeinheitsteilung in meiner eignen Heimat, am eignen Besitz, ja unter
thätiger Teilnahme an den Beratungen, die vorausgingen, erlebt und habe
nicht nur hier, sondern auch anderwärts reichlich Gelegenheit gehabt, diese
Vorgänge samt ihren Folgen zu beobachten. Wenn ich also auch nicht mit
dem Pflug in der Hand persönlich wirtschafte und gewirtschaftet habe, so wird
mir doch mit dem, was der Verfasser jener Entgegnung berichtet, durch¬
aus nichts neues gesagt. Ja ich glaube eher ein unparteiisches Urteil aus
meiner Mittelstellung heraus für mich beanspruchen zu dürfen als er, weil ihn
sein Lebensberuf zum natürlichen Vertreter jener landwirtschaftlichen Maßregeln
macht.

Wem? man seine Schilderungen verkoppelter und unverloppelter Feld¬
marken liest, so sollte man fast meinen, dort sei das Paradies, hier Elend
und Verderben. Es ist ja wahr, daß die Aufforstung des Hainberges bei
Göttingen den Bewohnern der Stadt schöne, leicht zu erreichende Spazierwege
geschaffen und so eine Art von Ersatz geschafft hat für die Zerstörung des Land¬
schaftsbildes im ganzen, die auch hier als Folge der Verkopplung von alten
Göttingern schmerzlich empfunden und tief beklagt wird. Mildthätigkeit ist auch
eine schöne Sache, wo sie nötig geworden ist; aber natürlich geordnete, wenn auch
bescheidne Verhältnisse sind doch besser. Es ist ferner wahr, daß man bei der
bevorstehenden Verkopplung der Feldmark Hameln in ungewöhnlicher Weise
schonend vorzugehen und die sonst übliche geradlinig starre Mathematik der
Wcgenetzcmlage zu durchbrechen entschlossen ist. Den Bemühungen einsichtiger,
feinsinniger Männer ist es zu danken, daß hier die vorspringenden Waldecken
erhalten bleiben und in Bogenlinien geschwungne Fahrwege von Baumalleen
eingefaßt durch die Flur geführt werden sollen. Auch das wird andrerseits
niemand in Abrede stellen, daß es vielfach von alters her bedenkliche Hohl¬
wege zwischen Feldern und Wäldern gegeben hat, die dringend einer Auf¬
besserung oder auch eines Ersatzes durch bequemere, offne Fahrwege bedurften,
feuchte Striche, die ebenso dringend nach einer Entwäsferungscmlage seufzten.
Nur reichen alle solche Einzelheiten nicht hin, eine allgemeine Gewaltmaßregel,


Abermals zum Heimatschutz

ausgeschlossen zu sein, und mau wird in den meisten Fällen am besten schweigen,
weil die Antwort auf die Entgegnung schon in dein ursprünglich Gesagten ge¬
geben ist. Doch die unter dein Titel „Zum Heimatschutz" in Ur. 23 der
Grenzboten enthaltenen Erörterungen über Verkopplung und Gemeinheitsteilnng
rühren von sachverständiger Seite her und verdienen deshalb besondre Be¬
achtung. Außerdem ist gerade dieses Gebiet in seinen Einzelheiten weiten Kreisen
wenig bekannt, und so benutze ich den erwünschten Anlaß, mich auch meiner¬
seits nochmals über die Sache zu äußern.

Vor allem muß ich der Voraussetzung entgegentreten, daß ich als ästhe-
tisirender Städter und gelegentlicher Vergnügungsreisender urteilte. Ich bin
vielmehr auf dem Lande auf ererbten Bauerngut ansässig, habe die Verkopplung
und Gemeinheitsteilung in meiner eignen Heimat, am eignen Besitz, ja unter
thätiger Teilnahme an den Beratungen, die vorausgingen, erlebt und habe
nicht nur hier, sondern auch anderwärts reichlich Gelegenheit gehabt, diese
Vorgänge samt ihren Folgen zu beobachten. Wenn ich also auch nicht mit
dem Pflug in der Hand persönlich wirtschafte und gewirtschaftet habe, so wird
mir doch mit dem, was der Verfasser jener Entgegnung berichtet, durch¬
aus nichts neues gesagt. Ja ich glaube eher ein unparteiisches Urteil aus
meiner Mittelstellung heraus für mich beanspruchen zu dürfen als er, weil ihn
sein Lebensberuf zum natürlichen Vertreter jener landwirtschaftlichen Maßregeln
macht.

Wem? man seine Schilderungen verkoppelter und unverloppelter Feld¬
marken liest, so sollte man fast meinen, dort sei das Paradies, hier Elend
und Verderben. Es ist ja wahr, daß die Aufforstung des Hainberges bei
Göttingen den Bewohnern der Stadt schöne, leicht zu erreichende Spazierwege
geschaffen und so eine Art von Ersatz geschafft hat für die Zerstörung des Land¬
schaftsbildes im ganzen, die auch hier als Folge der Verkopplung von alten
Göttingern schmerzlich empfunden und tief beklagt wird. Mildthätigkeit ist auch
eine schöne Sache, wo sie nötig geworden ist; aber natürlich geordnete, wenn auch
bescheidne Verhältnisse sind doch besser. Es ist ferner wahr, daß man bei der
bevorstehenden Verkopplung der Feldmark Hameln in ungewöhnlicher Weise
schonend vorzugehen und die sonst übliche geradlinig starre Mathematik der
Wcgenetzcmlage zu durchbrechen entschlossen ist. Den Bemühungen einsichtiger,
feinsinniger Männer ist es zu danken, daß hier die vorspringenden Waldecken
erhalten bleiben und in Bogenlinien geschwungne Fahrwege von Baumalleen
eingefaßt durch die Flur geführt werden sollen. Auch das wird andrerseits
niemand in Abrede stellen, daß es vielfach von alters her bedenkliche Hohl¬
wege zwischen Feldern und Wäldern gegeben hat, die dringend einer Auf¬
besserung oder auch eines Ersatzes durch bequemere, offne Fahrwege bedurften,
feuchte Striche, die ebenso dringend nach einer Entwäsferungscmlage seufzten.
Nur reichen alle solche Einzelheiten nicht hin, eine allgemeine Gewaltmaßregel,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/120>, abgerufen am 26.06.2024.