Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.modernen Kunst Platz einzuräumen. Gerade die Bahnbrecher, jene, über die Wir haben diesen langen Absatz aus der Vorrede einschließlich ihres Der geistvolle Amtsvorgäugcr des Herrn von Tschudi hat einmal in einer modernen Kunst Platz einzuräumen. Gerade die Bahnbrecher, jene, über die Wir haben diesen langen Absatz aus der Vorrede einschließlich ihres Der geistvolle Amtsvorgäugcr des Herrn von Tschudi hat einmal in einer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0382" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225310"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1279" prev="#ID_1278"> modernen Kunst Platz einzuräumen. Gerade die Bahnbrecher, jene, über die<lb/> mau zuerst lacht und sie(!) dann nachahmt, sind die starken Individualitäten,<lb/> die ihre Zeiten überdauern."</p><lb/> <p xml:id="ID_1280"> Wir haben diesen langen Absatz aus der Vorrede einschließlich ihres<lb/> groben Stilfehlers wörtlich wiedergegeben, weil er über die Art, wie Tschudi<lb/> die Kunstgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts begriffen hat, und wie er<lb/> über die Bestimmung der Nationalgalerie denkt, die für seine Beurteilung<lb/> nötigen Aufklärungen giebt. Die „Nationalgalerie" wäre also ein überwunduer<lb/> Standpunkt, und wir hätten uns nun an das „Museum der modernen Kunst"<lb/> zu gewöhnen. Die Inschrift an der Vorhalle des Tempelgebäudes lautet aber<lb/> immer noch „Der deutscheu Kunst." Ans der prächtigen Festrede, die der<lb/> frühere preußische Kultusminister Dr. von Goßler am 20. März bei der Feier<lb/> der Akademie der Künste zum hundertsten Geburtstage Kaiser Wilhelms I.<lb/> gehalten hat, haben wir erfahren, daß der Kaiser diese Inschrift selbst festgesetzt<lb/> hat, indem er aus dem ihm vorgelegten Entwurf „König Wilhelm der deutschen<lb/> Kunst" die beiden ersten Worte strich. Nun soll das alles anders werden,<lb/> und die Inschrift, die der Kaiser selbst gewühlt hat, soll ihren Inhalt<lb/> verlieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1281" next="#ID_1282"> Der geistvolle Amtsvorgäugcr des Herrn von Tschudi hat einmal in einer<lb/> Festrede bei Eröffnung einer internationalen Kunstausstellung in Berlin gesagt,<lb/> daß es schädlich sei, wenn sich die deutschen Künstler immer nur in dem eignen<lb/> Spiegel besahen. Internationale Kunstausstclluugeu sollten ihnen die Einseitigkeit<lb/> ihrer Anschanungen nehmen, und er gab auch schon zu verstehen, daß es nützlich<lb/> wäre, wenn auch ausländische Kunstwerke für deutsche Sammlungen angekauft<lb/> würden. Wir siud keineswegs blind gegen das Körnchen Wahrheit, das in<lb/> dieser Äußerung liegt, und Jordan ist auch, so lauge er die Macht hatte, mit<lb/> Ankäufen fremder Kunstwerke sehr vorsichtig gewesen. Wenn wir der Sache<lb/> auf den Grund gehen, so liegt auch gar kein Anlaß dazu vor, daß die öffent¬<lb/> lichen Sammlungen durch Aufwendung staatlicher Gelder die Vermittlung<lb/> zwischen deu deutschen und den fremden Künstlern herstellen. Das Geschäft,<lb/> die deutschen Künstler nach und nach von ihrer Nationalität zu entwöhnen,<lb/> wird hinreichend durch die großen internationalen Ausstellungen in München,<lb/> Berlin und Dresden und durch die privaten, aller drei Wochen und noch<lb/> häufiger ihren Inhalt wechselnden Ausstellungen der Kunsthändler besorgt, die<lb/> überwiegend ausländische Kunstwerke und solche Werke deutscher Künstler, die<lb/> die Ausländer nachäffen, auf den Markt bringen, unter lebhaftem Beifall aller<lb/> „modernen" Kunstschriftsteller und der gleichgesinnten Galeriedirektoren, die<lb/> schützend die Fittiche ihrer amtlichen Würde über ihre Pioniere in der Presse<lb/> breiten. Wenn nun einmal durchaus Frankreich, eigentlich nur Paris, als das<lb/> Vorbild aller sklavischen Auslandsanbeter in Geschmacksachen gelten soll —<lb/> warum nehmen sie sich nicht auch ein Beispiel an der kühlen Zurückhaltung,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0382]
modernen Kunst Platz einzuräumen. Gerade die Bahnbrecher, jene, über die
mau zuerst lacht und sie(!) dann nachahmt, sind die starken Individualitäten,
die ihre Zeiten überdauern."
Wir haben diesen langen Absatz aus der Vorrede einschließlich ihres
groben Stilfehlers wörtlich wiedergegeben, weil er über die Art, wie Tschudi
die Kunstgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts begriffen hat, und wie er
über die Bestimmung der Nationalgalerie denkt, die für seine Beurteilung
nötigen Aufklärungen giebt. Die „Nationalgalerie" wäre also ein überwunduer
Standpunkt, und wir hätten uns nun an das „Museum der modernen Kunst"
zu gewöhnen. Die Inschrift an der Vorhalle des Tempelgebäudes lautet aber
immer noch „Der deutscheu Kunst." Ans der prächtigen Festrede, die der
frühere preußische Kultusminister Dr. von Goßler am 20. März bei der Feier
der Akademie der Künste zum hundertsten Geburtstage Kaiser Wilhelms I.
gehalten hat, haben wir erfahren, daß der Kaiser diese Inschrift selbst festgesetzt
hat, indem er aus dem ihm vorgelegten Entwurf „König Wilhelm der deutschen
Kunst" die beiden ersten Worte strich. Nun soll das alles anders werden,
und die Inschrift, die der Kaiser selbst gewühlt hat, soll ihren Inhalt
verlieren.
Der geistvolle Amtsvorgäugcr des Herrn von Tschudi hat einmal in einer
Festrede bei Eröffnung einer internationalen Kunstausstellung in Berlin gesagt,
daß es schädlich sei, wenn sich die deutschen Künstler immer nur in dem eignen
Spiegel besahen. Internationale Kunstausstclluugeu sollten ihnen die Einseitigkeit
ihrer Anschanungen nehmen, und er gab auch schon zu verstehen, daß es nützlich
wäre, wenn auch ausländische Kunstwerke für deutsche Sammlungen angekauft
würden. Wir siud keineswegs blind gegen das Körnchen Wahrheit, das in
dieser Äußerung liegt, und Jordan ist auch, so lauge er die Macht hatte, mit
Ankäufen fremder Kunstwerke sehr vorsichtig gewesen. Wenn wir der Sache
auf den Grund gehen, so liegt auch gar kein Anlaß dazu vor, daß die öffent¬
lichen Sammlungen durch Aufwendung staatlicher Gelder die Vermittlung
zwischen deu deutschen und den fremden Künstlern herstellen. Das Geschäft,
die deutschen Künstler nach und nach von ihrer Nationalität zu entwöhnen,
wird hinreichend durch die großen internationalen Ausstellungen in München,
Berlin und Dresden und durch die privaten, aller drei Wochen und noch
häufiger ihren Inhalt wechselnden Ausstellungen der Kunsthändler besorgt, die
überwiegend ausländische Kunstwerke und solche Werke deutscher Künstler, die
die Ausländer nachäffen, auf den Markt bringen, unter lebhaftem Beifall aller
„modernen" Kunstschriftsteller und der gleichgesinnten Galeriedirektoren, die
schützend die Fittiche ihrer amtlichen Würde über ihre Pioniere in der Presse
breiten. Wenn nun einmal durchaus Frankreich, eigentlich nur Paris, als das
Vorbild aller sklavischen Auslandsanbeter in Geschmacksachen gelten soll —
warum nehmen sie sich nicht auch ein Beispiel an der kühlen Zurückhaltung,
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