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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Da auch der unerschrockenste Buchmacher nicht gern 318 Seiten bloß aus- und ab¬
schreibe" wird, ohne eigne Gedanken und selbständige Betrachtungen zum besten
zu geben, so hat sich O. F. Geusichen unter anderen genötigt gefunden, die bisher
herrschenden Anschauungen über Goethes Leipziger Jugendneigung zu Käthchen
Schönkopf (Annette) und über Wesen und Lebensverhältnisse dieser anmutigen
Mädchengestalt von der Hohe nenberliuischer Erfahrung herab zu berichtigen. Wir
haben bisher nur gewußt, daß Käthchen Schönkopf, die Tochter eines Leipziger
Weinhändlers und Weinwirts, durch ein liebenswürdiges Naturell, durch eine da¬
mals noch seltene Bildsamkeit, durch Eigenschaften ausgezeichnet war, die ihr nicht
nur die leidenschaftliche Liebe des poetischen Frankfurter Studenten, sondern auch
die Neigung andrer Männer sicherten, die hohe Anforderungen an weiblichen Wert
stellten. Sie wurde bekanntlich im Jahre 1770 die Frau des angesehenen Dr. jur.
Christ. Karl Kanne, dem sie, nach Goethes Weggang, vor all ihren Bewerbern
den Vorzug gab. Wir wissen auch, daß sie in den besten Leipziger Bürgerfamilien
lange bor ihrer Heirat freundschaftlich verkehrte. Das alles aber hindert O. F. Gemsleber
nicht, uus zu belehren, daß, "mochte der Kreis in der Schönkopfschen Weinstube
auch ziemlich abgeschlossen sein, die Tochter des Hauses, die tagsüber am Küchen¬
feuer für die Mittagsgaste kochte und ihnen abends den Wein selbst servirte, da¬
durch einen wenn auch noch so leisen Anhauch eiuer Kellnerin bekam." Das ist
ja nnn Ansichtssache, aber ungeheuerlicher als die Behauptung erscheint der Beweis,
den Gemsleber beizubringen versucht, indem er wörtlich sagt (nachdem er zuvor den
Brief Goethes an Käthchen Schönkopf vom 12. Dezember 176O angeführt hat):
"Dieser selbe Gratulationsbrief enthält die Worte "Von meinen Schulden will ich
eiuen Teil abtragen, den andern müssen Sie mir noch nachsehen" -- Schulden, die
er, wie bei einer Kellnerin, ersichtlich für Mittagstisch und Zeche gemacht hatte!"

Mau möchte in der That Leuten, die nur zum Zweck ihrer Vorurteile oder
absonderlichen Tendenzen Briefe und sonstige Belege benutzen, das Zitiren ganz
verbieten. Die ans dem neuesten Geschäftsbetrieb großer Berliner Wirtschaften
stammende Einbildung, daß Katharina Schönkopf, des ehrsamen Weinhändlers Chr.
G. Schönkopf häusliche Jungfer Tochter, in Küche und Keller ihres Vaters Essen
und Wem bar bezahlt und darnach selbständig den ihr behagenden Gästen "ge¬
pumpt" habe, ist geradezu albern; wenn der junge Goethe für seinen Mittags¬
und Abendtisch Kredit gebraucht hätte, würde er ihn bei Vater Schönkopf gesucht
und gefunden haben. Aber dergleichen Einbildungen auch noch aus Briefen akten-
mäßig beweisen zu wollen, in denen man nur zu lesen braucht, um das gerade
Gegenteil zu sehen, das übersteigt denn doch das Erlaubte. Vou den ersten der
Briefe an, die Goethe während seiner Frankfurter Leidenszeit vom September 1768
bis zum Januar 1770 an Käthchen Schönkopf richtet, tritt deutlich hervor, daß
er der Freundin eine Reihe von Gegenständen und Büchern versprochen hatte, es
ist von Halstüchern, Pantoffeln, Schuhen, einem gemalten Fächer, von Gleims,
von Hagedorns Gedichten, von einem "großen Buche" usw. die Rede, bald schickt
er etwas "auf Abschlag," bald beruft er sich darauf, daß, wenn er auch nicht
immer halte, was er verspreche, er doch oft mehr thue, als er verspreche, bald
gesteht er (1. Juni 1769) eifersüchtig schmollend: "Das Halstuch und der Fächer
sind noch nicht um einen Finger breit weiter. Sehen Sie, ich bin aufrichtig,
wenn ich was malen will, so bleibt mirs im Halse stecken. Nur in Frühlingstagen
schneiden Schäfer in die Bäume, nur in der Blumenzeit bindet man Kränze!" und
als er, in der Erwartung von Katheders Hochzeit mit Dr. Kanne, den unmittel¬
baren Briefwechsel abbricht und eiuen Teil des Versprochnen schuldig bleibt, setzt


Grenzboten IV 1896 31
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Da auch der unerschrockenste Buchmacher nicht gern 318 Seiten bloß aus- und ab¬
schreibe» wird, ohne eigne Gedanken und selbständige Betrachtungen zum besten
zu geben, so hat sich O. F. Geusichen unter anderen genötigt gefunden, die bisher
herrschenden Anschauungen über Goethes Leipziger Jugendneigung zu Käthchen
Schönkopf (Annette) und über Wesen und Lebensverhältnisse dieser anmutigen
Mädchengestalt von der Hohe nenberliuischer Erfahrung herab zu berichtigen. Wir
haben bisher nur gewußt, daß Käthchen Schönkopf, die Tochter eines Leipziger
Weinhändlers und Weinwirts, durch ein liebenswürdiges Naturell, durch eine da¬
mals noch seltene Bildsamkeit, durch Eigenschaften ausgezeichnet war, die ihr nicht
nur die leidenschaftliche Liebe des poetischen Frankfurter Studenten, sondern auch
die Neigung andrer Männer sicherten, die hohe Anforderungen an weiblichen Wert
stellten. Sie wurde bekanntlich im Jahre 1770 die Frau des angesehenen Dr. jur.
Christ. Karl Kanne, dem sie, nach Goethes Weggang, vor all ihren Bewerbern
den Vorzug gab. Wir wissen auch, daß sie in den besten Leipziger Bürgerfamilien
lange bor ihrer Heirat freundschaftlich verkehrte. Das alles aber hindert O. F. Gemsleber
nicht, uus zu belehren, daß, „mochte der Kreis in der Schönkopfschen Weinstube
auch ziemlich abgeschlossen sein, die Tochter des Hauses, die tagsüber am Küchen¬
feuer für die Mittagsgaste kochte und ihnen abends den Wein selbst servirte, da¬
durch einen wenn auch noch so leisen Anhauch eiuer Kellnerin bekam." Das ist
ja nnn Ansichtssache, aber ungeheuerlicher als die Behauptung erscheint der Beweis,
den Gemsleber beizubringen versucht, indem er wörtlich sagt (nachdem er zuvor den
Brief Goethes an Käthchen Schönkopf vom 12. Dezember 176O angeführt hat):
„Dieser selbe Gratulationsbrief enthält die Worte »Von meinen Schulden will ich
eiuen Teil abtragen, den andern müssen Sie mir noch nachsehen" — Schulden, die
er, wie bei einer Kellnerin, ersichtlich für Mittagstisch und Zeche gemacht hatte!"

Mau möchte in der That Leuten, die nur zum Zweck ihrer Vorurteile oder
absonderlichen Tendenzen Briefe und sonstige Belege benutzen, das Zitiren ganz
verbieten. Die ans dem neuesten Geschäftsbetrieb großer Berliner Wirtschaften
stammende Einbildung, daß Katharina Schönkopf, des ehrsamen Weinhändlers Chr.
G. Schönkopf häusliche Jungfer Tochter, in Küche und Keller ihres Vaters Essen
und Wem bar bezahlt und darnach selbständig den ihr behagenden Gästen „ge¬
pumpt" habe, ist geradezu albern; wenn der junge Goethe für seinen Mittags¬
und Abendtisch Kredit gebraucht hätte, würde er ihn bei Vater Schönkopf gesucht
und gefunden haben. Aber dergleichen Einbildungen auch noch aus Briefen akten-
mäßig beweisen zu wollen, in denen man nur zu lesen braucht, um das gerade
Gegenteil zu sehen, das übersteigt denn doch das Erlaubte. Vou den ersten der
Briefe an, die Goethe während seiner Frankfurter Leidenszeit vom September 1768
bis zum Januar 1770 an Käthchen Schönkopf richtet, tritt deutlich hervor, daß
er der Freundin eine Reihe von Gegenständen und Büchern versprochen hatte, es
ist von Halstüchern, Pantoffeln, Schuhen, einem gemalten Fächer, von Gleims,
von Hagedorns Gedichten, von einem „großen Buche" usw. die Rede, bald schickt
er etwas „auf Abschlag," bald beruft er sich darauf, daß, wenn er auch nicht
immer halte, was er verspreche, er doch oft mehr thue, als er verspreche, bald
gesteht er (1. Juni 1769) eifersüchtig schmollend: „Das Halstuch und der Fächer
sind noch nicht um einen Finger breit weiter. Sehen Sie, ich bin aufrichtig,
wenn ich was malen will, so bleibt mirs im Halse stecken. Nur in Frühlingstagen
schneiden Schäfer in die Bäume, nur in der Blumenzeit bindet man Kränze!" und
als er, in der Erwartung von Katheders Hochzeit mit Dr. Kanne, den unmittel¬
baren Briefwechsel abbricht und eiuen Teil des Versprochnen schuldig bleibt, setzt


Grenzboten IV 1896 31
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[0649] Maßgebliches und Unmaßgebliches Da auch der unerschrockenste Buchmacher nicht gern 318 Seiten bloß aus- und ab¬ schreibe» wird, ohne eigne Gedanken und selbständige Betrachtungen zum besten zu geben, so hat sich O. F. Geusichen unter anderen genötigt gefunden, die bisher herrschenden Anschauungen über Goethes Leipziger Jugendneigung zu Käthchen Schönkopf (Annette) und über Wesen und Lebensverhältnisse dieser anmutigen Mädchengestalt von der Hohe nenberliuischer Erfahrung herab zu berichtigen. Wir haben bisher nur gewußt, daß Käthchen Schönkopf, die Tochter eines Leipziger Weinhändlers und Weinwirts, durch ein liebenswürdiges Naturell, durch eine da¬ mals noch seltene Bildsamkeit, durch Eigenschaften ausgezeichnet war, die ihr nicht nur die leidenschaftliche Liebe des poetischen Frankfurter Studenten, sondern auch die Neigung andrer Männer sicherten, die hohe Anforderungen an weiblichen Wert stellten. Sie wurde bekanntlich im Jahre 1770 die Frau des angesehenen Dr. jur. Christ. Karl Kanne, dem sie, nach Goethes Weggang, vor all ihren Bewerbern den Vorzug gab. Wir wissen auch, daß sie in den besten Leipziger Bürgerfamilien lange bor ihrer Heirat freundschaftlich verkehrte. Das alles aber hindert O. F. Gemsleber nicht, uus zu belehren, daß, „mochte der Kreis in der Schönkopfschen Weinstube auch ziemlich abgeschlossen sein, die Tochter des Hauses, die tagsüber am Küchen¬ feuer für die Mittagsgaste kochte und ihnen abends den Wein selbst servirte, da¬ durch einen wenn auch noch so leisen Anhauch eiuer Kellnerin bekam." Das ist ja nnn Ansichtssache, aber ungeheuerlicher als die Behauptung erscheint der Beweis, den Gemsleber beizubringen versucht, indem er wörtlich sagt (nachdem er zuvor den Brief Goethes an Käthchen Schönkopf vom 12. Dezember 176O angeführt hat): „Dieser selbe Gratulationsbrief enthält die Worte »Von meinen Schulden will ich eiuen Teil abtragen, den andern müssen Sie mir noch nachsehen" — Schulden, die er, wie bei einer Kellnerin, ersichtlich für Mittagstisch und Zeche gemacht hatte!" Mau möchte in der That Leuten, die nur zum Zweck ihrer Vorurteile oder absonderlichen Tendenzen Briefe und sonstige Belege benutzen, das Zitiren ganz verbieten. Die ans dem neuesten Geschäftsbetrieb großer Berliner Wirtschaften stammende Einbildung, daß Katharina Schönkopf, des ehrsamen Weinhändlers Chr. G. Schönkopf häusliche Jungfer Tochter, in Küche und Keller ihres Vaters Essen und Wem bar bezahlt und darnach selbständig den ihr behagenden Gästen „ge¬ pumpt" habe, ist geradezu albern; wenn der junge Goethe für seinen Mittags¬ und Abendtisch Kredit gebraucht hätte, würde er ihn bei Vater Schönkopf gesucht und gefunden haben. Aber dergleichen Einbildungen auch noch aus Briefen akten- mäßig beweisen zu wollen, in denen man nur zu lesen braucht, um das gerade Gegenteil zu sehen, das übersteigt denn doch das Erlaubte. Vou den ersten der Briefe an, die Goethe während seiner Frankfurter Leidenszeit vom September 1768 bis zum Januar 1770 an Käthchen Schönkopf richtet, tritt deutlich hervor, daß er der Freundin eine Reihe von Gegenständen und Büchern versprochen hatte, es ist von Halstüchern, Pantoffeln, Schuhen, einem gemalten Fächer, von Gleims, von Hagedorns Gedichten, von einem „großen Buche" usw. die Rede, bald schickt er etwas „auf Abschlag," bald beruft er sich darauf, daß, wenn er auch nicht immer halte, was er verspreche, er doch oft mehr thue, als er verspreche, bald gesteht er (1. Juni 1769) eifersüchtig schmollend: „Das Halstuch und der Fächer sind noch nicht um einen Finger breit weiter. Sehen Sie, ich bin aufrichtig, wenn ich was malen will, so bleibt mirs im Halse stecken. Nur in Frühlingstagen schneiden Schäfer in die Bäume, nur in der Blumenzeit bindet man Kränze!" und als er, in der Erwartung von Katheders Hochzeit mit Dr. Kanne, den unmittel¬ baren Briefwechsel abbricht und eiuen Teil des Versprochnen schuldig bleibt, setzt Grenzboten IV 1896 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/649>, abgerufen am 06.01.2025.