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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Reserve- und Landwehroffiziere

Heerordnung als Ziel gesetzte "kriegsmäßige" Ausbildung der Reserveoffiziere
sehr unwesentlich.

Es müßte also zum Grundsatz erhoben werden, während der Kompagnie-
und Bataillonsschule Reserveoffiziere überhaupt nicht einzuberufen. Man
lege die Übungen entweder in den Winter, wo sich mit einigem guten Willen
Leute des zweiten Jahrgangs in genügender Anzahl zu Felddienstübungen und
zum Exerziren zusammenbringen ließen, oder, und das wäre das beste, mau
lege sie in den Zeitraum zwischen die Bataillonsbcsichtigung und den Schluß
der Hcrbstübungen. Sie nur zu den Herbstübungen einzuberufen, würde sich
deshalb nicht empfehlen, weil der Subalternoffizier da zwar sehr viel sieht, aber
kaum je zum selbständigen Handeln kommt. Man lege also die Übungen nur
zur Hälfte in die Zeit der Herbstübuugen, zur andern Hälfte aber in die un¬
mittelbar vorhergehenden zwei bis drei Monate, dann kann und darf der
Reserveoffizier keine Last für die Truppe sein.

Bei richtiger, eifriger Ausnutzung der zu Übungszwecken verfügbaren
Zeit würden sicherlich vier bis sechs Wochen reichlich genügen, und eine Ab¬
kürzung der langen acht Wochen wäre beiden Teilen nicht unerwünscht.
Natürlich, wenn man eine achtwöchige Übung so merkwürdig geschickt legt, daß
in sie Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten hineinfüllt, wo die Hälfte der Kom¬
pagnie auf Urlaub geht, und der Nest durch Arbeit und Kommandos in An¬
spruch genommen wird, wo der Kompagniechef sein Bedauern aussprechen muß,
deu Offizier nicht beschäftigen zu können, wenn man den eingezognen Offizier
im Gegensatz zu deu Bestimmungen der Heerordnung zum Wachtdienst, zum
Meuagedienst, zum Gerichtsdienst, zu Kammerrevisionen usw. mit Vorliebe zur
Entlastung der aktiven Herren heranzieht, so sind auch acht Wochen noch lauge
nicht ausreichend, um die von der Heerordnung gesetzten Ziele auch nur einiger¬
maßen zu erreichen. Was soll man dazu sagen, wenn ein eiugezogner Offizier
erst nach vierzehn Tagen den ersten Felddienst und schon acht Tage vor Schluß
der Übung den letzten Dienst angesetzt bekommt, bei dem er etwas lernen kann?
Da bleiben nur noch fünf Wochen übrig, und wenn in diese noch das Vataillons-
^erziren fällt, kann man sich vorstellen, wie viel oder wie wenig die ganze
Übung genutzt haben wird.

Es müßte den Kompagniechefs, die für die praktische Ausbildung ver¬
antwortlich sind, zur Pflicht gemacht werden, bei Anlernung des Dienstes auf
den eingezognen Offizier und dessen Ausbildung Rücksicht zu nehmen. Feld-
dienst, Gefecht, Zugcxcrziren, Schießen müßte besonders oft stattfinden, ins¬
besondre aber auch ihm öfter Gelegenheit geboten werden, sich im Kommandiren
zu üben, und zwar nicht immer unter peinlicher Aufsicht und fortwährendem
Korrigiren. Wie soll mau die so streug geforderte Haltung vor der Front, wie
Joll man das Gefühl der Sicherheit bekommen, wenn nicht durch Übung? Das
sollte alles selbstverständlich sein, und doch wird es nur selten beachtet. Am


Reserve- und Landwehroffiziere

Heerordnung als Ziel gesetzte „kriegsmäßige" Ausbildung der Reserveoffiziere
sehr unwesentlich.

Es müßte also zum Grundsatz erhoben werden, während der Kompagnie-
und Bataillonsschule Reserveoffiziere überhaupt nicht einzuberufen. Man
lege die Übungen entweder in den Winter, wo sich mit einigem guten Willen
Leute des zweiten Jahrgangs in genügender Anzahl zu Felddienstübungen und
zum Exerziren zusammenbringen ließen, oder, und das wäre das beste, mau
lege sie in den Zeitraum zwischen die Bataillonsbcsichtigung und den Schluß
der Hcrbstübungen. Sie nur zu den Herbstübungen einzuberufen, würde sich
deshalb nicht empfehlen, weil der Subalternoffizier da zwar sehr viel sieht, aber
kaum je zum selbständigen Handeln kommt. Man lege also die Übungen nur
zur Hälfte in die Zeit der Herbstübuugen, zur andern Hälfte aber in die un¬
mittelbar vorhergehenden zwei bis drei Monate, dann kann und darf der
Reserveoffizier keine Last für die Truppe sein.

Bei richtiger, eifriger Ausnutzung der zu Übungszwecken verfügbaren
Zeit würden sicherlich vier bis sechs Wochen reichlich genügen, und eine Ab¬
kürzung der langen acht Wochen wäre beiden Teilen nicht unerwünscht.
Natürlich, wenn man eine achtwöchige Übung so merkwürdig geschickt legt, daß
in sie Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten hineinfüllt, wo die Hälfte der Kom¬
pagnie auf Urlaub geht, und der Nest durch Arbeit und Kommandos in An¬
spruch genommen wird, wo der Kompagniechef sein Bedauern aussprechen muß,
deu Offizier nicht beschäftigen zu können, wenn man den eingezognen Offizier
im Gegensatz zu deu Bestimmungen der Heerordnung zum Wachtdienst, zum
Meuagedienst, zum Gerichtsdienst, zu Kammerrevisionen usw. mit Vorliebe zur
Entlastung der aktiven Herren heranzieht, so sind auch acht Wochen noch lauge
nicht ausreichend, um die von der Heerordnung gesetzten Ziele auch nur einiger¬
maßen zu erreichen. Was soll man dazu sagen, wenn ein eiugezogner Offizier
erst nach vierzehn Tagen den ersten Felddienst und schon acht Tage vor Schluß
der Übung den letzten Dienst angesetzt bekommt, bei dem er etwas lernen kann?
Da bleiben nur noch fünf Wochen übrig, und wenn in diese noch das Vataillons-
^erziren fällt, kann man sich vorstellen, wie viel oder wie wenig die ganze
Übung genutzt haben wird.

Es müßte den Kompagniechefs, die für die praktische Ausbildung ver¬
antwortlich sind, zur Pflicht gemacht werden, bei Anlernung des Dienstes auf
den eingezognen Offizier und dessen Ausbildung Rücksicht zu nehmen. Feld-
dienst, Gefecht, Zugcxcrziren, Schießen müßte besonders oft stattfinden, ins¬
besondre aber auch ihm öfter Gelegenheit geboten werden, sich im Kommandiren
zu üben, und zwar nicht immer unter peinlicher Aufsicht und fortwährendem
Korrigiren. Wie soll mau die so streug geforderte Haltung vor der Front, wie
Joll man das Gefühl der Sicherheit bekommen, wenn nicht durch Übung? Das
sollte alles selbstverständlich sein, und doch wird es nur selten beachtet. Am


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[0359] Reserve- und Landwehroffiziere Heerordnung als Ziel gesetzte „kriegsmäßige" Ausbildung der Reserveoffiziere sehr unwesentlich. Es müßte also zum Grundsatz erhoben werden, während der Kompagnie- und Bataillonsschule Reserveoffiziere überhaupt nicht einzuberufen. Man lege die Übungen entweder in den Winter, wo sich mit einigem guten Willen Leute des zweiten Jahrgangs in genügender Anzahl zu Felddienstübungen und zum Exerziren zusammenbringen ließen, oder, und das wäre das beste, mau lege sie in den Zeitraum zwischen die Bataillonsbcsichtigung und den Schluß der Hcrbstübungen. Sie nur zu den Herbstübungen einzuberufen, würde sich deshalb nicht empfehlen, weil der Subalternoffizier da zwar sehr viel sieht, aber kaum je zum selbständigen Handeln kommt. Man lege also die Übungen nur zur Hälfte in die Zeit der Herbstübuugen, zur andern Hälfte aber in die un¬ mittelbar vorhergehenden zwei bis drei Monate, dann kann und darf der Reserveoffizier keine Last für die Truppe sein. Bei richtiger, eifriger Ausnutzung der zu Übungszwecken verfügbaren Zeit würden sicherlich vier bis sechs Wochen reichlich genügen, und eine Ab¬ kürzung der langen acht Wochen wäre beiden Teilen nicht unerwünscht. Natürlich, wenn man eine achtwöchige Übung so merkwürdig geschickt legt, daß in sie Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten hineinfüllt, wo die Hälfte der Kom¬ pagnie auf Urlaub geht, und der Nest durch Arbeit und Kommandos in An¬ spruch genommen wird, wo der Kompagniechef sein Bedauern aussprechen muß, deu Offizier nicht beschäftigen zu können, wenn man den eingezognen Offizier im Gegensatz zu deu Bestimmungen der Heerordnung zum Wachtdienst, zum Meuagedienst, zum Gerichtsdienst, zu Kammerrevisionen usw. mit Vorliebe zur Entlastung der aktiven Herren heranzieht, so sind auch acht Wochen noch lauge nicht ausreichend, um die von der Heerordnung gesetzten Ziele auch nur einiger¬ maßen zu erreichen. Was soll man dazu sagen, wenn ein eiugezogner Offizier erst nach vierzehn Tagen den ersten Felddienst und schon acht Tage vor Schluß der Übung den letzten Dienst angesetzt bekommt, bei dem er etwas lernen kann? Da bleiben nur noch fünf Wochen übrig, und wenn in diese noch das Vataillons- ^erziren fällt, kann man sich vorstellen, wie viel oder wie wenig die ganze Übung genutzt haben wird. Es müßte den Kompagniechefs, die für die praktische Ausbildung ver¬ antwortlich sind, zur Pflicht gemacht werden, bei Anlernung des Dienstes auf den eingezognen Offizier und dessen Ausbildung Rücksicht zu nehmen. Feld- dienst, Gefecht, Zugcxcrziren, Schießen müßte besonders oft stattfinden, ins¬ besondre aber auch ihm öfter Gelegenheit geboten werden, sich im Kommandiren zu üben, und zwar nicht immer unter peinlicher Aufsicht und fortwährendem Korrigiren. Wie soll mau die so streug geforderte Haltung vor der Front, wie Joll man das Gefühl der Sicherheit bekommen, wenn nicht durch Übung? Das sollte alles selbstverständlich sein, und doch wird es nur selten beachtet. Am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/359>, abgerufen am 24.07.2024.