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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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planen und Wallonen

schon zu finden wissen; sie werden sich langsam entwickeln und allmählich die
Wallonen überflügeln.

Freilich kann man sich auch denken, daß beide Nationalitäten völlig
gleichberechtigt, in friedlichem Wettstreit ewig neben einander bestehen könnten.
Ein Bild dieses Zustandes im kleinen bietet die Studentenschaft der katho¬
lischen Universität Löwen, wo die vlämischen Landsmannschaften zusammen
ein Kartell bilden, und die wallonischen ebenfalls, alle zusammen aber die
(Fvnvrglö. Aber es ist wahrscheinlicher, daß mit der Zeit doch wieder ein
Kampf um den Vorrang ausbrechen wird. Es handelt sich dabei nicht bloß
um einen Zweikampf auf geistigem und litterarischem Gebiete, sowie ans dem
der Sprache, sondern auch auf sozialpolitischen. Die Vlamen vertreten noch
das konservative, solide agrarische Element, sie sind auf dem Laude noch
religiös, auch körperlich kräftiger; die Wallonen dagegen sind mehr industriell
und neigen zur Sozialdemokratie. Bei innern Streitigkeiten werden wohl die
Vlamen die Oberhand gewinnen, wie immer die gesündere Rasse den Sieg
erlangt über die entartete. Im Grnnde beruht ja darauf jede Völker¬
bewegung.

Schließlich wird aber auch die auswärtige hohe Politik ein Wort mit¬
sprechen. Ob die Belgier ihre Neutralität im nächsten Kriege werden wahren
können, ist ungewiß. Jedenfalls zeigt die Verblendung der Regierung, die die
allgemeine Wehrpflicht nicht einführen will, daß das Land, das sich nicht ver¬
teidigen kaun, auch reif ist zum politischen Untergang. Wer anch im nächsten
Kriege siegen mag, jedenfalls wird er einen großen Einfluß auf Belgien ge¬
winnen.

Die Vlamen aber sollten sich beizeiten erinnern, daß sie deutscher Ab¬
kunft sind; sie sollten auch bedenken, daß es dem deutschen Reiche keineswegs
gleichgiltig sein kann, ob französisches Wesen, ob französischer Einfluß mit
Hilfe der Wallonen dem Germcmentnme gefährlich werden könnte. Das Deutsch¬
tum aber, das schon so viel durch Anslünderei eingebüßt hat und jetzt das
Versäumte gut zu machen strebt, sollte auf alle Weise den bedrängten vlämischen
Brüdern zu helfen suchen.

Die Vlamen suchen jetzt die Unterstützung der Nordniederländcr, aber sie
sollten auch mehr nach dem deutschen Reiche blicken. Sie sollten begreifen,
daß dort noch eine Fülle von Kraft schlummert, die, geweckt, Großes aus¬
führen kann; sie sollten sich den Vereinen nähern, die eine Wiederanknüpfung
erstreben, wie dem "Altdeutschen Verband" oder "Alldeutschland," und sollten
erkennen, daß "an deutschem Wesen noch einmal soll die Welt genesen."


Harald Arjnna


Grenzboten II 1897
planen und Wallonen

schon zu finden wissen; sie werden sich langsam entwickeln und allmählich die
Wallonen überflügeln.

Freilich kann man sich auch denken, daß beide Nationalitäten völlig
gleichberechtigt, in friedlichem Wettstreit ewig neben einander bestehen könnten.
Ein Bild dieses Zustandes im kleinen bietet die Studentenschaft der katho¬
lischen Universität Löwen, wo die vlämischen Landsmannschaften zusammen
ein Kartell bilden, und die wallonischen ebenfalls, alle zusammen aber die
(Fvnvrglö. Aber es ist wahrscheinlicher, daß mit der Zeit doch wieder ein
Kampf um den Vorrang ausbrechen wird. Es handelt sich dabei nicht bloß
um einen Zweikampf auf geistigem und litterarischem Gebiete, sowie ans dem
der Sprache, sondern auch auf sozialpolitischen. Die Vlamen vertreten noch
das konservative, solide agrarische Element, sie sind auf dem Laude noch
religiös, auch körperlich kräftiger; die Wallonen dagegen sind mehr industriell
und neigen zur Sozialdemokratie. Bei innern Streitigkeiten werden wohl die
Vlamen die Oberhand gewinnen, wie immer die gesündere Rasse den Sieg
erlangt über die entartete. Im Grnnde beruht ja darauf jede Völker¬
bewegung.

Schließlich wird aber auch die auswärtige hohe Politik ein Wort mit¬
sprechen. Ob die Belgier ihre Neutralität im nächsten Kriege werden wahren
können, ist ungewiß. Jedenfalls zeigt die Verblendung der Regierung, die die
allgemeine Wehrpflicht nicht einführen will, daß das Land, das sich nicht ver¬
teidigen kaun, auch reif ist zum politischen Untergang. Wer anch im nächsten
Kriege siegen mag, jedenfalls wird er einen großen Einfluß auf Belgien ge¬
winnen.

Die Vlamen aber sollten sich beizeiten erinnern, daß sie deutscher Ab¬
kunft sind; sie sollten auch bedenken, daß es dem deutschen Reiche keineswegs
gleichgiltig sein kann, ob französisches Wesen, ob französischer Einfluß mit
Hilfe der Wallonen dem Germcmentnme gefährlich werden könnte. Das Deutsch¬
tum aber, das schon so viel durch Anslünderei eingebüßt hat und jetzt das
Versäumte gut zu machen strebt, sollte auf alle Weise den bedrängten vlämischen
Brüdern zu helfen suchen.

Die Vlamen suchen jetzt die Unterstützung der Nordniederländcr, aber sie
sollten auch mehr nach dem deutschen Reiche blicken. Sie sollten begreifen,
daß dort noch eine Fülle von Kraft schlummert, die, geweckt, Großes aus¬
führen kann; sie sollten sich den Vereinen nähern, die eine Wiederanknüpfung
erstreben, wie dem „Altdeutschen Verband" oder „Alldeutschland," und sollten
erkennen, daß „an deutschem Wesen noch einmal soll die Welt genesen."


Harald Arjnna


Grenzboten II 1897
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/249>, abgerufen am 23.07.2024.