Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.Deutsche Kolonisation Spuren ihrer Zerstörung." Die Perle von Mesopotamien, Nisibis, zählt jetzt Wegen der einheitlichen, systematischen Bewässerungsanlagen muß das Deutsche Kolonisation Spuren ihrer Zerstörung." Die Perle von Mesopotamien, Nisibis, zählt jetzt Wegen der einheitlichen, systematischen Bewässerungsanlagen muß das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225007"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Kolonisation</fw><lb/> <p xml:id="ID_216" prev="#ID_215"> Spuren ihrer Zerstörung." Die Perle von Mesopotamien, Nisibis, zählt jetzt<lb/> hundertzwanzig Häuser; vor der Araberzeit soll es 600000 Einwohner gehabt<lb/> haben. In Mosul führt die Landstraße zwanzig Minuten lang durch ver¬<lb/> lassene und zerfallne Häuser. Die Beduinen und die türkischen Steuererheber<lb/> sind die Zerstörer jedes Kulturansatzes; wer von beiden als der schlimmere Feind<lb/> anzusehen ist, kann zweifelhaft heilt. Seit mehr als einem Jahrtausend besteht<lb/> hier der Kampf zwischen Zcltbewohnern und Hausbewohnern, zwischen Jägern<lb/> und Nomaden einerseits, Ackerbauern andrerseits. Es sind zwei verschiedne<lb/> Kulturen, die sich überall, wo sie zusammenstoßen, auf den Tod befeinden.<lb/> In vorislamitischer Zeit hatten sich die Ackerbciner zum Teil mit einigen der<lb/> mächtigsten Beduinenstämme durch regelmüßige Tributzahluugen abgefunden,<lb/> dafür übernahmen diese den Schutz der Ansiedlungen gegen ihre wildern Brüder.<lb/> Es ist wahrscheinlich, daß sich die schwächer» und unterdrückten Stämme auch<lb/> heute den neuen Herren anschließen würden; im übrigen muß sich aber jede<lb/> Kolonisation dort selber zu schützen imstande sein gegen die Beduinenhorden.<lb/> Gewehrfeuer und besser noch Feuer aus leichten Geschützen vertragen die Be¬<lb/> duinen schlecht, sie fürchten dabei vor allem den Verlust ihrer kostbaren Pferde,<lb/> ihrer besten Habe. Aber Respekt muß man ihnen einflößen; je eher und je<lb/> kräftiger das geschieht, desto milder wird sich das Verfahren im ganzen ge¬<lb/> stalten. Es ist zu bedenken, daß jede Ackerbnukolouie eine Herausforderung der<lb/> nomadisirenden Beduinen ist; Sprenger fordert daher für den Beginn Ackerbau-<lb/> kvlonien von mindestens zehntausend waffenfähigen Männern, jeder einzelne<lb/> bewaffnet und im Gebrauche der Waffen geübt. Welches andre Volk könnte<lb/> sich besser dieser Aufgabe unterziehen, als Deutschland mit seinem zähen, arbeit¬<lb/> samen, begabten und wehrhaften Volke? Dazu fände sich überall ein Feld<lb/> reicher Thätigkeit für Ingenieure, sür Techniker aller Art, für Handwerker, Kauf¬<lb/> leute, Verwaltnngsbenmte und auch für Kapitalisten und thatkräftige Unternehmer.<lb/> Unter allen Ländern der Erde giebt es keins, das so wie Syrien und Assyrien<lb/> zur Kolonisation einlüde. Hier giebt es keinen Urwald auszuroden wie in<lb/> Brasilien, keine Naturschwierigkeiten zu überwinden; man hat nur den Boden<lb/> aufzukratzen, zu säen und zu ernten. Babylonien erfordert größere Kunstbauten<lb/> für die Kanalisation und Drciniruug. Palästina und die syrische Meeresküste<lb/> eignen sich nicht zur Ansiedlung, weil das beste Land im Besitz der Einwohner<lb/> und angebaut ist, und weil die Ansiedler uicht in Masse zusammenbleibe!! können.<lb/> Dagegen ist das Land östlich vom Libanon, die sogenannte cölesyrische Ebene,<lb/> wieder höchst geeignet zum Kolonisntionsfeld.</p><lb/> <p xml:id="ID_217"> Wegen der einheitlichen, systematischen Bewässerungsanlagen muß das<lb/> ganze Euphrat-Tigrisbecken in einer Hand sein. Syrien, Assyrien und Meso¬<lb/> potamien sind ihrer geneigtem Bodenverhältnisse halber viel leichter und mit<lb/> geringern Kosten zu kolonisireu als Babylonier; ihre obere Lage macht auch<lb/> zur Bedingung, daß ihre Kolonisation der Babyloniens vorangehen müßte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Deutsche Kolonisation
Spuren ihrer Zerstörung." Die Perle von Mesopotamien, Nisibis, zählt jetzt
hundertzwanzig Häuser; vor der Araberzeit soll es 600000 Einwohner gehabt
haben. In Mosul führt die Landstraße zwanzig Minuten lang durch ver¬
lassene und zerfallne Häuser. Die Beduinen und die türkischen Steuererheber
sind die Zerstörer jedes Kulturansatzes; wer von beiden als der schlimmere Feind
anzusehen ist, kann zweifelhaft heilt. Seit mehr als einem Jahrtausend besteht
hier der Kampf zwischen Zcltbewohnern und Hausbewohnern, zwischen Jägern
und Nomaden einerseits, Ackerbauern andrerseits. Es sind zwei verschiedne
Kulturen, die sich überall, wo sie zusammenstoßen, auf den Tod befeinden.
In vorislamitischer Zeit hatten sich die Ackerbciner zum Teil mit einigen der
mächtigsten Beduinenstämme durch regelmüßige Tributzahluugen abgefunden,
dafür übernahmen diese den Schutz der Ansiedlungen gegen ihre wildern Brüder.
Es ist wahrscheinlich, daß sich die schwächer» und unterdrückten Stämme auch
heute den neuen Herren anschließen würden; im übrigen muß sich aber jede
Kolonisation dort selber zu schützen imstande sein gegen die Beduinenhorden.
Gewehrfeuer und besser noch Feuer aus leichten Geschützen vertragen die Be¬
duinen schlecht, sie fürchten dabei vor allem den Verlust ihrer kostbaren Pferde,
ihrer besten Habe. Aber Respekt muß man ihnen einflößen; je eher und je
kräftiger das geschieht, desto milder wird sich das Verfahren im ganzen ge¬
stalten. Es ist zu bedenken, daß jede Ackerbnukolouie eine Herausforderung der
nomadisirenden Beduinen ist; Sprenger fordert daher für den Beginn Ackerbau-
kvlonien von mindestens zehntausend waffenfähigen Männern, jeder einzelne
bewaffnet und im Gebrauche der Waffen geübt. Welches andre Volk könnte
sich besser dieser Aufgabe unterziehen, als Deutschland mit seinem zähen, arbeit¬
samen, begabten und wehrhaften Volke? Dazu fände sich überall ein Feld
reicher Thätigkeit für Ingenieure, sür Techniker aller Art, für Handwerker, Kauf¬
leute, Verwaltnngsbenmte und auch für Kapitalisten und thatkräftige Unternehmer.
Unter allen Ländern der Erde giebt es keins, das so wie Syrien und Assyrien
zur Kolonisation einlüde. Hier giebt es keinen Urwald auszuroden wie in
Brasilien, keine Naturschwierigkeiten zu überwinden; man hat nur den Boden
aufzukratzen, zu säen und zu ernten. Babylonien erfordert größere Kunstbauten
für die Kanalisation und Drciniruug. Palästina und die syrische Meeresküste
eignen sich nicht zur Ansiedlung, weil das beste Land im Besitz der Einwohner
und angebaut ist, und weil die Ansiedler uicht in Masse zusammenbleibe!! können.
Dagegen ist das Land östlich vom Libanon, die sogenannte cölesyrische Ebene,
wieder höchst geeignet zum Kolonisntionsfeld.
Wegen der einheitlichen, systematischen Bewässerungsanlagen muß das
ganze Euphrat-Tigrisbecken in einer Hand sein. Syrien, Assyrien und Meso¬
potamien sind ihrer geneigtem Bodenverhältnisse halber viel leichter und mit
geringern Kosten zu kolonisireu als Babylonier; ihre obere Lage macht auch
zur Bedingung, daß ihre Kolonisation der Babyloniens vorangehen müßte.
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