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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Die Agrarreform in Preußen

n den Nummern 24 bis 27 der Nation hat Professor Lujo
Brentano in München einen Aufsatz über "die Agrarreform in
Preußen" veröffentlicht, der vorzugsweise die Rentenguts- und
Auerbenrechtsgesetzgebung behandelt. Mau gerät in Verlegenheit,
ob man mehr das Geschick bewundern soll, mit dem der Verfasser
die ergcingnen Gesetze zu deuten und namentlich eine Anzahl der darin und
anderswo sich findenden Bestimmungen zu verschweigen weiß, um zu einem
ihm passenden Ergebnis zu kommen, oder mehr die Unbefangenheit und die
Überzeugung, mit der er seine Behauptungen vorbringt. Bei der immer
wachsenden Bedeutung dieser Gesetzgebung ist es daher wohl angebracht, gegen
ihre Entstellung und Mißdeutung energisch Verwahrung einzulegen, man mag
im übrigen über sie denken, wie man will.

Es würde zu weit sühren, dem Verfasser in der Entwicklung seiner Aus¬
fassung überallhin zu folgen, dabei Einzelheiten zu erörtern und zu zeigen,
daß diese in manchen Punkten unzutreffend sind; es wird genügen, sein Er¬
gebnis zu beleuchten, das er folgendermaßen zusammenfaßt:

Da ist der ostelbische Grundbesitz. Nach seiner eignen Angabe ist er hoch
verschuldet, teilweise sogar überschüttet. Da kommt Dr. Miquel und sagt: Ich
will euch helfen. Der Grund eurer Überschnldung ist, daß euer Grundbesitz viel
zu groß ist sür eure Mittel; dies hat, wie ihr erlebt habt, große Nachteile für
euch; es hat dies auch große Nachteile für den Staat, denn dem fehlt es infolge
dessen an Bauern. Ihr müßt euern Grundbesitz in Bauerngüter zerschlagen. Das
rettet euch; denn wenn ihr euern Grundbesitz im kleinen verkauft, erlöst ihr einen
weit höhern Preis als beim Verkauf im großen. Nun erwidert ihr, das hätten
euch schon Thaler und Stein und Hardenberg gesagt; dies aber sei eben das, was
ihr nicht wolltet; denn auf euerm großen Grundbesitz beruhe eure soziale Stellung
und euer politischer Einfluß. Und darin habt ihr ganz Recht. Auch bin ich der
letzte, der diese eure Stellung beseitigen möchte; denn ihr seid es, die den
preußischen Staat und damit das deutsche Reich in der Vergangenheit begründet
habt, und ihr seid die festesten Grundlagen für den Staat und das Königtum auch
in der Zukunft; ich erachte es als die erste Aufgabe des Staats, dafür Sorge zu
tragen, daß dieses feste Fundament, auf dem der preußische Staat aufgebaut ist,
erhalten werde. Das aber geschieht eben, wenn ihr auf meinen Vorschlag hört.
Der Fehler der Stein-Hardenbergischen Gesetzgebung war nicht der, daß sie euch
arriel, euern Grundbesitz zu zerschlagen, sondern daß sie euch nur die Möglichkeit


Grenzboten II 1897 01


Die Agrarreform in Preußen

n den Nummern 24 bis 27 der Nation hat Professor Lujo
Brentano in München einen Aufsatz über „die Agrarreform in
Preußen" veröffentlicht, der vorzugsweise die Rentenguts- und
Auerbenrechtsgesetzgebung behandelt. Mau gerät in Verlegenheit,
ob man mehr das Geschick bewundern soll, mit dem der Verfasser
die ergcingnen Gesetze zu deuten und namentlich eine Anzahl der darin und
anderswo sich findenden Bestimmungen zu verschweigen weiß, um zu einem
ihm passenden Ergebnis zu kommen, oder mehr die Unbefangenheit und die
Überzeugung, mit der er seine Behauptungen vorbringt. Bei der immer
wachsenden Bedeutung dieser Gesetzgebung ist es daher wohl angebracht, gegen
ihre Entstellung und Mißdeutung energisch Verwahrung einzulegen, man mag
im übrigen über sie denken, wie man will.

Es würde zu weit sühren, dem Verfasser in der Entwicklung seiner Aus¬
fassung überallhin zu folgen, dabei Einzelheiten zu erörtern und zu zeigen,
daß diese in manchen Punkten unzutreffend sind; es wird genügen, sein Er¬
gebnis zu beleuchten, das er folgendermaßen zusammenfaßt:

Da ist der ostelbische Grundbesitz. Nach seiner eignen Angabe ist er hoch
verschuldet, teilweise sogar überschüttet. Da kommt Dr. Miquel und sagt: Ich
will euch helfen. Der Grund eurer Überschnldung ist, daß euer Grundbesitz viel
zu groß ist sür eure Mittel; dies hat, wie ihr erlebt habt, große Nachteile für
euch; es hat dies auch große Nachteile für den Staat, denn dem fehlt es infolge
dessen an Bauern. Ihr müßt euern Grundbesitz in Bauerngüter zerschlagen. Das
rettet euch; denn wenn ihr euern Grundbesitz im kleinen verkauft, erlöst ihr einen
weit höhern Preis als beim Verkauf im großen. Nun erwidert ihr, das hätten
euch schon Thaler und Stein und Hardenberg gesagt; dies aber sei eben das, was
ihr nicht wolltet; denn auf euerm großen Grundbesitz beruhe eure soziale Stellung
und euer politischer Einfluß. Und darin habt ihr ganz Recht. Auch bin ich der
letzte, der diese eure Stellung beseitigen möchte; denn ihr seid es, die den
preußischen Staat und damit das deutsche Reich in der Vergangenheit begründet
habt, und ihr seid die festesten Grundlagen für den Staat und das Königtum auch
in der Zukunft; ich erachte es als die erste Aufgabe des Staats, dafür Sorge zu
tragen, daß dieses feste Fundament, auf dem der preußische Staat aufgebaut ist,
erhalten werde. Das aber geschieht eben, wenn ihr auf meinen Vorschlag hört.
Der Fehler der Stein-Hardenbergischen Gesetzgebung war nicht der, daß sie euch
arriel, euern Grundbesitz zu zerschlagen, sondern daß sie euch nur die Möglichkeit


Grenzboten II 1897 01
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/489>, abgerufen am 23.07.2024.