Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Reform des staatswissenschaftlicher Unterrichts
in Preußen

IN 4. Mai d. I. hat der Abgeordnete Freiherr von Zedlitz und
Neukirch im preußischen Abgeordnetenhause und am 28. Mai
der Freiherr von Stumm im Herrenhause den Stand des staats¬
wissenschaftlicher Unterrichts auf den preußischen Universitäten
einer scharfen Kritik unterzogen. Der preußische Unterrichts-
minister I)r. Bosse hat in beiden Fällen die sachliche Berechtigung einer Kritik
zugegeben, indem er die Notwendigkeit von Reformen anerkannte, aber er hat
mit aller Bestimmtheit die über die berechtigte Kritik hinausgehenden Forde¬
rungen der beiden Redner, namentlich die des Freiherrn von Stumm, zurück¬
gewiesen, indem er es rundweg ablehnte, die derzeitigen Vertreter der leider
auf den staatswissenschaftlicher Lehrstühlen im Übermaß zur Herrschaft gelangten
sozialistischen Einseitigkeit und Übertreibung auf Grund ihrer bisherigen Lehr¬
tätigkeit und sonstigen wissenschaftlichen Wirksamkeit, wie auch ihres außer¬
amtlichen und politischen Auftretens zu maßregeln.

Es muß einer sachlich richtigen Beurteilung der zur Sprache gebrachten
Frage Eintrag thun und ist an sich auch durchaus ungerechtfertigt, wenn man,
wie das vielfach geschieht, der Person des Freiherrn von Stumm eine besondre
Bedeutung beimißt. Nur um das abzuweisen, seien einige Bemerkungen über
die Stellung dieses viel zuviel genannten Mannes zu der Frage vorausgeschickt.
Wenige Zweige des Universitätsunterrichts und der wissenschnftlichen Wirksam¬
keit der vom Staat berufnen Professoren haben eine so große und praktische
Bedeutung sür die im Wirtschaftsleben stehenden Staatsbürger wie die heutige
Staatswissenschaft, die Lehre der Wirtschafts- und Sozialpolitik, und vor allen


Gre"zbotcn II 1897 W


Die Reform des staatswissenschaftlicher Unterrichts
in Preußen

IN 4. Mai d. I. hat der Abgeordnete Freiherr von Zedlitz und
Neukirch im preußischen Abgeordnetenhause und am 28. Mai
der Freiherr von Stumm im Herrenhause den Stand des staats¬
wissenschaftlicher Unterrichts auf den preußischen Universitäten
einer scharfen Kritik unterzogen. Der preußische Unterrichts-
minister I)r. Bosse hat in beiden Fällen die sachliche Berechtigung einer Kritik
zugegeben, indem er die Notwendigkeit von Reformen anerkannte, aber er hat
mit aller Bestimmtheit die über die berechtigte Kritik hinausgehenden Forde¬
rungen der beiden Redner, namentlich die des Freiherrn von Stumm, zurück¬
gewiesen, indem er es rundweg ablehnte, die derzeitigen Vertreter der leider
auf den staatswissenschaftlicher Lehrstühlen im Übermaß zur Herrschaft gelangten
sozialistischen Einseitigkeit und Übertreibung auf Grund ihrer bisherigen Lehr¬
tätigkeit und sonstigen wissenschaftlichen Wirksamkeit, wie auch ihres außer¬
amtlichen und politischen Auftretens zu maßregeln.

Es muß einer sachlich richtigen Beurteilung der zur Sprache gebrachten
Frage Eintrag thun und ist an sich auch durchaus ungerechtfertigt, wenn man,
wie das vielfach geschieht, der Person des Freiherrn von Stumm eine besondre
Bedeutung beimißt. Nur um das abzuweisen, seien einige Bemerkungen über
die Stellung dieses viel zuviel genannten Mannes zu der Frage vorausgeschickt.
Wenige Zweige des Universitätsunterrichts und der wissenschnftlichen Wirksam¬
keit der vom Staat berufnen Professoren haben eine so große und praktische
Bedeutung sür die im Wirtschaftsleben stehenden Staatsbürger wie die heutige
Staatswissenschaft, die Lehre der Wirtschafts- und Sozialpolitik, und vor allen


Gre»zbotcn II 1897 W
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225433"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341865_224927/figures/grenzboten_341865_224927_225433_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Reform des staatswissenschaftlicher Unterrichts<lb/>
in Preußen</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1632"> IN 4. Mai d. I. hat der Abgeordnete Freiherr von Zedlitz und<lb/>
Neukirch im preußischen Abgeordnetenhause und am 28. Mai<lb/>
der Freiherr von Stumm im Herrenhause den Stand des staats¬<lb/>
wissenschaftlicher Unterrichts auf den preußischen Universitäten<lb/>
einer scharfen Kritik unterzogen. Der preußische Unterrichts-<lb/>
minister I)r. Bosse hat in beiden Fällen die sachliche Berechtigung einer Kritik<lb/>
zugegeben, indem er die Notwendigkeit von Reformen anerkannte, aber er hat<lb/>
mit aller Bestimmtheit die über die berechtigte Kritik hinausgehenden Forde¬<lb/>
rungen der beiden Redner, namentlich die des Freiherrn von Stumm, zurück¬<lb/>
gewiesen, indem er es rundweg ablehnte, die derzeitigen Vertreter der leider<lb/>
auf den staatswissenschaftlicher Lehrstühlen im Übermaß zur Herrschaft gelangten<lb/>
sozialistischen Einseitigkeit und Übertreibung auf Grund ihrer bisherigen Lehr¬<lb/>
tätigkeit und sonstigen wissenschaftlichen Wirksamkeit, wie auch ihres außer¬<lb/>
amtlichen und politischen Auftretens zu maßregeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1633" next="#ID_1634"> Es muß einer sachlich richtigen Beurteilung der zur Sprache gebrachten<lb/>
Frage Eintrag thun und ist an sich auch durchaus ungerechtfertigt, wenn man,<lb/>
wie das vielfach geschieht, der Person des Freiherrn von Stumm eine besondre<lb/>
Bedeutung beimißt. Nur um das abzuweisen, seien einige Bemerkungen über<lb/>
die Stellung dieses viel zuviel genannten Mannes zu der Frage vorausgeschickt.<lb/>
Wenige Zweige des Universitätsunterrichts und der wissenschnftlichen Wirksam¬<lb/>
keit der vom Staat berufnen Professoren haben eine so große und praktische<lb/>
Bedeutung sür die im Wirtschaftsleben stehenden Staatsbürger wie die heutige<lb/>
Staatswissenschaft, die Lehre der Wirtschafts- und Sozialpolitik, und vor allen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Gre»zbotcn II 1897 W</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0505] [Abbildung] Die Reform des staatswissenschaftlicher Unterrichts in Preußen IN 4. Mai d. I. hat der Abgeordnete Freiherr von Zedlitz und Neukirch im preußischen Abgeordnetenhause und am 28. Mai der Freiherr von Stumm im Herrenhause den Stand des staats¬ wissenschaftlicher Unterrichts auf den preußischen Universitäten einer scharfen Kritik unterzogen. Der preußische Unterrichts- minister I)r. Bosse hat in beiden Fällen die sachliche Berechtigung einer Kritik zugegeben, indem er die Notwendigkeit von Reformen anerkannte, aber er hat mit aller Bestimmtheit die über die berechtigte Kritik hinausgehenden Forde¬ rungen der beiden Redner, namentlich die des Freiherrn von Stumm, zurück¬ gewiesen, indem er es rundweg ablehnte, die derzeitigen Vertreter der leider auf den staatswissenschaftlicher Lehrstühlen im Übermaß zur Herrschaft gelangten sozialistischen Einseitigkeit und Übertreibung auf Grund ihrer bisherigen Lehr¬ tätigkeit und sonstigen wissenschaftlichen Wirksamkeit, wie auch ihres außer¬ amtlichen und politischen Auftretens zu maßregeln. Es muß einer sachlich richtigen Beurteilung der zur Sprache gebrachten Frage Eintrag thun und ist an sich auch durchaus ungerechtfertigt, wenn man, wie das vielfach geschieht, der Person des Freiherrn von Stumm eine besondre Bedeutung beimißt. Nur um das abzuweisen, seien einige Bemerkungen über die Stellung dieses viel zuviel genannten Mannes zu der Frage vorausgeschickt. Wenige Zweige des Universitätsunterrichts und der wissenschnftlichen Wirksam¬ keit der vom Staat berufnen Professoren haben eine so große und praktische Bedeutung sür die im Wirtschaftsleben stehenden Staatsbürger wie die heutige Staatswissenschaft, die Lehre der Wirtschafts- und Sozialpolitik, und vor allen Gre»zbotcn II 1897 W

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/505
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/505>, abgerufen am 23.07.2024.