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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Die Agrarreform in Preußen

werden können, mit Diensten zu Gunsten des renteberechtigtcn Grundstücks
verwechselt? Ist ihm vielleicht entgangen, daß die Bestimmung des Ablösungs¬
gesetzes vom 2. März 1850, wonach einem Grundstück solche Dienste überhaupt
nicht mehr auferlegt werden können, durch die Rentengutsgesetze in keiner Weise
abgeändert sind, daß die Begründung zum Gesetz vom 27. Juni 1890 aus¬
drücklich ihr Bestehenbleiben hervorhebt? Der Vorschlag, derartige Dienste, zu
denen sich natürlich ein Nentengutsbesitzer ebensogut wie jeder andre Grund¬
eigentümer persönlich verpflichten kann, durch Vereinbarung eines Vorkaufs¬
rechts, zu dinglichen, an dem Grundstück haftenden zu machen und also das
Gesetz von 1850 zu umgehen, rührt wohl von dem von ihm angeführten
Gewährsmann Waldhecker her. Die UnHaltbarkeit dieser Auffassung liegt aber
doch zu Tage: nicht durch den Kauf des Grundstücks würde ein Besitznachfolger
in die Verpflichtung zur Leistung der Dienste eintreten, sondern nur durch
einen neuen persönlichen Vertrag. Also die Einrichtung des Rentenguts als
solchen ist an der Möglichkeit, derartige Dienste zu vereinbaren, völlig un¬
schuldig. Zur Beruhigung Brentanos möge aber auch noch hervorgehoben
werden, daß noch nicht ein einziger solcher Dienstvertrag mit einem Renten-
gutserwerber abgeschlossen worden ist.

Besondre Bestimmungen, aus denen das Wiederaufleben eines Obereigen¬
tums bei Rentengütern herzuleiten wäre, sind somit durch die Rentengutsgesetze
nicht eingeführt; der Nentengutsbesitzer entpuppt sich vielmehr als ein ganz
gewöhnlicher Sterblicher, der sein Rentengut ebenso gut und grundbuchmäßig
als freier Eigentümer besitzt wie jeder andre, dessen Grundbesitz mit einer
Tilgungshypothek belastet ist, und bei dem sich der Gläubiger zur Sicherung
seiner Forderung einige Verfügungsbeschränkungen ausbedungen hat. Schade!
Der Gedanke war so schön, Besitzer von Ländereien zu sein, die andern zu
Eigentum gehören! Ob aber nicht dieser Gedanke Beifall findet, sodaß sich die
Hypothekengläubiger nächstens auch noch Großgrundbesitzer nennen werden?

Beruht also die "Wiedereinführung des Obereigentums und feudaler
Besttzesverhältnissc" lediglich in der Phantasie des Verfassers, so stimmt auch
seine Darstellung des Anerbenrechts mit dem deshalb ergangnen Gesetz in
wesentlichen Punkten nicht überein. Daß er ein grundsätzlicher Gegner des
Anerbenrechts ist, soll ihm nicht verdacht werden; das entschuldigt aber nicht
die unrichtige Darstellung der Gesetzesbestimmungen. Wie soll man es be¬
zeichnen, wenn er behauptet, nach dem in der Begründung zum Anerbcngesetz
enthaltnen Beispiel bekäme der Anerbe das Gut im Werte von 30000 Mark,
während die vorhandnen zwei Brüder jeder vierteljährlich 16,40 Mark er¬
hielten? Warum verschweigt er hier, daß in dem Beispiel davon ausgegangen
wird, der Wert von 30000 Mark sei ein Verkaufswert, der den wahren
(Ertrags-)Wert um 5000 Mark übersteige? Warum verschweigt er weiter,
daß angenommen ist, das Gut sei mit Lasten und Schulden so behaftet, daß


Die Agrarreform in Preußen

werden können, mit Diensten zu Gunsten des renteberechtigtcn Grundstücks
verwechselt? Ist ihm vielleicht entgangen, daß die Bestimmung des Ablösungs¬
gesetzes vom 2. März 1850, wonach einem Grundstück solche Dienste überhaupt
nicht mehr auferlegt werden können, durch die Rentengutsgesetze in keiner Weise
abgeändert sind, daß die Begründung zum Gesetz vom 27. Juni 1890 aus¬
drücklich ihr Bestehenbleiben hervorhebt? Der Vorschlag, derartige Dienste, zu
denen sich natürlich ein Nentengutsbesitzer ebensogut wie jeder andre Grund¬
eigentümer persönlich verpflichten kann, durch Vereinbarung eines Vorkaufs¬
rechts, zu dinglichen, an dem Grundstück haftenden zu machen und also das
Gesetz von 1850 zu umgehen, rührt wohl von dem von ihm angeführten
Gewährsmann Waldhecker her. Die UnHaltbarkeit dieser Auffassung liegt aber
doch zu Tage: nicht durch den Kauf des Grundstücks würde ein Besitznachfolger
in die Verpflichtung zur Leistung der Dienste eintreten, sondern nur durch
einen neuen persönlichen Vertrag. Also die Einrichtung des Rentenguts als
solchen ist an der Möglichkeit, derartige Dienste zu vereinbaren, völlig un¬
schuldig. Zur Beruhigung Brentanos möge aber auch noch hervorgehoben
werden, daß noch nicht ein einziger solcher Dienstvertrag mit einem Renten-
gutserwerber abgeschlossen worden ist.

Besondre Bestimmungen, aus denen das Wiederaufleben eines Obereigen¬
tums bei Rentengütern herzuleiten wäre, sind somit durch die Rentengutsgesetze
nicht eingeführt; der Nentengutsbesitzer entpuppt sich vielmehr als ein ganz
gewöhnlicher Sterblicher, der sein Rentengut ebenso gut und grundbuchmäßig
als freier Eigentümer besitzt wie jeder andre, dessen Grundbesitz mit einer
Tilgungshypothek belastet ist, und bei dem sich der Gläubiger zur Sicherung
seiner Forderung einige Verfügungsbeschränkungen ausbedungen hat. Schade!
Der Gedanke war so schön, Besitzer von Ländereien zu sein, die andern zu
Eigentum gehören! Ob aber nicht dieser Gedanke Beifall findet, sodaß sich die
Hypothekengläubiger nächstens auch noch Großgrundbesitzer nennen werden?

Beruht also die „Wiedereinführung des Obereigentums und feudaler
Besttzesverhältnissc" lediglich in der Phantasie des Verfassers, so stimmt auch
seine Darstellung des Anerbenrechts mit dem deshalb ergangnen Gesetz in
wesentlichen Punkten nicht überein. Daß er ein grundsätzlicher Gegner des
Anerbenrechts ist, soll ihm nicht verdacht werden; das entschuldigt aber nicht
die unrichtige Darstellung der Gesetzesbestimmungen. Wie soll man es be¬
zeichnen, wenn er behauptet, nach dem in der Begründung zum Anerbcngesetz
enthaltnen Beispiel bekäme der Anerbe das Gut im Werte von 30000 Mark,
während die vorhandnen zwei Brüder jeder vierteljährlich 16,40 Mark er¬
hielten? Warum verschweigt er hier, daß in dem Beispiel davon ausgegangen
wird, der Wert von 30000 Mark sei ein Verkaufswert, der den wahren
(Ertrags-)Wert um 5000 Mark übersteige? Warum verschweigt er weiter,
daß angenommen ist, das Gut sei mit Lasten und Schulden so behaftet, daß


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[0494] Die Agrarreform in Preußen werden können, mit Diensten zu Gunsten des renteberechtigtcn Grundstücks verwechselt? Ist ihm vielleicht entgangen, daß die Bestimmung des Ablösungs¬ gesetzes vom 2. März 1850, wonach einem Grundstück solche Dienste überhaupt nicht mehr auferlegt werden können, durch die Rentengutsgesetze in keiner Weise abgeändert sind, daß die Begründung zum Gesetz vom 27. Juni 1890 aus¬ drücklich ihr Bestehenbleiben hervorhebt? Der Vorschlag, derartige Dienste, zu denen sich natürlich ein Nentengutsbesitzer ebensogut wie jeder andre Grund¬ eigentümer persönlich verpflichten kann, durch Vereinbarung eines Vorkaufs¬ rechts, zu dinglichen, an dem Grundstück haftenden zu machen und also das Gesetz von 1850 zu umgehen, rührt wohl von dem von ihm angeführten Gewährsmann Waldhecker her. Die UnHaltbarkeit dieser Auffassung liegt aber doch zu Tage: nicht durch den Kauf des Grundstücks würde ein Besitznachfolger in die Verpflichtung zur Leistung der Dienste eintreten, sondern nur durch einen neuen persönlichen Vertrag. Also die Einrichtung des Rentenguts als solchen ist an der Möglichkeit, derartige Dienste zu vereinbaren, völlig un¬ schuldig. Zur Beruhigung Brentanos möge aber auch noch hervorgehoben werden, daß noch nicht ein einziger solcher Dienstvertrag mit einem Renten- gutserwerber abgeschlossen worden ist. Besondre Bestimmungen, aus denen das Wiederaufleben eines Obereigen¬ tums bei Rentengütern herzuleiten wäre, sind somit durch die Rentengutsgesetze nicht eingeführt; der Nentengutsbesitzer entpuppt sich vielmehr als ein ganz gewöhnlicher Sterblicher, der sein Rentengut ebenso gut und grundbuchmäßig als freier Eigentümer besitzt wie jeder andre, dessen Grundbesitz mit einer Tilgungshypothek belastet ist, und bei dem sich der Gläubiger zur Sicherung seiner Forderung einige Verfügungsbeschränkungen ausbedungen hat. Schade! Der Gedanke war so schön, Besitzer von Ländereien zu sein, die andern zu Eigentum gehören! Ob aber nicht dieser Gedanke Beifall findet, sodaß sich die Hypothekengläubiger nächstens auch noch Großgrundbesitzer nennen werden? Beruht also die „Wiedereinführung des Obereigentums und feudaler Besttzesverhältnissc" lediglich in der Phantasie des Verfassers, so stimmt auch seine Darstellung des Anerbenrechts mit dem deshalb ergangnen Gesetz in wesentlichen Punkten nicht überein. Daß er ein grundsätzlicher Gegner des Anerbenrechts ist, soll ihm nicht verdacht werden; das entschuldigt aber nicht die unrichtige Darstellung der Gesetzesbestimmungen. Wie soll man es be¬ zeichnen, wenn er behauptet, nach dem in der Begründung zum Anerbcngesetz enthaltnen Beispiel bekäme der Anerbe das Gut im Werte von 30000 Mark, während die vorhandnen zwei Brüder jeder vierteljährlich 16,40 Mark er¬ hielten? Warum verschweigt er hier, daß in dem Beispiel davon ausgegangen wird, der Wert von 30000 Mark sei ein Verkaufswert, der den wahren (Ertrags-)Wert um 5000 Mark übersteige? Warum verschweigt er weiter, daß angenommen ist, das Gut sei mit Lasten und Schulden so behaftet, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/494>, abgerufen am 23.07.2024.