Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Juristische Randbemerkungen zum Lali Kotze und Abbildungen könnte man allenfalls denken, falls die Umstände einen Aber wir können die Frage, welcher Vergehen Herr v. Kotze sonst noch Herr v. Kotze wurde beschuldigt, durch zahlreiche selbständige Handlungen Das ist, wie das folgende Beispiel zeigen wird, keineswegs eine über¬ Juristische Randbemerkungen zum Lali Kotze und Abbildungen könnte man allenfalls denken, falls die Umstände einen Aber wir können die Frage, welcher Vergehen Herr v. Kotze sonst noch Herr v. Kotze wurde beschuldigt, durch zahlreiche selbständige Handlungen Das ist, wie das folgende Beispiel zeigen wird, keineswegs eine über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223654"/> <fw type="header" place="top"> Juristische Randbemerkungen zum Lali Kotze</fw><lb/> <p xml:id="ID_187" prev="#ID_186"> und Abbildungen könnte man allenfalls denken, falls die Umstände einen<lb/> Anhalt dafür geboten haben sollten, daß der Thäter mit der Absicht oder<lb/> wenigstens in der Voraussicht gehandelt habe, die Empfänger würden die Briefe<lb/> nicht für sich behalten, sondern an andre mitteilen. Hat sich aber die Unter¬<lb/> suchung — was hiernach keineswegs ausgeschlossen erscheint — auch ans andre<lb/> strafbare Handlungen als auf die Beleidigung von Privatpersonen erstreckt,<lb/> so kamen die Antragsteller offenbar auch als Zeugen für diese andern An-<lb/> schnldigungspunkte in Betracht und konnten in dieser Eigenschaft unbedenklich<lb/> vernommen und vereidigt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_188"> Aber wir können die Frage, welcher Vergehen Herr v. Kotze sonst noch<lb/> etwa beschuldigt worden sein mag, ganz auf sich beruhen lassen. Denn wir<lb/> müssen zu demselben Ergebnis gelangen, wenn sich auch die Untersuchung<lb/> ausschließlich mit der Beleidigung von Privatpersonen befaßt haben sollte.<lb/> Eine kurze Überlegung wird das auch dem Nichtjuristen sofort klar machen.<lb/> Ich will dabei ohne weiteres zugeben, daß in § 230 unter dem „Denun¬<lb/> zianten" in der Regel der Antragsteller zu verstehen ist, obwohl die Bezeich¬<lb/> nung nicht so ganz bei dem Antragsteller zutrifft, der keine Strafanzeige er¬<lb/> stattet, den Antrag vielmehr erst auf Anfrage des Gerichts gestellt hat, wie<lb/> das in dem Kotzischen Falle sast durchweg geschehen zu sein scheint. Aber die<lb/> Begriffe „Denunziant" und „Antragsteller" mögen sich immerhin decken. Denn<lb/> der entscheidende Punkt liegt auf einem andern Gebiete.</p><lb/> <p xml:id="ID_189"> Herr v. Kotze wurde beschuldigt, durch zahlreiche selbständige Handlungen<lb/> verschiedne Personen, den B, C, D usw. beleidigt zu haben. Die Unter¬<lb/> suchung hatte also eine Mehrzahl selbständiger Handlungen desselben Thäters<lb/> zum Gegenstande. Soweit sie nun die Beleidigung gegen B betraf, kamen C<lb/> und D gar nicht als Antragsteller, sondern nur als Zeugen in Betracht;<lb/> ebenso verhielt es sich bei der Beleidigung gegen C mit V und D, und so<lb/> fort. Wäre die Untersuchung wegen jeder dieser gegen verschiedne Personen<lb/> gerichteten Beleidigungen für sich und in getrennten Akten geführt worden,<lb/> so würde niemand den geringsten Anstoß daran nehmen. Offenbar wird aber<lb/> hieran nichts geändert, wenn auch die verschiednen Untersuchungen gleichzeitig<lb/> und in denselben Akten geführt worden sind. Das ist eine reine Äußerlichkeit,<lb/> die den Kern der Sache nicht berührt. Der § 230 verbietet keineswegs in<lb/> der Untersuchung gegen A wegen Beleidigung des B, den C und D eidlich<lb/> als Zeugen zu vernehmen, weil jeder von ihnen in einem andern Falle auch<lb/> die Bestrafung des A wegen Beleidigung beantragt hat. In solchen Fällen<lb/> greift unzweifelhaft der Ausnahme des § 230 gegenüber die allgemeine Regel<lb/> wieder Platz, wonach Zeugen eidlich zu vernehmen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_190" next="#ID_191"> Das ist, wie das folgende Beispiel zeigen wird, keineswegs eine über¬<lb/> triebne juristische Spitzfindigkeit. Unsrer Strafprozeßordnung ist die Vorschrift<lb/> des § 230 der Militärstrafgesetzvrdnung an sich fremd. Erhebt also die Staats-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
Juristische Randbemerkungen zum Lali Kotze
und Abbildungen könnte man allenfalls denken, falls die Umstände einen
Anhalt dafür geboten haben sollten, daß der Thäter mit der Absicht oder
wenigstens in der Voraussicht gehandelt habe, die Empfänger würden die Briefe
nicht für sich behalten, sondern an andre mitteilen. Hat sich aber die Unter¬
suchung — was hiernach keineswegs ausgeschlossen erscheint — auch ans andre
strafbare Handlungen als auf die Beleidigung von Privatpersonen erstreckt,
so kamen die Antragsteller offenbar auch als Zeugen für diese andern An-
schnldigungspunkte in Betracht und konnten in dieser Eigenschaft unbedenklich
vernommen und vereidigt werden.
Aber wir können die Frage, welcher Vergehen Herr v. Kotze sonst noch
etwa beschuldigt worden sein mag, ganz auf sich beruhen lassen. Denn wir
müssen zu demselben Ergebnis gelangen, wenn sich auch die Untersuchung
ausschließlich mit der Beleidigung von Privatpersonen befaßt haben sollte.
Eine kurze Überlegung wird das auch dem Nichtjuristen sofort klar machen.
Ich will dabei ohne weiteres zugeben, daß in § 230 unter dem „Denun¬
zianten" in der Regel der Antragsteller zu verstehen ist, obwohl die Bezeich¬
nung nicht so ganz bei dem Antragsteller zutrifft, der keine Strafanzeige er¬
stattet, den Antrag vielmehr erst auf Anfrage des Gerichts gestellt hat, wie
das in dem Kotzischen Falle sast durchweg geschehen zu sein scheint. Aber die
Begriffe „Denunziant" und „Antragsteller" mögen sich immerhin decken. Denn
der entscheidende Punkt liegt auf einem andern Gebiete.
Herr v. Kotze wurde beschuldigt, durch zahlreiche selbständige Handlungen
verschiedne Personen, den B, C, D usw. beleidigt zu haben. Die Unter¬
suchung hatte also eine Mehrzahl selbständiger Handlungen desselben Thäters
zum Gegenstande. Soweit sie nun die Beleidigung gegen B betraf, kamen C
und D gar nicht als Antragsteller, sondern nur als Zeugen in Betracht;
ebenso verhielt es sich bei der Beleidigung gegen C mit V und D, und so
fort. Wäre die Untersuchung wegen jeder dieser gegen verschiedne Personen
gerichteten Beleidigungen für sich und in getrennten Akten geführt worden,
so würde niemand den geringsten Anstoß daran nehmen. Offenbar wird aber
hieran nichts geändert, wenn auch die verschiednen Untersuchungen gleichzeitig
und in denselben Akten geführt worden sind. Das ist eine reine Äußerlichkeit,
die den Kern der Sache nicht berührt. Der § 230 verbietet keineswegs in
der Untersuchung gegen A wegen Beleidigung des B, den C und D eidlich
als Zeugen zu vernehmen, weil jeder von ihnen in einem andern Falle auch
die Bestrafung des A wegen Beleidigung beantragt hat. In solchen Fällen
greift unzweifelhaft der Ausnahme des § 230 gegenüber die allgemeine Regel
wieder Platz, wonach Zeugen eidlich zu vernehmen sind.
Das ist, wie das folgende Beispiel zeigen wird, keineswegs eine über¬
triebne juristische Spitzfindigkeit. Unsrer Strafprozeßordnung ist die Vorschrift
des § 230 der Militärstrafgesetzvrdnung an sich fremd. Erhebt also die Staats-
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