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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zu dem Streit über die preußische Staatseisenbahnverwaltung

hoch anschlagen. "Nach unten" sind sie gar zu gern ebenso ablehnend und voll
Überhebung, wie sie das von den Juristen, zum Teil ja mit Recht, behaupten.
Auch in großen Privatbetrieben ist die Stellung der angestellten Ingenieure
den angestellten Kaufleuten gegenüber oft sehr anspruchsvoll. Ganz besonders
ungerechtfertigt, wenn auch sehr beliebt, scheint uns die Behauptung zu sein,
die juristische Vorbildung verleite den Eisenbahnbeamten zu ursachlicher, bureau¬
kratischer Kleinlichkeit und zum Zopf, während der technisch vorgebildete den
freien Blick mitbringe und bewahre. Ob er ihn mitbringt, wissen wir nicht,
aber daß der Techniker als Verantwortlicher Staatsbeamter recht oft zum
Virtuosen in peinlicher Umständlichkeit und Formenreitcrei wird, das wissen
wir, und das werden alle, die z. B. oft mit Baukonzessionssachen zu thun gehabt
haben, bezeugen. "Nach unten" hin sind eben auch in diesem Sinne technisch
vorgebildete höhere Beamte und Vorgesetzte um kein Haar besser als Juristen.
Aber das sind eigentlich Bemerkungen, die sich uns nur so nebenher aufdrängen.
Für die Frage, die uns hier beschäftigt, sind andre Dinge weit wichtiger. Die
Notwendigkeit, die Assessoren und die Baumeister gleich zu stellen, steht ja auch
sür uns, wie gesagt, außer Frage.

Ganz verfehlt ist der Vorwurf des Unteroffiziertums, d. h. der Besetzung
der untern Beamtenstellen mit zivilversorgungsbcrechtigten ehemaligen Unter¬
offizieren in der preußischen Staatsbahnverwaltung. Gewiß ist das Militär¬
anwärterwesen in manchen Zivildienstzweigen eine recht unliebsame Folge unsers
starken stehenden Heeres. Aber es ist so unvermeidlich wie das Heer selbst.
Wir können die Unteroffiziere nicht auf Lebenszeit anstellen. Mit Anfang der
dreißiger Jahre, wenn sie geheiratet haben oder heiraten wollen, ist es im all¬
gemeinen Zeit, zu sagen: Fort mit ihnen! Ohne schwere Schädigung des Dienstes
und der Tüchtigkeit der Armee ist das nicht zu ändern. Dann ist aber doch der
Dienst der Eisenbahnunterbeamten besonders geeignet, diese Leute auszunehmen
und ihnen eine Lebensstellung zu geben. Mit der freisinnigen Vorstellung, als
ob der preußische Unteroffizier in den Zivildienst nur schlechte Eigenschaften und
Ungezogenheiten aus seiner Militärzeit mitbringe, haben wir hier wohl nicht zu
rechnen. Wir sind gewiß nicht blind gegen manche Mängel, aber in vielen
Beziehungen ist der Unteroffizierdienst eine ganz vorzügliche Schule. Pünkt¬
lichkeit, Genauigkeit im Dienst, im Beobachten und Melden, Gewöhnung an
Wind und Wetter -- wo lernen denn das Leute dieses Bildungsgrades und
dieser Lebensansprüche besser als im Unteroffizierdienst? Nirgends aber ist eine
Art von militärischer Zucht so angebracht als im Eisenbahudienst. Erfreulicher¬
weise wird ja auch schou bei der Truppe seit Jahren beim Unterricht der
Kapitulanten mehr und mehr auf die Bedürfnisse der spätern Zivilstelluug
Rücksicht genommen. Wir wissen also in der That nicht, wo man mit dem
erwähnten Vorwürfe praktisch hinauswill.

Die Disziplin ist im Eisenbahndienst der Anfang und das Ende, und


Zu dem Streit über die preußische Staatseisenbahnverwaltung

hoch anschlagen. „Nach unten" sind sie gar zu gern ebenso ablehnend und voll
Überhebung, wie sie das von den Juristen, zum Teil ja mit Recht, behaupten.
Auch in großen Privatbetrieben ist die Stellung der angestellten Ingenieure
den angestellten Kaufleuten gegenüber oft sehr anspruchsvoll. Ganz besonders
ungerechtfertigt, wenn auch sehr beliebt, scheint uns die Behauptung zu sein,
die juristische Vorbildung verleite den Eisenbahnbeamten zu ursachlicher, bureau¬
kratischer Kleinlichkeit und zum Zopf, während der technisch vorgebildete den
freien Blick mitbringe und bewahre. Ob er ihn mitbringt, wissen wir nicht,
aber daß der Techniker als Verantwortlicher Staatsbeamter recht oft zum
Virtuosen in peinlicher Umständlichkeit und Formenreitcrei wird, das wissen
wir, und das werden alle, die z. B. oft mit Baukonzessionssachen zu thun gehabt
haben, bezeugen. „Nach unten" hin sind eben auch in diesem Sinne technisch
vorgebildete höhere Beamte und Vorgesetzte um kein Haar besser als Juristen.
Aber das sind eigentlich Bemerkungen, die sich uns nur so nebenher aufdrängen.
Für die Frage, die uns hier beschäftigt, sind andre Dinge weit wichtiger. Die
Notwendigkeit, die Assessoren und die Baumeister gleich zu stellen, steht ja auch
sür uns, wie gesagt, außer Frage.

Ganz verfehlt ist der Vorwurf des Unteroffiziertums, d. h. der Besetzung
der untern Beamtenstellen mit zivilversorgungsbcrechtigten ehemaligen Unter¬
offizieren in der preußischen Staatsbahnverwaltung. Gewiß ist das Militär¬
anwärterwesen in manchen Zivildienstzweigen eine recht unliebsame Folge unsers
starken stehenden Heeres. Aber es ist so unvermeidlich wie das Heer selbst.
Wir können die Unteroffiziere nicht auf Lebenszeit anstellen. Mit Anfang der
dreißiger Jahre, wenn sie geheiratet haben oder heiraten wollen, ist es im all¬
gemeinen Zeit, zu sagen: Fort mit ihnen! Ohne schwere Schädigung des Dienstes
und der Tüchtigkeit der Armee ist das nicht zu ändern. Dann ist aber doch der
Dienst der Eisenbahnunterbeamten besonders geeignet, diese Leute auszunehmen
und ihnen eine Lebensstellung zu geben. Mit der freisinnigen Vorstellung, als
ob der preußische Unteroffizier in den Zivildienst nur schlechte Eigenschaften und
Ungezogenheiten aus seiner Militärzeit mitbringe, haben wir hier wohl nicht zu
rechnen. Wir sind gewiß nicht blind gegen manche Mängel, aber in vielen
Beziehungen ist der Unteroffizierdienst eine ganz vorzügliche Schule. Pünkt¬
lichkeit, Genauigkeit im Dienst, im Beobachten und Melden, Gewöhnung an
Wind und Wetter — wo lernen denn das Leute dieses Bildungsgrades und
dieser Lebensansprüche besser als im Unteroffizierdienst? Nirgends aber ist eine
Art von militärischer Zucht so angebracht als im Eisenbahudienst. Erfreulicher¬
weise wird ja auch schou bei der Truppe seit Jahren beim Unterricht der
Kapitulanten mehr und mehr auf die Bedürfnisse der spätern Zivilstelluug
Rücksicht genommen. Wir wissen also in der That nicht, wo man mit dem
erwähnten Vorwürfe praktisch hinauswill.

Die Disziplin ist im Eisenbahndienst der Anfang und das Ende, und


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[0570] Zu dem Streit über die preußische Staatseisenbahnverwaltung hoch anschlagen. „Nach unten" sind sie gar zu gern ebenso ablehnend und voll Überhebung, wie sie das von den Juristen, zum Teil ja mit Recht, behaupten. Auch in großen Privatbetrieben ist die Stellung der angestellten Ingenieure den angestellten Kaufleuten gegenüber oft sehr anspruchsvoll. Ganz besonders ungerechtfertigt, wenn auch sehr beliebt, scheint uns die Behauptung zu sein, die juristische Vorbildung verleite den Eisenbahnbeamten zu ursachlicher, bureau¬ kratischer Kleinlichkeit und zum Zopf, während der technisch vorgebildete den freien Blick mitbringe und bewahre. Ob er ihn mitbringt, wissen wir nicht, aber daß der Techniker als Verantwortlicher Staatsbeamter recht oft zum Virtuosen in peinlicher Umständlichkeit und Formenreitcrei wird, das wissen wir, und das werden alle, die z. B. oft mit Baukonzessionssachen zu thun gehabt haben, bezeugen. „Nach unten" hin sind eben auch in diesem Sinne technisch vorgebildete höhere Beamte und Vorgesetzte um kein Haar besser als Juristen. Aber das sind eigentlich Bemerkungen, die sich uns nur so nebenher aufdrängen. Für die Frage, die uns hier beschäftigt, sind andre Dinge weit wichtiger. Die Notwendigkeit, die Assessoren und die Baumeister gleich zu stellen, steht ja auch sür uns, wie gesagt, außer Frage. Ganz verfehlt ist der Vorwurf des Unteroffiziertums, d. h. der Besetzung der untern Beamtenstellen mit zivilversorgungsbcrechtigten ehemaligen Unter¬ offizieren in der preußischen Staatsbahnverwaltung. Gewiß ist das Militär¬ anwärterwesen in manchen Zivildienstzweigen eine recht unliebsame Folge unsers starken stehenden Heeres. Aber es ist so unvermeidlich wie das Heer selbst. Wir können die Unteroffiziere nicht auf Lebenszeit anstellen. Mit Anfang der dreißiger Jahre, wenn sie geheiratet haben oder heiraten wollen, ist es im all¬ gemeinen Zeit, zu sagen: Fort mit ihnen! Ohne schwere Schädigung des Dienstes und der Tüchtigkeit der Armee ist das nicht zu ändern. Dann ist aber doch der Dienst der Eisenbahnunterbeamten besonders geeignet, diese Leute auszunehmen und ihnen eine Lebensstellung zu geben. Mit der freisinnigen Vorstellung, als ob der preußische Unteroffizier in den Zivildienst nur schlechte Eigenschaften und Ungezogenheiten aus seiner Militärzeit mitbringe, haben wir hier wohl nicht zu rechnen. Wir sind gewiß nicht blind gegen manche Mängel, aber in vielen Beziehungen ist der Unteroffizierdienst eine ganz vorzügliche Schule. Pünkt¬ lichkeit, Genauigkeit im Dienst, im Beobachten und Melden, Gewöhnung an Wind und Wetter — wo lernen denn das Leute dieses Bildungsgrades und dieser Lebensansprüche besser als im Unteroffizierdienst? Nirgends aber ist eine Art von militärischer Zucht so angebracht als im Eisenbahudienst. Erfreulicher¬ weise wird ja auch schou bei der Truppe seit Jahren beim Unterricht der Kapitulanten mehr und mehr auf die Bedürfnisse der spätern Zivilstelluug Rücksicht genommen. Wir wissen also in der That nicht, wo man mit dem erwähnten Vorwürfe praktisch hinauswill. Die Disziplin ist im Eisenbahndienst der Anfang und das Ende, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/570>, abgerufen am 29.12.2024.