Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches der Arbeiten zu sein, mit denen der russische Finanzminister eine Anzahl der Soboleff macht auch auf die Untersuchungen über die Wirkung der Getreide¬ Zum Schluß äußert sich Soboleff dahin, daß bis jetzt der Verbrauch in n^or-r Wir habe" Teueruugsgefahreu in Deutschland Gott sei Dank vorläufig uicht Maßgebliches und Unmaßgebliches der Arbeiten zu sein, mit denen der russische Finanzminister eine Anzahl der Soboleff macht auch auf die Untersuchungen über die Wirkung der Getreide¬ Zum Schluß äußert sich Soboleff dahin, daß bis jetzt der Verbrauch in n^or-r Wir habe» Teueruugsgefahreu in Deutschland Gott sei Dank vorläufig uicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225824"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_587" prev="#ID_586"> der Arbeiten zu sein, mit denen der russische Finanzminister eine Anzahl der<lb/> Nationalökonomen und Statistiker beauftragt hatte, um die Wirkungen der Getreide¬<lb/> preise auf das wirtschaftliche Leben zu untersuchen. Ans dem darüber erschienenen<lb/> Werke teilt jetzt Michael von Soboleff einiges in Conrads Jahrbüchern mit<lb/> (13. Band, 6. Heft). Die gesamte Bauernbevölkerung hat von höhern Getreide¬<lb/> preisen so gut wie keinen Vorteil zu erwarten. Nur 9 Prozent der Bauern haben<lb/> von ihren Gemeindeparzellen einen Überschuß nu Getreide, den sie auf den Markt<lb/> bringen können. Der Grundbesitz, den die Bauern außer diesem Gemeindelande<lb/> käuflich erworben haben, soll unbedeutend sein, etwas bedeutender das gepachtete<lb/> Land. Traurig ist namentlich die Lage der Bauer» in den nördlichen Bezirken.<lb/> Hier decken die Einnahmen nicht die Ausgaben, und Schulden und Steuerrückstände<lb/> wachsen bedenklich. Privatgrundbesitzer — im Unterschiede von den Inhabern der<lb/> Gcmeindeparzellen — giebt es im Reiche 487 692. Etwa 12,5 Prozent davon<lb/> haben weniger als 1 Dessiatine, etwa 37,7 Prozent 1 bis 10, weitere 27,4 Prozent<lb/> haben 10 bis 50, weitere 22,4 Prozent mehr als 50 Dessintinen. Aber selbst<lb/> die Besitzer von Gütern zwischen 50 und 200 Dessintinen werden noch wenig von<lb/> den Getreidepreisen berührt. Ihre Güter, im Durchschnitt 102 Dessiatiueu, von<lb/> denen nur 42 auf Ackerland kommen, gewähren hauptsächlich den Lebensunterhalt<lb/> in lucku-a, wogegen der Geldertrag von dem Verkaufe des Getreides „eine Kleinig¬<lb/> keit" ist, d. h. immerhin zum Beispiel in Poltawa 300 Rubel. Im Norden ist er<lb/> bedeutend niedriger. So würden sich eigentlich erst die Eigentümer von 200 Dessin¬<lb/> tinen und mehr für den Mnrktpreis des Getreides interessiren. Man wird alle<lb/> diese Berechnungen mit Vorsicht aufzunehmen haben, sobald man allgemeine Schlüsse<lb/> daraus ziehen will. (Das gilt auch für Deutschland, wo neuerdings Dr. Stumpfe<lb/> aus einer Anzahl von kleinbäuerliche» Wirtschaftsrechnungen nachgewiesen haben<lb/> will, daß Wirtschaften von 2 Hektar und darunter in der Regel mehr Getreide<lb/> verknusten, als Körnerprodukte zukaufteu, mithin an hohen Getreidepreisen ein<lb/> Interesse hätten.)</p><lb/> <p xml:id="ID_588"> Soboleff macht auch auf die Untersuchungen über die Wirkung der Getreide¬<lb/> preise auf die Mobilisirung des Privatgrundbesitzes in Nußland aufmerksam. Mau<lb/> hat die Zahlen und Flächen der verkauften Grundstücke im Lause von fünfzehn Jahre»<lb/> i» 41 Bezirken verschiednen Gouvernements berechnet und mit den Getreidepreisen<lb/> verglichen und dabei übereinstimmend gefunden, daß hohe Getreidepreise die Mobi¬<lb/> lisirung des Grundbesitzes befördern.</p><lb/> <p xml:id="ID_589"> Zum Schluß äußert sich Soboleff dahin, daß bis jetzt der Verbrauch in n^or-r<lb/> in Nußland noch immer vorherrsche. Dem größten Teile der Bevölkerung komme<lb/> es uicht auf hohe Getreidepreise, sondern ans gute Ernten und große Natural-<lb/> vorräte an. Die internationalen Marktverhältnisse seien für einen verhältnismäßig<lb/> sehr kleinen Teil der russischen Landbevölkerung maßgebend. Es sei zu beklagen,<lb/> daß die russischen Bnucru einen so kleinen Grundbesitz hätten, dnß er sie nicht<lb/> einmal ernähren könne, daß sie sich in einem Zustande fortwährenden Hungers be¬<lb/> fänden. Aber die Thatsache bleibe bestehen, daß sich die russische Landbevölkerung<lb/> nach billigem Getreide und guten Ernte» sehne, »ut daß hohe Preise eine ernsthafte<lb/> Verwirrung in der Volkswirtschaft Rußlands erzeuge» würde».</p><lb/> <p xml:id="ID_590"> Wir habe» Teueruugsgefahreu in Deutschland Gott sei Dank vorläufig uicht<lb/> zu fürchten. Aber vielleicht werden auch bei uns interessante Studien zu machen<lb/> sein, wenn das neueste Verlangen des Bundes der Landwirte, die Sperrung der<lb/> Grenzen gegen ausländisches Getreide, verwirklicht sein wird. Jedenfalls werden<lb/> wir dann bei deu Russen in die Schule gehe» indessen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0238]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
der Arbeiten zu sein, mit denen der russische Finanzminister eine Anzahl der
Nationalökonomen und Statistiker beauftragt hatte, um die Wirkungen der Getreide¬
preise auf das wirtschaftliche Leben zu untersuchen. Ans dem darüber erschienenen
Werke teilt jetzt Michael von Soboleff einiges in Conrads Jahrbüchern mit
(13. Band, 6. Heft). Die gesamte Bauernbevölkerung hat von höhern Getreide¬
preisen so gut wie keinen Vorteil zu erwarten. Nur 9 Prozent der Bauern haben
von ihren Gemeindeparzellen einen Überschuß nu Getreide, den sie auf den Markt
bringen können. Der Grundbesitz, den die Bauern außer diesem Gemeindelande
käuflich erworben haben, soll unbedeutend sein, etwas bedeutender das gepachtete
Land. Traurig ist namentlich die Lage der Bauer» in den nördlichen Bezirken.
Hier decken die Einnahmen nicht die Ausgaben, und Schulden und Steuerrückstände
wachsen bedenklich. Privatgrundbesitzer — im Unterschiede von den Inhabern der
Gcmeindeparzellen — giebt es im Reiche 487 692. Etwa 12,5 Prozent davon
haben weniger als 1 Dessiatine, etwa 37,7 Prozent 1 bis 10, weitere 27,4 Prozent
haben 10 bis 50, weitere 22,4 Prozent mehr als 50 Dessintinen. Aber selbst
die Besitzer von Gütern zwischen 50 und 200 Dessintinen werden noch wenig von
den Getreidepreisen berührt. Ihre Güter, im Durchschnitt 102 Dessiatiueu, von
denen nur 42 auf Ackerland kommen, gewähren hauptsächlich den Lebensunterhalt
in lucku-a, wogegen der Geldertrag von dem Verkaufe des Getreides „eine Kleinig¬
keit" ist, d. h. immerhin zum Beispiel in Poltawa 300 Rubel. Im Norden ist er
bedeutend niedriger. So würden sich eigentlich erst die Eigentümer von 200 Dessin¬
tinen und mehr für den Mnrktpreis des Getreides interessiren. Man wird alle
diese Berechnungen mit Vorsicht aufzunehmen haben, sobald man allgemeine Schlüsse
daraus ziehen will. (Das gilt auch für Deutschland, wo neuerdings Dr. Stumpfe
aus einer Anzahl von kleinbäuerliche» Wirtschaftsrechnungen nachgewiesen haben
will, daß Wirtschaften von 2 Hektar und darunter in der Regel mehr Getreide
verknusten, als Körnerprodukte zukaufteu, mithin an hohen Getreidepreisen ein
Interesse hätten.)
Soboleff macht auch auf die Untersuchungen über die Wirkung der Getreide¬
preise auf die Mobilisirung des Privatgrundbesitzes in Nußland aufmerksam. Mau
hat die Zahlen und Flächen der verkauften Grundstücke im Lause von fünfzehn Jahre»
i» 41 Bezirken verschiednen Gouvernements berechnet und mit den Getreidepreisen
verglichen und dabei übereinstimmend gefunden, daß hohe Getreidepreise die Mobi¬
lisirung des Grundbesitzes befördern.
Zum Schluß äußert sich Soboleff dahin, daß bis jetzt der Verbrauch in n^or-r
in Nußland noch immer vorherrsche. Dem größten Teile der Bevölkerung komme
es uicht auf hohe Getreidepreise, sondern ans gute Ernten und große Natural-
vorräte an. Die internationalen Marktverhältnisse seien für einen verhältnismäßig
sehr kleinen Teil der russischen Landbevölkerung maßgebend. Es sei zu beklagen,
daß die russischen Bnucru einen so kleinen Grundbesitz hätten, dnß er sie nicht
einmal ernähren könne, daß sie sich in einem Zustande fortwährenden Hungers be¬
fänden. Aber die Thatsache bleibe bestehen, daß sich die russische Landbevölkerung
nach billigem Getreide und guten Ernte» sehne, »ut daß hohe Preise eine ernsthafte
Verwirrung in der Volkswirtschaft Rußlands erzeuge» würde».
Wir habe» Teueruugsgefahreu in Deutschland Gott sei Dank vorläufig uicht
zu fürchten. Aber vielleicht werden auch bei uns interessante Studien zu machen
sein, wenn das neueste Verlangen des Bundes der Landwirte, die Sperrung der
Grenzen gegen ausländisches Getreide, verwirklicht sein wird. Jedenfalls werden
wir dann bei deu Russen in die Schule gehe» indessen.
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