Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze stiften will, ist häufig so schlau, zum Schreiben eine fremde Hund zu dingen. Aber was bedürfen wir weitläufiger Beweisführungen! Muß doch Fried¬ Was will man mehr? Wenn von diesem Alibibeweise, der doch erst im Die gerechte Sache des Herrn v. Kotze hat es wahrhaftig nicht nötig, Hiermit sind wir am Ziel unsrer kritische" Wanderung augelangt. Ich Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze stiften will, ist häufig so schlau, zum Schreiben eine fremde Hund zu dingen. Aber was bedürfen wir weitläufiger Beweisführungen! Muß doch Fried¬ Was will man mehr? Wenn von diesem Alibibeweise, der doch erst im Die gerechte Sache des Herrn v. Kotze hat es wahrhaftig nicht nötig, Hiermit sind wir am Ziel unsrer kritische» Wanderung augelangt. Ich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223664"/> <fw type="header" place="top"> Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze</fw><lb/> <p xml:id="ID_223" prev="#ID_222"> stiften will, ist häufig so schlau, zum Schreiben eine fremde Hund zu dingen.<lb/> Wie kann hier von einem juristischen Nonsens die Rede sein?</p><lb/> <p xml:id="ID_224"> Aber was bedürfen wir weitläufiger Beweisführungen! Muß doch Fried¬<lb/> mann selber anerkennen, daß der gegen seinen Klienten entstandne Verdacht<lb/> ungemein gefährlich gewesen sei. Die offenbare Unwillkürlichkeit dieses Zu¬<lb/> geständnisfes erhöht nur seine Beweiskraft. Er erwähnt Seite 23, daß einige<lb/> der anonymen Briefe gerade in die Zeit gefallen seien, wo Herr v. Kotze<lb/> mit dem meiningischen Erbprinzenpaare in Konstantinopel geweilt habe. In<lb/> der That und ganz unzweifelhaft ein höchst wichtiger Verteidigungsgrund.<lb/> Er begeistert denn auch den Verteidiger zu einer beglückwünschenden Apostrophe<lb/> an seinen pg.uvrs Leberecht, in der er offenherzig genug zugesteht: „Ich weiß<lb/> nicht, ob dir ohne diesen Umstand dein Verteidiger viel genützt haben würde."<lb/> Also selbst vor diesem Kriegsgericht, dessen Einsicht und Unparteilichkeit er<lb/> selber rühmt, würde selbst seine Verteidigung vielleicht die Verurteilung nicht<lb/> haben abwenden können, ohne dieses glückliche Alibi!</p><lb/> <p xml:id="ID_225"> Was will man mehr? Wenn von diesem Alibibeweise, der doch erst im<lb/> Laufe der Untersuchung zur Sprache gebracht, beantragt und geführt werden<lb/> konnte, die Freisprechung des Angeschuldigten abgehangen hat, so müssen doch<lb/> nach dem eignen Urteile des Verteidigers die vorher vorhandnen Verdachts-<lb/> grüude so stark gewesen sein, daß sie an sich allenfalls eine Verurteilung hätten<lb/> rechtfertigen können. Das allein aber sollte genügen, die Behörden gegen den<lb/> Vorwurf desselben Verteidigers zu schützen, daß sie in leichtfertiger Weise ohne<lb/> hinlängliche Umsicht und Überlegung einen Mann verfolgt hätten, dessen Unschuld<lb/> für jeden, der sehen wollte, vor aller Untersuchung klar zu Tage gelegen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_226"> Die gerechte Sache des Herrn v. Kotze hat es wahrhaftig nicht nötig,<lb/> daß man ihr mit solchen Mitteln zu Hilfe kommen müßte. Ist er darum<lb/> weniger unschuldig, wenn die Behörde!? in seiner Sache sins irir 0t 8er<dio<lb/> verfahren sind, wie es ihre Pflicht gebot? Und schließlich hat doch gerade<lb/> diese vielgeschmühte Untersuchung seine Unschuld zu Tage gefördert und ihn<lb/> für immer aufs glänzendste von einem Verdachte gereinigt, der, wie er schon<lb/> vorher jahrelang im verborgnen geeitert hatte, immer weiter um sich gefressen<lb/> haben würde, dem gegenüber er so gut wie wehrlos war, und der ihn un¬<lb/> fehlbar mit der Zeit zu einem freundlosen, gemiednen und überall beargwöhnten<lb/> Manne gemacht haben würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_227" next="#ID_228"> Hiermit sind wir am Ziel unsrer kritische» Wanderung augelangt. Ich<lb/> hoffe, daß sich darnach jeder unbefangne Leser selbst ein Urteil darüber wird<lb/> bilden können, ob Friedmanns Anklagen gegen die preußische Militärjustiz auf<lb/> zuverlässigem Grunde ruhen, und ob er irgendwie befugt war, die Rechtszu-<lb/> stände seines Vaterlandes als so heillos verrottet zu schildern, wie er es mit<lb/> der eindringlichen und zugespitzten Beredsamkeit gethan hat, die ihm wie<lb/> wenigen zu Gebote steht. Ich glaube auch, daß das Ergebnis unsrer Prüfung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze
stiften will, ist häufig so schlau, zum Schreiben eine fremde Hund zu dingen.
Wie kann hier von einem juristischen Nonsens die Rede sein?
Aber was bedürfen wir weitläufiger Beweisführungen! Muß doch Fried¬
mann selber anerkennen, daß der gegen seinen Klienten entstandne Verdacht
ungemein gefährlich gewesen sei. Die offenbare Unwillkürlichkeit dieses Zu¬
geständnisfes erhöht nur seine Beweiskraft. Er erwähnt Seite 23, daß einige
der anonymen Briefe gerade in die Zeit gefallen seien, wo Herr v. Kotze
mit dem meiningischen Erbprinzenpaare in Konstantinopel geweilt habe. In
der That und ganz unzweifelhaft ein höchst wichtiger Verteidigungsgrund.
Er begeistert denn auch den Verteidiger zu einer beglückwünschenden Apostrophe
an seinen pg.uvrs Leberecht, in der er offenherzig genug zugesteht: „Ich weiß
nicht, ob dir ohne diesen Umstand dein Verteidiger viel genützt haben würde."
Also selbst vor diesem Kriegsgericht, dessen Einsicht und Unparteilichkeit er
selber rühmt, würde selbst seine Verteidigung vielleicht die Verurteilung nicht
haben abwenden können, ohne dieses glückliche Alibi!
Was will man mehr? Wenn von diesem Alibibeweise, der doch erst im
Laufe der Untersuchung zur Sprache gebracht, beantragt und geführt werden
konnte, die Freisprechung des Angeschuldigten abgehangen hat, so müssen doch
nach dem eignen Urteile des Verteidigers die vorher vorhandnen Verdachts-
grüude so stark gewesen sein, daß sie an sich allenfalls eine Verurteilung hätten
rechtfertigen können. Das allein aber sollte genügen, die Behörden gegen den
Vorwurf desselben Verteidigers zu schützen, daß sie in leichtfertiger Weise ohne
hinlängliche Umsicht und Überlegung einen Mann verfolgt hätten, dessen Unschuld
für jeden, der sehen wollte, vor aller Untersuchung klar zu Tage gelegen haben.
Die gerechte Sache des Herrn v. Kotze hat es wahrhaftig nicht nötig,
daß man ihr mit solchen Mitteln zu Hilfe kommen müßte. Ist er darum
weniger unschuldig, wenn die Behörde!? in seiner Sache sins irir 0t 8er<dio
verfahren sind, wie es ihre Pflicht gebot? Und schließlich hat doch gerade
diese vielgeschmühte Untersuchung seine Unschuld zu Tage gefördert und ihn
für immer aufs glänzendste von einem Verdachte gereinigt, der, wie er schon
vorher jahrelang im verborgnen geeitert hatte, immer weiter um sich gefressen
haben würde, dem gegenüber er so gut wie wehrlos war, und der ihn un¬
fehlbar mit der Zeit zu einem freundlosen, gemiednen und überall beargwöhnten
Manne gemacht haben würde.
Hiermit sind wir am Ziel unsrer kritische» Wanderung augelangt. Ich
hoffe, daß sich darnach jeder unbefangne Leser selbst ein Urteil darüber wird
bilden können, ob Friedmanns Anklagen gegen die preußische Militärjustiz auf
zuverlässigem Grunde ruhen, und ob er irgendwie befugt war, die Rechtszu-
stände seines Vaterlandes als so heillos verrottet zu schildern, wie er es mit
der eindringlichen und zugespitzten Beredsamkeit gethan hat, die ihm wie
wenigen zu Gebote steht. Ich glaube auch, daß das Ergebnis unsrer Prüfung
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