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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Goethes Lieder in den Kompositionen seiner Zeitgenossen

Lied desselben Komponisten mit (Am Wasser) und klagt dann: "Es ist traurig,
daß diese Melodie -- eine der trivialsten, die je zu Goethischen Versen gesetzt
worden sind -- gerade von dem Enkel des Dichters herrührt." Ich finde das
gar nicht traurig. Die Melodie ist nämlich dieselbe wie: "Und ein Butterbrot
mit Käse, und ein Butterbrot mit Wurst" -- damit ich doch auch etwas zu den
"Parallelstellen" beisteure. Traurig ist doch uur, daß Friedländer solches Zeug
ausgrübt. Zu Löwes Erlkönig heißt es in der Anmerkung: "Auch bei Löwe
0x. I." Auch? Bei wem ist es denn noch Opus 1? Nun, bei Schubert.
Das ist aber vorher nicht gesagt. -- Geschrieben sind übrigens die Anmerkungen
in einem recht Pretiosen Stil, der zu ihrem Inhalt wenig paßt.")

Die Originaldrucke, aus denen Friedländer die Lieder genommen hat, sind
in der Sammlung der Goethegesellschaft ebenso ungleichmäßig und ungenau
angeführt wie im Goethejahrbuch, wie denn überhaupt die philologische Seite
der Arbeit auch hier nicht ganz "einwandfrei" ist. Wer ans der einen Seite
die Genauigkeit so weit treibt, daß er nicht wagt, bei "Schäfers-Klagelied"
den thörichten Bindestrich wegzulassen, der darf auch nicht coup. drücken,
wenn im Original in Musik gesetzt steht, oder gesetzt, am Claviere,
Chitarra, Bändern, wenn das Original gesezt, am Clavier, Chittarra,
Bänder hat, oder gar den formell zwar falschen, aber syntaktisch richtigen
Dativ Dessauischeu Musikdirektor in Dessauischer Musikdirektor ver¬
wandeln/"")

Hoffentlich erlebt die Friedländersche Sammlung über kurz oder laug eine
zweite Auflage, denn vervollkommunngsfühig ist sie nach verschiednen Seiten.
Immerhin wird sie, auch so, wie sie ist, viel Freude und Nutze" stiften.
Möchten sie auch die Musiker sich empfohlen sein lassen, vor allein die Sänger
und -- die Liederkomponisten. Wie schön wäre es, wenn uns ein Sänger
wie Anton Sistermans oder Felix Kraus mit Hilfe dieser Sammlung nächsten
Winter einmal durch einen "Goetheabend" erfreute! Die Liederkomponisten
aber könnten, wenn sie einmal das, was von Goethischen Liedern komponirt,
ich meine endgiltig komponirt ist (wie Mozarts Veilchen und Schuberts Erl¬
könig), mit einer beliebigen Ausgabe von Goethes Gedichten vergleichen wollten,
Entdeckungsreisen in die herrlichsten Liedergebiete machen, die von dem Fuße




") Zu den^Lieblingcilvörtern den Herausgebers gehören bedeutsam (sum!) und charak¬
teristisch! viel denken läßt sich aber nie dabei.
"*) Manches mag Stich- oder Druckfehler sein. S. IX ist zugängig gedruckt, wo es zu¬
gänglich heißen muß. S. 4 fehlt bei Hirzels Jungen Goethe die Bnndzahl. S, 17 fehlt in
der Klavierbegleitung im Baß ein ä. S. !>7 steht hinter einem Triller ein sinnloses Quadrat,
L. 141 fehlen in der Klavierbegleitung am Schluß hinter zivei Sechzehnteln die Punkte. S. 122
steht in der Singstimme einmal statt c>. S. l>,I muß es 0p. 21 heißen statt 0p. 20, S. 125
1847 statt 1843, S. 140 1883 statt 1835>, S. 141 man kann sich denken, statt: man konnte
sich denken.
Goethes Lieder in den Kompositionen seiner Zeitgenossen

Lied desselben Komponisten mit (Am Wasser) und klagt dann: „Es ist traurig,
daß diese Melodie — eine der trivialsten, die je zu Goethischen Versen gesetzt
worden sind — gerade von dem Enkel des Dichters herrührt." Ich finde das
gar nicht traurig. Die Melodie ist nämlich dieselbe wie: „Und ein Butterbrot
mit Käse, und ein Butterbrot mit Wurst" — damit ich doch auch etwas zu den
„Parallelstellen" beisteure. Traurig ist doch uur, daß Friedländer solches Zeug
ausgrübt. Zu Löwes Erlkönig heißt es in der Anmerkung: „Auch bei Löwe
0x. I." Auch? Bei wem ist es denn noch Opus 1? Nun, bei Schubert.
Das ist aber vorher nicht gesagt. — Geschrieben sind übrigens die Anmerkungen
in einem recht Pretiosen Stil, der zu ihrem Inhalt wenig paßt.")

Die Originaldrucke, aus denen Friedländer die Lieder genommen hat, sind
in der Sammlung der Goethegesellschaft ebenso ungleichmäßig und ungenau
angeführt wie im Goethejahrbuch, wie denn überhaupt die philologische Seite
der Arbeit auch hier nicht ganz „einwandfrei" ist. Wer ans der einen Seite
die Genauigkeit so weit treibt, daß er nicht wagt, bei „Schäfers-Klagelied"
den thörichten Bindestrich wegzulassen, der darf auch nicht coup. drücken,
wenn im Original in Musik gesetzt steht, oder gesetzt, am Claviere,
Chitarra, Bändern, wenn das Original gesezt, am Clavier, Chittarra,
Bänder hat, oder gar den formell zwar falschen, aber syntaktisch richtigen
Dativ Dessauischeu Musikdirektor in Dessauischer Musikdirektor ver¬
wandeln/"")

Hoffentlich erlebt die Friedländersche Sammlung über kurz oder laug eine
zweite Auflage, denn vervollkommunngsfühig ist sie nach verschiednen Seiten.
Immerhin wird sie, auch so, wie sie ist, viel Freude und Nutze» stiften.
Möchten sie auch die Musiker sich empfohlen sein lassen, vor allein die Sänger
und — die Liederkomponisten. Wie schön wäre es, wenn uns ein Sänger
wie Anton Sistermans oder Felix Kraus mit Hilfe dieser Sammlung nächsten
Winter einmal durch einen „Goetheabend" erfreute! Die Liederkomponisten
aber könnten, wenn sie einmal das, was von Goethischen Liedern komponirt,
ich meine endgiltig komponirt ist (wie Mozarts Veilchen und Schuberts Erl¬
könig), mit einer beliebigen Ausgabe von Goethes Gedichten vergleichen wollten,
Entdeckungsreisen in die herrlichsten Liedergebiete machen, die von dem Fuße




") Zu den^Lieblingcilvörtern den Herausgebers gehören bedeutsam (sum!) und charak¬
teristisch! viel denken läßt sich aber nie dabei.
"*) Manches mag Stich- oder Druckfehler sein. S. IX ist zugängig gedruckt, wo es zu¬
gänglich heißen muß. S. 4 fehlt bei Hirzels Jungen Goethe die Bnndzahl. S, 17 fehlt in
der Klavierbegleitung im Baß ein ä. S. !>7 steht hinter einem Triller ein sinnloses Quadrat,
L. 141 fehlen in der Klavierbegleitung am Schluß hinter zivei Sechzehnteln die Punkte. S. 122
steht in der Singstimme einmal statt c>. S. l>,I muß es 0p. 21 heißen statt 0p. 20, S. 125
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[0451] Goethes Lieder in den Kompositionen seiner Zeitgenossen Lied desselben Komponisten mit (Am Wasser) und klagt dann: „Es ist traurig, daß diese Melodie — eine der trivialsten, die je zu Goethischen Versen gesetzt worden sind — gerade von dem Enkel des Dichters herrührt." Ich finde das gar nicht traurig. Die Melodie ist nämlich dieselbe wie: „Und ein Butterbrot mit Käse, und ein Butterbrot mit Wurst" — damit ich doch auch etwas zu den „Parallelstellen" beisteure. Traurig ist doch uur, daß Friedländer solches Zeug ausgrübt. Zu Löwes Erlkönig heißt es in der Anmerkung: „Auch bei Löwe 0x. I." Auch? Bei wem ist es denn noch Opus 1? Nun, bei Schubert. Das ist aber vorher nicht gesagt. — Geschrieben sind übrigens die Anmerkungen in einem recht Pretiosen Stil, der zu ihrem Inhalt wenig paßt.") Die Originaldrucke, aus denen Friedländer die Lieder genommen hat, sind in der Sammlung der Goethegesellschaft ebenso ungleichmäßig und ungenau angeführt wie im Goethejahrbuch, wie denn überhaupt die philologische Seite der Arbeit auch hier nicht ganz „einwandfrei" ist. Wer ans der einen Seite die Genauigkeit so weit treibt, daß er nicht wagt, bei „Schäfers-Klagelied" den thörichten Bindestrich wegzulassen, der darf auch nicht coup. drücken, wenn im Original in Musik gesetzt steht, oder gesetzt, am Claviere, Chitarra, Bändern, wenn das Original gesezt, am Clavier, Chittarra, Bänder hat, oder gar den formell zwar falschen, aber syntaktisch richtigen Dativ Dessauischeu Musikdirektor in Dessauischer Musikdirektor ver¬ wandeln/"") Hoffentlich erlebt die Friedländersche Sammlung über kurz oder laug eine zweite Auflage, denn vervollkommunngsfühig ist sie nach verschiednen Seiten. Immerhin wird sie, auch so, wie sie ist, viel Freude und Nutze» stiften. Möchten sie auch die Musiker sich empfohlen sein lassen, vor allein die Sänger und — die Liederkomponisten. Wie schön wäre es, wenn uns ein Sänger wie Anton Sistermans oder Felix Kraus mit Hilfe dieser Sammlung nächsten Winter einmal durch einen „Goetheabend" erfreute! Die Liederkomponisten aber könnten, wenn sie einmal das, was von Goethischen Liedern komponirt, ich meine endgiltig komponirt ist (wie Mozarts Veilchen und Schuberts Erl¬ könig), mit einer beliebigen Ausgabe von Goethes Gedichten vergleichen wollten, Entdeckungsreisen in die herrlichsten Liedergebiete machen, die von dem Fuße ") Zu den^Lieblingcilvörtern den Herausgebers gehören bedeutsam (sum!) und charak¬ teristisch! viel denken läßt sich aber nie dabei. "*) Manches mag Stich- oder Druckfehler sein. S. IX ist zugängig gedruckt, wo es zu¬ gänglich heißen muß. S. 4 fehlt bei Hirzels Jungen Goethe die Bnndzahl. S, 17 fehlt in der Klavierbegleitung im Baß ein ä. S. !>7 steht hinter einem Triller ein sinnloses Quadrat, L. 141 fehlen in der Klavierbegleitung am Schluß hinter zivei Sechzehnteln die Punkte. S. 122 steht in der Singstimme einmal statt c>. S. l>,I muß es 0p. 21 heißen statt 0p. 20, S. 125 1847 statt 1843, S. 140 1883 statt 1835>, S. 141 man kann sich denken, statt: man konnte sich denken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/451>, abgerufen am 26.06.2024.