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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Die Teilung der Provinz Posen

einer Majorisirung durch die Polen geschützt. Dies würde sich aber ändern,
sowie der Rechtszustand der andern Provinzen auf die dazu geschlagner
posenschen Gebiete ausgedehnt wäre. In mehreren Gegenden Posens ist der
Großgrundbesitz, der in dieser Frage die größte Wichtigkeit hat, meist in pol¬
nischen Händen, wir hätten also in vielen Landkreisen eine polnische Kreis¬
vertretung und als Ortspolizeibehörde eine große Zahl polnischer Amtsvorsteher
zu gewärtigen, wie wir schon heute in den Kleinstädter und Landgemeinden
mit gemischter Bevölkerung meist einen polnischen Bürgermeister und Schulzen
haben. Auch könnte sich auf das Verwaltungswesen der teilweise völlig polo-
uisirteu Landstädte, wie z. B. Schrodas, das in dieser Hinsicht berüchtigt ist,
noch ein weiterer Einfluß äußern, den ein polnischer Kreisausschuß als Auf¬
sichtsbehörde der städtischen Verwaltung ausüben würde. Mit einem Wort:
es würde eine Polonisirung der lokalen Verwaltung zu Ungunsten der deutschen
Bevölkerung eintreten. Das bedeutet aber bei den heutigen Verhältnissen eine
weitere Eindämmung des Deutschtums. Wenn diesen Erwägungen gegenüber
auf Oberschlesien und Westpreußen hingewiesen wird, wo die Organisation
der polizeilichen und kommunalen Verwaltung keine Abweichung erfahren hat,
so ist doch zu beachten, daß der Großgrundbesitz und die Großindustrie dort
überwiegend in deutschen Händen sind, und daß durch ihren Einfluß eine Ge¬
fährdung der deutschen Interessen in öffentlichen Angelegenheiten erfolgreich
fern gehalten wird.

Bisweilen wird als Grund gegen eine Teilung Posens noch die Schwierig¬
keit angeführt, die bei der reichen Entwicklung und der mannichfachen Ge¬
staltung des provinziellen Gemeinwesens die Bildung neuer Provinzialverbände
und die Vermögensauseinandersetzung bieten würden. Ein Ausschlag gehendes
Gewicht könnte aber diese Frage auf keinen Fall haben, wenn die Auflösung
der Provinz sonst einen Erfolg verspräche. So schwierig auch die Bildung
neuer, nicht auf den geschichtlichen Verhältnissen beruhender kommunaler
Körperschaften ist, so ist es doch nicht unmöglich, solche Gebilde zu schaffen
und Gebiete, die wirtschaftlich einstweilen nicht zusammenhängen, zu einem alle
sonstigen Interessen vereinigenden Ganzen zu verbinden.

Aus allem geht hervor, daß der von einer Teilung der Provinz Posen
erwartete Vorteil ans keinen Fall eintreten würde, die Auflösung würde sich
als völlig verfehlt erweisen und würde die Mühen und Kosten nicht lohnen.

Man wird nun geneigt sein, da das Polentum die deutsche Bevölkerung
immer mehr zurückgedrängt hat, den Wert der von den Behörden bis jetzt
zur Ausführung gebrachten Mittel in Zweifel zu ziehen. Aber die gegen¬
wärtige Lage in Posen ist nicht durch die Untauglichkeit der bisherigen Ma߬
nahmen, sondern nur dadurch verschuldet worden, daß man, ganz abgesehen
von der immer wieder versuchten Versöhnungspolitik, den Gang der allgemeinen
Staatspolitik auf die Behandlung der Polenfrage hat einwirken lassen. Das


Die Teilung der Provinz Posen

einer Majorisirung durch die Polen geschützt. Dies würde sich aber ändern,
sowie der Rechtszustand der andern Provinzen auf die dazu geschlagner
posenschen Gebiete ausgedehnt wäre. In mehreren Gegenden Posens ist der
Großgrundbesitz, der in dieser Frage die größte Wichtigkeit hat, meist in pol¬
nischen Händen, wir hätten also in vielen Landkreisen eine polnische Kreis¬
vertretung und als Ortspolizeibehörde eine große Zahl polnischer Amtsvorsteher
zu gewärtigen, wie wir schon heute in den Kleinstädter und Landgemeinden
mit gemischter Bevölkerung meist einen polnischen Bürgermeister und Schulzen
haben. Auch könnte sich auf das Verwaltungswesen der teilweise völlig polo-
uisirteu Landstädte, wie z. B. Schrodas, das in dieser Hinsicht berüchtigt ist,
noch ein weiterer Einfluß äußern, den ein polnischer Kreisausschuß als Auf¬
sichtsbehörde der städtischen Verwaltung ausüben würde. Mit einem Wort:
es würde eine Polonisirung der lokalen Verwaltung zu Ungunsten der deutschen
Bevölkerung eintreten. Das bedeutet aber bei den heutigen Verhältnissen eine
weitere Eindämmung des Deutschtums. Wenn diesen Erwägungen gegenüber
auf Oberschlesien und Westpreußen hingewiesen wird, wo die Organisation
der polizeilichen und kommunalen Verwaltung keine Abweichung erfahren hat,
so ist doch zu beachten, daß der Großgrundbesitz und die Großindustrie dort
überwiegend in deutschen Händen sind, und daß durch ihren Einfluß eine Ge¬
fährdung der deutschen Interessen in öffentlichen Angelegenheiten erfolgreich
fern gehalten wird.

Bisweilen wird als Grund gegen eine Teilung Posens noch die Schwierig¬
keit angeführt, die bei der reichen Entwicklung und der mannichfachen Ge¬
staltung des provinziellen Gemeinwesens die Bildung neuer Provinzialverbände
und die Vermögensauseinandersetzung bieten würden. Ein Ausschlag gehendes
Gewicht könnte aber diese Frage auf keinen Fall haben, wenn die Auflösung
der Provinz sonst einen Erfolg verspräche. So schwierig auch die Bildung
neuer, nicht auf den geschichtlichen Verhältnissen beruhender kommunaler
Körperschaften ist, so ist es doch nicht unmöglich, solche Gebilde zu schaffen
und Gebiete, die wirtschaftlich einstweilen nicht zusammenhängen, zu einem alle
sonstigen Interessen vereinigenden Ganzen zu verbinden.

Aus allem geht hervor, daß der von einer Teilung der Provinz Posen
erwartete Vorteil ans keinen Fall eintreten würde, die Auflösung würde sich
als völlig verfehlt erweisen und würde die Mühen und Kosten nicht lohnen.

Man wird nun geneigt sein, da das Polentum die deutsche Bevölkerung
immer mehr zurückgedrängt hat, den Wert der von den Behörden bis jetzt
zur Ausführung gebrachten Mittel in Zweifel zu ziehen. Aber die gegen¬
wärtige Lage in Posen ist nicht durch die Untauglichkeit der bisherigen Ma߬
nahmen, sondern nur dadurch verschuldet worden, daß man, ganz abgesehen
von der immer wieder versuchten Versöhnungspolitik, den Gang der allgemeinen
Staatspolitik auf die Behandlung der Polenfrage hat einwirken lassen. Das


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[0271] Die Teilung der Provinz Posen einer Majorisirung durch die Polen geschützt. Dies würde sich aber ändern, sowie der Rechtszustand der andern Provinzen auf die dazu geschlagner posenschen Gebiete ausgedehnt wäre. In mehreren Gegenden Posens ist der Großgrundbesitz, der in dieser Frage die größte Wichtigkeit hat, meist in pol¬ nischen Händen, wir hätten also in vielen Landkreisen eine polnische Kreis¬ vertretung und als Ortspolizeibehörde eine große Zahl polnischer Amtsvorsteher zu gewärtigen, wie wir schon heute in den Kleinstädter und Landgemeinden mit gemischter Bevölkerung meist einen polnischen Bürgermeister und Schulzen haben. Auch könnte sich auf das Verwaltungswesen der teilweise völlig polo- uisirteu Landstädte, wie z. B. Schrodas, das in dieser Hinsicht berüchtigt ist, noch ein weiterer Einfluß äußern, den ein polnischer Kreisausschuß als Auf¬ sichtsbehörde der städtischen Verwaltung ausüben würde. Mit einem Wort: es würde eine Polonisirung der lokalen Verwaltung zu Ungunsten der deutschen Bevölkerung eintreten. Das bedeutet aber bei den heutigen Verhältnissen eine weitere Eindämmung des Deutschtums. Wenn diesen Erwägungen gegenüber auf Oberschlesien und Westpreußen hingewiesen wird, wo die Organisation der polizeilichen und kommunalen Verwaltung keine Abweichung erfahren hat, so ist doch zu beachten, daß der Großgrundbesitz und die Großindustrie dort überwiegend in deutschen Händen sind, und daß durch ihren Einfluß eine Ge¬ fährdung der deutschen Interessen in öffentlichen Angelegenheiten erfolgreich fern gehalten wird. Bisweilen wird als Grund gegen eine Teilung Posens noch die Schwierig¬ keit angeführt, die bei der reichen Entwicklung und der mannichfachen Ge¬ staltung des provinziellen Gemeinwesens die Bildung neuer Provinzialverbände und die Vermögensauseinandersetzung bieten würden. Ein Ausschlag gehendes Gewicht könnte aber diese Frage auf keinen Fall haben, wenn die Auflösung der Provinz sonst einen Erfolg verspräche. So schwierig auch die Bildung neuer, nicht auf den geschichtlichen Verhältnissen beruhender kommunaler Körperschaften ist, so ist es doch nicht unmöglich, solche Gebilde zu schaffen und Gebiete, die wirtschaftlich einstweilen nicht zusammenhängen, zu einem alle sonstigen Interessen vereinigenden Ganzen zu verbinden. Aus allem geht hervor, daß der von einer Teilung der Provinz Posen erwartete Vorteil ans keinen Fall eintreten würde, die Auflösung würde sich als völlig verfehlt erweisen und würde die Mühen und Kosten nicht lohnen. Man wird nun geneigt sein, da das Polentum die deutsche Bevölkerung immer mehr zurückgedrängt hat, den Wert der von den Behörden bis jetzt zur Ausführung gebrachten Mittel in Zweifel zu ziehen. Aber die gegen¬ wärtige Lage in Posen ist nicht durch die Untauglichkeit der bisherigen Ma߬ nahmen, sondern nur dadurch verschuldet worden, daß man, ganz abgesehen von der immer wieder versuchten Versöhnungspolitik, den Gang der allgemeinen Staatspolitik auf die Behandlung der Polenfrage hat einwirken lassen. Das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/271>, abgerufen am 23.07.2024.