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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Line Geschichte von Florenz

die Märkte von Vorgo San Donnino und Parma verschloß, für die er den
Luechesen, ihren Konkurrenten, ein Privilegium gewährte. Sobald der Handel
einige Bedeutung erlangte, waren die Schloßherren doppelt unbequeme Nachbarn
für die Städte; deren Streben, das benachbarte Gebiet sich anzueignen, ver¬
einigte sich mit der Notwendigkeit, dem Naubrittertum zu steuern, und stachelte
sie zu einem Vernichtungskriege gegen die Grafengeschlechter. Von keiner Stadt
wurde dieser Kampf planmäßiger, standhafter und folgerichtiger durchgeführt
als vou Florenz. Manche der Burgen und kleinen Festungen mußten monate¬
lang belagert, und weil sie immer wieder aufgebaut wurden, wiederholt erstürmt
werden, wie Monte ti Croce, um das jahrzehntelang gerungen wurde. Man
kann sich ungefähr vorstellen, wie es in der Blütezeit des tuscischen Rittertnms
ausgesehen haben mag, wenn mau erfährt, daß die Firidolfi einer von ihnen
gestifteten Abtei urkundlich als eine besondre Vergünstigung zusicherten, sie
würden, wenn ans den benachbarten Orten Leichen zur Bestattung dahin ge¬
bracht würden, das Leichcngefolge nicht überfallen und auch auf dem Rückwege
keinen totschlagen. Was die Waffen der Städte begonnen hatten, vollendete
das Geld; die Adlichen waren sehr bald den Bürgern tief verschuldet, und
diesen wurde es umso leichter, die Verschütteten ganz von sich abhängig zu
machen, da sie aller Wucherkünste Meister und in deren Anwendung ganz ge¬
wissenlos waren; die Geistlichen wucherten fleißig mit, doch waren sie in diesem
Punkte immerhin etwas bescheidner als die Laien, sie begnügten sich bei Dar¬
lehen mit einem Pfand und fünfundzwanzig Prozent. So wurden die "Mag¬
naten,"") einer nach dem andern, arm und klein gemacht und in die Stadt
zu ziehen gezwungen. Längere Zeit hindurch setzten sie hier ihr wildes Fehde¬
leben fort. Sie bewehrten ihre Häuser mit Festungstürmen -- ihre Zahl
schätzt der Verfasser auf etwa hundert --, Sippe stand gegen Sippe, Turm-
genossenschaft gegen Turmgeuosfenschaft. Am gefährlichsten für das Gemein¬
wesen wurde der Kampf, den die kaiserlich gesinnten Aberli von ihren in der
Gegend des spätern Palazzo Veechio gelegnen Türmen aus unternahmen, um
den Ring der herrschenden Geschlechter, die ihr Interesse bereits an das des
Volkes geknüpft hatten und seine Führer geworden waren, zu durchbrechen;
ein Drittel der Stadt ging dabei in Flammen auf. Die Bürger sollen damals
wiederholt darüber beraten haben, ob es nicht besser wäre, auszuwandern und



Nach Davidsohn bezeichnet dieser tsrwinus tsvlinieus keineswegs, wie man bisher ge¬
glaubt hat, blos; die in die Stadt gezognen Adelsgeschlechter, sondern alle reichen und vornehmen
Bürger. Wie wir ans einem Bericht Santinis über VillnriS I. xrimi Ano sovoli etoit" stori"
all Moiliiv ersehen (^rvlüvio Ktorivo von 1895, 1 wurde wenigstens der Ausdruck granäi
noch am Ende des dreizehnten Jahrhunderts nur von den Angehörigen des alten FeudnladclS
gebraucht, in den sich allerdings schon einige reiche Knusmannsgeschlechtcr cingevettert hatten;
die wurden aber von den übrigen verachtet. Die Kaufleute wurden zum xoiiolo Zrosso gerechnet
und gehörten der Povolanenpnrtei um.
Line Geschichte von Florenz

die Märkte von Vorgo San Donnino und Parma verschloß, für die er den
Luechesen, ihren Konkurrenten, ein Privilegium gewährte. Sobald der Handel
einige Bedeutung erlangte, waren die Schloßherren doppelt unbequeme Nachbarn
für die Städte; deren Streben, das benachbarte Gebiet sich anzueignen, ver¬
einigte sich mit der Notwendigkeit, dem Naubrittertum zu steuern, und stachelte
sie zu einem Vernichtungskriege gegen die Grafengeschlechter. Von keiner Stadt
wurde dieser Kampf planmäßiger, standhafter und folgerichtiger durchgeführt
als vou Florenz. Manche der Burgen und kleinen Festungen mußten monate¬
lang belagert, und weil sie immer wieder aufgebaut wurden, wiederholt erstürmt
werden, wie Monte ti Croce, um das jahrzehntelang gerungen wurde. Man
kann sich ungefähr vorstellen, wie es in der Blütezeit des tuscischen Rittertnms
ausgesehen haben mag, wenn mau erfährt, daß die Firidolfi einer von ihnen
gestifteten Abtei urkundlich als eine besondre Vergünstigung zusicherten, sie
würden, wenn ans den benachbarten Orten Leichen zur Bestattung dahin ge¬
bracht würden, das Leichcngefolge nicht überfallen und auch auf dem Rückwege
keinen totschlagen. Was die Waffen der Städte begonnen hatten, vollendete
das Geld; die Adlichen waren sehr bald den Bürgern tief verschuldet, und
diesen wurde es umso leichter, die Verschütteten ganz von sich abhängig zu
machen, da sie aller Wucherkünste Meister und in deren Anwendung ganz ge¬
wissenlos waren; die Geistlichen wucherten fleißig mit, doch waren sie in diesem
Punkte immerhin etwas bescheidner als die Laien, sie begnügten sich bei Dar¬
lehen mit einem Pfand und fünfundzwanzig Prozent. So wurden die „Mag¬
naten,"") einer nach dem andern, arm und klein gemacht und in die Stadt
zu ziehen gezwungen. Längere Zeit hindurch setzten sie hier ihr wildes Fehde¬
leben fort. Sie bewehrten ihre Häuser mit Festungstürmen — ihre Zahl
schätzt der Verfasser auf etwa hundert —, Sippe stand gegen Sippe, Turm-
genossenschaft gegen Turmgeuosfenschaft. Am gefährlichsten für das Gemein¬
wesen wurde der Kampf, den die kaiserlich gesinnten Aberli von ihren in der
Gegend des spätern Palazzo Veechio gelegnen Türmen aus unternahmen, um
den Ring der herrschenden Geschlechter, die ihr Interesse bereits an das des
Volkes geknüpft hatten und seine Führer geworden waren, zu durchbrechen;
ein Drittel der Stadt ging dabei in Flammen auf. Die Bürger sollen damals
wiederholt darüber beraten haben, ob es nicht besser wäre, auszuwandern und



Nach Davidsohn bezeichnet dieser tsrwinus tsvlinieus keineswegs, wie man bisher ge¬
glaubt hat, blos; die in die Stadt gezognen Adelsgeschlechter, sondern alle reichen und vornehmen
Bürger. Wie wir ans einem Bericht Santinis über VillnriS I. xrimi Ano sovoli etoit» stori»
all Moiliiv ersehen (^rvlüvio Ktorivo von 1895, 1 wurde wenigstens der Ausdruck granäi
noch am Ende des dreizehnten Jahrhunderts nur von den Angehörigen des alten FeudnladclS
gebraucht, in den sich allerdings schon einige reiche Knusmannsgeschlechtcr cingevettert hatten;
die wurden aber von den übrigen verachtet. Die Kaufleute wurden zum xoiiolo Zrosso gerechnet
und gehörten der Povolanenpnrtei um.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/646>, abgerufen am 26.06.2024.