Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus Clara Schumanns Brautzeit

sonst bisher über diese Vorgänge und ihren Einfluß auf das spätere Verhältnis
Schumanns zu Wieck in der bekannten Biographie Schumanns von Wasielewski
(3, Auflage, 1880, S. 125 und 141) und in dem Buche von Kohut über
Wieck (1888, S. 106) mitgeteilt ist, ist dürstig, zum Teil auch unrichtig.

Das Brautpaar ließ sich in dem Prozeß gegen den Vater durch den Rechts¬
anmalt Einert in Leipzig vertreten. Die Akten, die dieser darüber geführt hat,
sind noch erhalten: sie enthalten einen eigenhändigen Brief Claras und zwölf
eigenhändige Briefe Schumanns. Bis vor kurzem waren sie in dem Besitz
von Einerts Sohn, dem Herrn Rechtsanwalt I. G. Einert in Leipzig; von
diesem sind sie nun nach Clara Schumanns Hinscheiden dem Rate der Stadt
Leipzig für die Leipziger Stndtbibliothek übergeben worden. Wasielewski hat
von diesen Akten Kunde gehabt; Kunde, ob auch Kenntnis, ist zweifelhaft.
Ein paar Wendungen in seiner Darstellung sind wörtlich aus den Alten ent¬
lehnt; vielleicht war ihm auf eine Anfrage dieses wenige daraus mitgeteilt
worden. Kohut hat nichts davon gewußt; er sagt nur nach, was ihm Marie
Wieck, die Hauptveranlasserin seines Buches vorgesagt hat, und diese hat von
den wirklichen Vorgängen gar keine Kenntnis gehabt, sondern ist mir ängstlich
bemüht gewesen, ihren Vater in dem besten Lichte zu zeigen und seine Hand¬
lungsweise gegen das Brautpaar als etwas ganz natürliches und selbstver¬
ständliches hinzustellen. Diesen Bemühungen hat sie sich auch sonst mit großer
Ausdauer gewidmet. So findet sich z. B. im fünfzehnten Jahrgang der Neuen
Musikzeituug (1894, Ur. 10) ein Aufsatz über Schumann und Wieck (unter¬
zeichnet R. Batka), der unzweifelhaft vou ihr veranlaßt worden ist. Darin
heißt es u. a.-
. "Ich bin durch die freundlichen Mitteilungen der Schwägerin
Schumanns, Fräulein Marie Wieck, in der Lage, zu erklären, daß an all dem
Gerede über die Feindschaft und Gehässigkeit des alten Wieck gegen den Bräu-
tigam seiner Tochter Clara, wie es sich von Biographie zu Biographie fort-
^de(?), kein wahres Wort ist.....Clara war sein Glück, sein Stolz, die
lebendige Verkörperung seiner illustren(!) Klaviermethodc. . . . Und nun sollte
sich dies Kleinod an jenen Robert ketten, den verbummelten Studenten, ver¬
tuschten Klnviervirtuosen und unbeachteten Komponisten, den unpraktischen
Träumer ohne sichere Lebensstellung und Aussicht für die Zukunft! . . . Als
Wieck bemerkte, wie glücklich Clara in ihrer Ehe sei (so), reichte er gern wieder
^e Hand zur Versöhnung. Bald war das alte freundschaftliche Einvernehmen
wieder hergestellt und jede Spur des einstigen Bruches verwischt. Während
^mes Aufeuthnltes in Dresden (1844 bis 1849) verkehrte Schumann täglich
"ud in der zärtlichsten Weise mit Wieck, zur wahren Herzensfreude der ganzen
Familie."

Im folgenden sollen die Vorgänge wahrheitsgetreu nach den Akten erzählt
^rden. Es hätte das längst geschehen können, denn das Andenken des edeln
^ünstlerpaars kann dabei nur gewinnen. Daß das Andenken Wiecks dabei


Aus Clara Schumanns Brautzeit

sonst bisher über diese Vorgänge und ihren Einfluß auf das spätere Verhältnis
Schumanns zu Wieck in der bekannten Biographie Schumanns von Wasielewski
(3, Auflage, 1880, S. 125 und 141) und in dem Buche von Kohut über
Wieck (1888, S. 106) mitgeteilt ist, ist dürstig, zum Teil auch unrichtig.

Das Brautpaar ließ sich in dem Prozeß gegen den Vater durch den Rechts¬
anmalt Einert in Leipzig vertreten. Die Akten, die dieser darüber geführt hat,
sind noch erhalten: sie enthalten einen eigenhändigen Brief Claras und zwölf
eigenhändige Briefe Schumanns. Bis vor kurzem waren sie in dem Besitz
von Einerts Sohn, dem Herrn Rechtsanwalt I. G. Einert in Leipzig; von
diesem sind sie nun nach Clara Schumanns Hinscheiden dem Rate der Stadt
Leipzig für die Leipziger Stndtbibliothek übergeben worden. Wasielewski hat
von diesen Akten Kunde gehabt; Kunde, ob auch Kenntnis, ist zweifelhaft.
Ein paar Wendungen in seiner Darstellung sind wörtlich aus den Alten ent¬
lehnt; vielleicht war ihm auf eine Anfrage dieses wenige daraus mitgeteilt
worden. Kohut hat nichts davon gewußt; er sagt nur nach, was ihm Marie
Wieck, die Hauptveranlasserin seines Buches vorgesagt hat, und diese hat von
den wirklichen Vorgängen gar keine Kenntnis gehabt, sondern ist mir ängstlich
bemüht gewesen, ihren Vater in dem besten Lichte zu zeigen und seine Hand¬
lungsweise gegen das Brautpaar als etwas ganz natürliches und selbstver¬
ständliches hinzustellen. Diesen Bemühungen hat sie sich auch sonst mit großer
Ausdauer gewidmet. So findet sich z. B. im fünfzehnten Jahrgang der Neuen
Musikzeituug (1894, Ur. 10) ein Aufsatz über Schumann und Wieck (unter¬
zeichnet R. Batka), der unzweifelhaft vou ihr veranlaßt worden ist. Darin
heißt es u. a.-
. „Ich bin durch die freundlichen Mitteilungen der Schwägerin
Schumanns, Fräulein Marie Wieck, in der Lage, zu erklären, daß an all dem
Gerede über die Feindschaft und Gehässigkeit des alten Wieck gegen den Bräu-
tigam seiner Tochter Clara, wie es sich von Biographie zu Biographie fort-
^de(?), kein wahres Wort ist.....Clara war sein Glück, sein Stolz, die
lebendige Verkörperung seiner illustren(!) Klaviermethodc. . . . Und nun sollte
sich dies Kleinod an jenen Robert ketten, den verbummelten Studenten, ver¬
tuschten Klnviervirtuosen und unbeachteten Komponisten, den unpraktischen
Träumer ohne sichere Lebensstellung und Aussicht für die Zukunft! . . . Als
Wieck bemerkte, wie glücklich Clara in ihrer Ehe sei (so), reichte er gern wieder
^e Hand zur Versöhnung. Bald war das alte freundschaftliche Einvernehmen
wieder hergestellt und jede Spur des einstigen Bruches verwischt. Während
^mes Aufeuthnltes in Dresden (1844 bis 1849) verkehrte Schumann täglich
"ud in der zärtlichsten Weise mit Wieck, zur wahren Herzensfreude der ganzen
Familie."

Im folgenden sollen die Vorgänge wahrheitsgetreu nach den Akten erzählt
^rden. Es hätte das längst geschehen können, denn das Andenken des edeln
^ünstlerpaars kann dabei nur gewinnen. Daß das Andenken Wiecks dabei


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0515" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224099"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus Clara Schumanns Brautzeit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1513" prev="#ID_1512"> sonst bisher über diese Vorgänge und ihren Einfluß auf das spätere Verhältnis<lb/>
Schumanns zu Wieck in der bekannten Biographie Schumanns von Wasielewski<lb/>
(3, Auflage, 1880, S. 125 und 141) und in dem Buche von Kohut über<lb/>
Wieck (1888, S. 106) mitgeteilt ist, ist dürstig, zum Teil auch unrichtig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1514"> Das Brautpaar ließ sich in dem Prozeß gegen den Vater durch den Rechts¬<lb/>
anmalt Einert in Leipzig vertreten. Die Akten, die dieser darüber geführt hat,<lb/>
sind noch erhalten: sie enthalten einen eigenhändigen Brief Claras und zwölf<lb/>
eigenhändige Briefe Schumanns. Bis vor kurzem waren sie in dem Besitz<lb/>
von Einerts Sohn, dem Herrn Rechtsanwalt I. G. Einert in Leipzig; von<lb/>
diesem sind sie nun nach Clara Schumanns Hinscheiden dem Rate der Stadt<lb/>
Leipzig für die Leipziger Stndtbibliothek übergeben worden. Wasielewski hat<lb/>
von diesen Akten Kunde gehabt; Kunde, ob auch Kenntnis, ist zweifelhaft.<lb/>
Ein paar Wendungen in seiner Darstellung sind wörtlich aus den Alten ent¬<lb/>
lehnt; vielleicht war ihm auf eine Anfrage dieses wenige daraus mitgeteilt<lb/>
worden. Kohut hat nichts davon gewußt; er sagt nur nach, was ihm Marie<lb/>
Wieck, die Hauptveranlasserin seines Buches vorgesagt hat, und diese hat von<lb/>
den wirklichen Vorgängen gar keine Kenntnis gehabt, sondern ist mir ängstlich<lb/>
bemüht gewesen, ihren Vater in dem besten Lichte zu zeigen und seine Hand¬<lb/>
lungsweise gegen das Brautpaar als etwas ganz natürliches und selbstver¬<lb/>
ständliches hinzustellen. Diesen Bemühungen hat sie sich auch sonst mit großer<lb/>
Ausdauer gewidmet. So findet sich z. B. im fünfzehnten Jahrgang der Neuen<lb/>
Musikzeituug (1894, Ur. 10) ein Aufsatz über Schumann und Wieck (unter¬<lb/>
zeichnet R. Batka), der unzweifelhaft vou ihr veranlaßt worden ist. Darin<lb/>
heißt es u. a.-<lb/>
. &#x201E;Ich bin durch die freundlichen Mitteilungen der Schwägerin<lb/>
Schumanns, Fräulein Marie Wieck, in der Lage, zu erklären, daß an all dem<lb/>
Gerede über die Feindschaft und Gehässigkeit des alten Wieck gegen den Bräu-<lb/>
tigam seiner Tochter Clara, wie es sich von Biographie zu Biographie fort-<lb/>
^de(?), kein wahres Wort ist.....Clara war sein Glück, sein Stolz, die<lb/>
lebendige Verkörperung seiner illustren(!) Klaviermethodc. . . . Und nun sollte<lb/>
sich dies Kleinod an jenen Robert ketten, den verbummelten Studenten, ver¬<lb/>
tuschten Klnviervirtuosen und unbeachteten Komponisten, den unpraktischen<lb/>
Träumer ohne sichere Lebensstellung und Aussicht für die Zukunft! . . . Als<lb/>
Wieck bemerkte, wie glücklich Clara in ihrer Ehe sei (so), reichte er gern wieder<lb/>
^e Hand zur Versöhnung. Bald war das alte freundschaftliche Einvernehmen<lb/>
wieder hergestellt und jede Spur des einstigen Bruches verwischt. Während<lb/>
^mes Aufeuthnltes in Dresden (1844 bis 1849) verkehrte Schumann täglich<lb/>
"ud in der zärtlichsten Weise mit Wieck, zur wahren Herzensfreude der ganzen<lb/>
Familie."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1515" next="#ID_1516"> Im folgenden sollen die Vorgänge wahrheitsgetreu nach den Akten erzählt<lb/>
^rden. Es hätte das längst geschehen können, denn das Andenken des edeln<lb/>
^ünstlerpaars kann dabei nur gewinnen.  Daß das Andenken Wiecks dabei</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0515] Aus Clara Schumanns Brautzeit sonst bisher über diese Vorgänge und ihren Einfluß auf das spätere Verhältnis Schumanns zu Wieck in der bekannten Biographie Schumanns von Wasielewski (3, Auflage, 1880, S. 125 und 141) und in dem Buche von Kohut über Wieck (1888, S. 106) mitgeteilt ist, ist dürstig, zum Teil auch unrichtig. Das Brautpaar ließ sich in dem Prozeß gegen den Vater durch den Rechts¬ anmalt Einert in Leipzig vertreten. Die Akten, die dieser darüber geführt hat, sind noch erhalten: sie enthalten einen eigenhändigen Brief Claras und zwölf eigenhändige Briefe Schumanns. Bis vor kurzem waren sie in dem Besitz von Einerts Sohn, dem Herrn Rechtsanwalt I. G. Einert in Leipzig; von diesem sind sie nun nach Clara Schumanns Hinscheiden dem Rate der Stadt Leipzig für die Leipziger Stndtbibliothek übergeben worden. Wasielewski hat von diesen Akten Kunde gehabt; Kunde, ob auch Kenntnis, ist zweifelhaft. Ein paar Wendungen in seiner Darstellung sind wörtlich aus den Alten ent¬ lehnt; vielleicht war ihm auf eine Anfrage dieses wenige daraus mitgeteilt worden. Kohut hat nichts davon gewußt; er sagt nur nach, was ihm Marie Wieck, die Hauptveranlasserin seines Buches vorgesagt hat, und diese hat von den wirklichen Vorgängen gar keine Kenntnis gehabt, sondern ist mir ängstlich bemüht gewesen, ihren Vater in dem besten Lichte zu zeigen und seine Hand¬ lungsweise gegen das Brautpaar als etwas ganz natürliches und selbstver¬ ständliches hinzustellen. Diesen Bemühungen hat sie sich auch sonst mit großer Ausdauer gewidmet. So findet sich z. B. im fünfzehnten Jahrgang der Neuen Musikzeituug (1894, Ur. 10) ein Aufsatz über Schumann und Wieck (unter¬ zeichnet R. Batka), der unzweifelhaft vou ihr veranlaßt worden ist. Darin heißt es u. a.- . „Ich bin durch die freundlichen Mitteilungen der Schwägerin Schumanns, Fräulein Marie Wieck, in der Lage, zu erklären, daß an all dem Gerede über die Feindschaft und Gehässigkeit des alten Wieck gegen den Bräu- tigam seiner Tochter Clara, wie es sich von Biographie zu Biographie fort- ^de(?), kein wahres Wort ist.....Clara war sein Glück, sein Stolz, die lebendige Verkörperung seiner illustren(!) Klaviermethodc. . . . Und nun sollte sich dies Kleinod an jenen Robert ketten, den verbummelten Studenten, ver¬ tuschten Klnviervirtuosen und unbeachteten Komponisten, den unpraktischen Träumer ohne sichere Lebensstellung und Aussicht für die Zukunft! . . . Als Wieck bemerkte, wie glücklich Clara in ihrer Ehe sei (so), reichte er gern wieder ^e Hand zur Versöhnung. Bald war das alte freundschaftliche Einvernehmen wieder hergestellt und jede Spur des einstigen Bruches verwischt. Während ^mes Aufeuthnltes in Dresden (1844 bis 1849) verkehrte Schumann täglich "ud in der zärtlichsten Weise mit Wieck, zur wahren Herzensfreude der ganzen Familie." Im folgenden sollen die Vorgänge wahrheitsgetreu nach den Akten erzählt ^rden. Es hätte das längst geschehen können, denn das Andenken des edeln ^ünstlerpaars kann dabei nur gewinnen. Daß das Andenken Wiecks dabei

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/515
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/515>, abgerufen am 06.01.2025.