Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Zur Psychologie der Tierspiele sich auf die Lauer und bietet seine ganze wunderbare Strategie auf, einen Bei all den bisher besprochnen Spielarten liegt das Wesentliche des Ge¬ Zur Psychologie der Tierspiele sich auf die Lauer und bietet seine ganze wunderbare Strategie auf, einen Bei all den bisher besprochnen Spielarten liegt das Wesentliche des Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225623"/> <fw type="header" place="top"> Zur Psychologie der Tierspiele</fw><lb/> <p xml:id="ID_76" prev="#ID_75"> sich auf die Lauer und bietet seine ganze wunderbare Strategie auf, einen<lb/> vorüberfliegenden Schmetterling zu haschen." Die Jagdspiele zweier Foxterrier<lb/> untereinander sind oft schon halbe Kampfspiele. Auch die Neckereien vieler<lb/> Tiere sind wenigstens Vorstufen zu Kämpfen oder treten da auf, wo tue<lb/> Kampflust selbst sich nicht auswirken kann. „Ein Waschbär, schreibt Beckmann.<lb/> der nebst andern gezähmten Vierfüßlern auf einem Gehöfte gehalten wurde,<lb/> hatte eine besondre Zuneigung zu einem Dachse gefaßt, de^ in einem kleinen<lb/> eingefriedigten Raume frei umherwandelte. An heißen Tagen pflegte Grunmbart<lb/> seinen Bau zu verlassen, um auf der Oberwelt im Schatten eines FKeder-<lb/> busches sein Schläfchen fortzusetzen. In solchem Falle war der Schupp sosort<lb/> zur Stelle; weil er aber das scharfe Gebiß des Dachses fürchtete, hielt er sich<lb/> in achtungsvoller Entfernung und begnügte sich damit, jenen mit ausgestreckter<lb/> Pfote in regelmäßigen Zwischenräumen leise am Hinterteile zu berühren. Dies<lb/> genügte, den trägen Gesellen beständig wach zu halten und fast zur Ver¬<lb/> zweiflung zu bringen. Vergebens schnappte er nach seinem Peiniger; der ge¬<lb/> wandte Waschbär zog sich beiseite aus die Einfriedigung des Zwingers zurück,<lb/> und kaum hatte sich Grimmbart wieder zur Ruhe begeben, so begann der<lb/> Waschbär seine Thätigkeit aufs neue." Sind beide Parteien zum Kampfspiel<lb/> bereit, so entsteht, namentlich unter jungen Tieren, die schönste Katzbalgerei.<lb/> Namentlich an jungen Hunden hat Groos hübsche Beobachtungen darüber<lb/> gemacht. Er berichtet: „Junge Foxterriers suchen sich gewöhnlich beim ersten<lb/> Ansturm umzurennen. Andre bäumen sich gegeneinander auf und kämpfen,<lb/> auf den Hinterbeinen stehend, mit Vorderpfoten und Zähnen. Sowie einer<lb/> umgeworfen wird, legt er sich augenblicklich auf den Rücken, um das Genick<lb/> zu schützen, und hält den Gegner mit allen vier Pfoten geschickt von sich ab.<lb/> Dieser, ebenso gewandt, stellt sich mit ausgespreizten Füßen über den strampelnd<lb/> daliegenden Feind und hindert ihn am Wiederaufstehen. Sind die Hunde von<lb/> verschiedner Größe, so legt sich der größere oft von vornherein auf den Rücken<lb/> und wehrt mit lässigen Bewegungen den Kleinen ab. der eben unter wütendem<lb/> Gebrumm von allen Seiten her an die Kehle zu kommen sucht. Die gro߬<lb/> artig ruhigen Bewegungen eines mächtigen Leonbergers im Gegensatze zu<lb/> der Keckheit und Heftigkeit eines kleinen Seideupintschers, der ihn auf diese<lb/> Weise angriff, haben mir oft einen entzückenden Anblick geboten."</p><lb/> <p xml:id="ID_77" next="#ID_78"> Bei all den bisher besprochnen Spielarten liegt das Wesentliche des Ge¬<lb/> nusses in einer Selbstdarstellung des Einzelwesens. Anders bei der Bau¬<lb/> kunst. Man wird zwar auch hier nicht leugnen können, daß die Freude an<lb/> der eignen Leistung, die Auswirkung des Ich im Sinne einer Selbstdarstellung<lb/> beteiligt ist — mau denke an Lotzes feine Bemerkung, daß wir unser Ich z. B.<lb/> tastend bis an das Ende unsers Spazierstocks ausdehnen —, aber der Genuß<lb/> erscheint vielmehr an das Objekt gebunden, und der an diesen arbeitende und<lb/> schaffende Trieb ist die Lust an der Ausschmückung. Es ist sehr schwer, etwas</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
Zur Psychologie der Tierspiele
sich auf die Lauer und bietet seine ganze wunderbare Strategie auf, einen
vorüberfliegenden Schmetterling zu haschen." Die Jagdspiele zweier Foxterrier
untereinander sind oft schon halbe Kampfspiele. Auch die Neckereien vieler
Tiere sind wenigstens Vorstufen zu Kämpfen oder treten da auf, wo tue
Kampflust selbst sich nicht auswirken kann. „Ein Waschbär, schreibt Beckmann.
der nebst andern gezähmten Vierfüßlern auf einem Gehöfte gehalten wurde,
hatte eine besondre Zuneigung zu einem Dachse gefaßt, de^ in einem kleinen
eingefriedigten Raume frei umherwandelte. An heißen Tagen pflegte Grunmbart
seinen Bau zu verlassen, um auf der Oberwelt im Schatten eines FKeder-
busches sein Schläfchen fortzusetzen. In solchem Falle war der Schupp sosort
zur Stelle; weil er aber das scharfe Gebiß des Dachses fürchtete, hielt er sich
in achtungsvoller Entfernung und begnügte sich damit, jenen mit ausgestreckter
Pfote in regelmäßigen Zwischenräumen leise am Hinterteile zu berühren. Dies
genügte, den trägen Gesellen beständig wach zu halten und fast zur Ver¬
zweiflung zu bringen. Vergebens schnappte er nach seinem Peiniger; der ge¬
wandte Waschbär zog sich beiseite aus die Einfriedigung des Zwingers zurück,
und kaum hatte sich Grimmbart wieder zur Ruhe begeben, so begann der
Waschbär seine Thätigkeit aufs neue." Sind beide Parteien zum Kampfspiel
bereit, so entsteht, namentlich unter jungen Tieren, die schönste Katzbalgerei.
Namentlich an jungen Hunden hat Groos hübsche Beobachtungen darüber
gemacht. Er berichtet: „Junge Foxterriers suchen sich gewöhnlich beim ersten
Ansturm umzurennen. Andre bäumen sich gegeneinander auf und kämpfen,
auf den Hinterbeinen stehend, mit Vorderpfoten und Zähnen. Sowie einer
umgeworfen wird, legt er sich augenblicklich auf den Rücken, um das Genick
zu schützen, und hält den Gegner mit allen vier Pfoten geschickt von sich ab.
Dieser, ebenso gewandt, stellt sich mit ausgespreizten Füßen über den strampelnd
daliegenden Feind und hindert ihn am Wiederaufstehen. Sind die Hunde von
verschiedner Größe, so legt sich der größere oft von vornherein auf den Rücken
und wehrt mit lässigen Bewegungen den Kleinen ab. der eben unter wütendem
Gebrumm von allen Seiten her an die Kehle zu kommen sucht. Die gro߬
artig ruhigen Bewegungen eines mächtigen Leonbergers im Gegensatze zu
der Keckheit und Heftigkeit eines kleinen Seideupintschers, der ihn auf diese
Weise angriff, haben mir oft einen entzückenden Anblick geboten."
Bei all den bisher besprochnen Spielarten liegt das Wesentliche des Ge¬
nusses in einer Selbstdarstellung des Einzelwesens. Anders bei der Bau¬
kunst. Man wird zwar auch hier nicht leugnen können, daß die Freude an
der eignen Leistung, die Auswirkung des Ich im Sinne einer Selbstdarstellung
beteiligt ist — mau denke an Lotzes feine Bemerkung, daß wir unser Ich z. B.
tastend bis an das Ende unsers Spazierstocks ausdehnen —, aber der Genuß
erscheint vielmehr an das Objekt gebunden, und der an diesen arbeitende und
schaffende Trieb ist die Lust an der Ausschmückung. Es ist sehr schwer, etwas
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